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Der Yoga-Boom im Ruhrgebiet und sein Stressfaktor

Der Yoga-Boom im Ruhrgebiet und sein Stressfaktor

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Foto: Getty Images
Immer mehr Lehrer eröffnen eigene Yoga-Studios in NRW. Allerdings sind immer weniger von ihnen gut ausgebildet – und arbeiten für Dumping-Löhne.

Essen. 

Wenn eine neue Yoga-Schule an Rhein und Ruhr öffnet, bekommt Bettina Bergander das oft zuerst mit. Die 48-Jährige verkauft in ihrem Essener Laden „Yogavielfalt“ Zubehör für die indische Entspannungslehre. Yoga-Lehrer aus der ganzen Region kaufen bei ihr ein. „Und es kommen immer mehr Leute zu mir, der Bedarf wird immer größer.“ Neue Schulen schössen regelrecht aus dem Boden.

Bergander beschreibt eine Entwicklung, die auch die großen Vereine verfolgen: Während Yoga in Metropolen wie Köln, München, Hamburg oder Berlin seit Jahren boomt, entpuppen sich das Ruhrgebiet und auch Sieger- und Sauerland als fruchtbares Neuland für die Branche. „In den letzten drei Jahren steigen die Teilnehmerzahlen an Yoga-Kursen und Ausbildungen besonders in Essen, Dortmund, Schwerte, Herne, aber auch in Duisburg und Rheinberg“, sagt Volker Bretz, Vorsitzender des Vereins Yoga Vidya, der 2014 rund 1200 Lehrer ausgebildet hat.

Noch viel Potenzial im Ruhrgebiet

„Grob geschätzt hat sich die Anzahl der Leute, die bei uns eine Ausbildung beginnen, verdoppelt. Gerade in der Peripherie und im Ruhrgebiet gibt es in NRW aber noch viel Potenzial“, ergänzt Hardy Fürch vom Berufsverband der Yogalehrenden (BDY). Yoga verliere zunehmend den Ruf als Aktivität nur für „situierte, bürgerliche Frauen“ und sei „in allen Bevölkerungsschichten angekommen“.

Der boomende Markt zieht nach Ansicht der Vereine auch Billig-Anbieter an. Yoga-Lehrer ist kein geschützter Beruf. Immer mehr Schulen locken mit Angeboten, die Teilnehmer übers Wochenende qualifizieren sollen. Viel verdienen lässt sich als im Schnellkurs ausgebildeter Lehrer nicht: „Mancher bekommt dort weniger als zehn Euro für eine Trainingseinheit“, sagt Fürch. Der BDY zahle dagegen rund 80 Euro die volle Stunde.

Fitness-Ketten bieten Yoga-Kurse an

Reine Yoga-Discount-Ketten gibt es zwar nicht, allerdings bieten Fitness-Ketten wie McFit oder FitX auch Yoga-Kurse an. Hinzu kommen einzelne Schulen, die Kurse zu Dumpingpreisen anbieten. Indizien für Yoga-Discounter seien etwa unlimitierte Kursgrößen oder Kosten zwischen sieben und acht Euro pro Einheit, sagt Fürch. Studios mit gut ausgebildeten Lehrern würden dagegen rund zwölf Euro verlangen und Kurse auf maximal 15 Teilnehmer begrenzen.

Fürch betont aber, dass sich allein durch den Preis nicht auf die Qualität schließen lasse. Wenn etwa die Miete fürs Studio gering sei, könnten auch gute Kurse günstig sein. Sicher sei, wer sich über den Werdegang des Lehrers informiere.

Auch Yoga Vidya betont seine Vorbehalte vor Billig-Angeboten, steht aber selbst in der Kritik, Lehrer am laufenden Band anzulernen. Bei dem Verein kann man binnen vier Wochen Lehrer werden. Mit so einer Ausbildung darf man auch Kinder, Senioren, Schwangere und Rückenkranke unterrichten. Bretz verteidigt das Ausbildungskonzept aber als „differenziert und gründlich“ und verweist darauf, dass man bei Yoga Vidya auch Vollzeit-Ausbildungen über mehrere Jahre absolvieren kann.

Kurzausbildungen in der Kritik

An Kurzausbildungen wird auch kritisiert, dass dort Marketing keine Rolle spielt. „Guter Unterricht ist wichtiger als Marketing“, entgegnet Bretz. Ohne fällt es Neulingen in der Branche aber schwer, Fuß zu fassen. Das beobachtet auch Bettina Bergander bei vielen Kunden ihres Yoga-Geschäfts. Über wirtschaftliche Aspekte wie Miete und Werbung mache sich kaum einer Gedanken. Stattdessen würden viele die Vorstellung vom Lebensunterhalt durch Yogastunden romantisieren. Sich allein damit über Wasser zu halten, sei jedoch fast unmöglich: „Die meisten haben einen Zweitjob.“

Auch Yoga-Lehrerin Ramona Siegmund hatte es sich einfacher vorgestellt. Bevor sie 2014 ihre Schule „Peaceloveyoga“ in Recklinghausen eröffnete, unterrichtete sie eineinhalb Jahre daheim. „Das würde ich jedem empfehlen“, sagt sie. So fange man mit dem eigenen Studio nicht bei Null an – „ganz wichtig“. Denn Ramona Siegmund ist überzeugt: Existenznot und Entspannungsübungen – „das passt einfach nicht zusammen“.