Veröffentlicht inRegion

Neue Heimat: NRW

Neue Heimat: NRW

Essen. 

Statistiken führen zuweilen in die Irre. Auf den ersten Blick wirken der Märkische Kreis und der ländliche Kreis Borken wie ein Magnet auf Zuwanderer aus aller Welt. Die rote Farbe in der Grafik signalisiert: Hier sind viel mehr Ausländer hin- als weggezogen. Jeweils annähernd 5000 Zuzüge mehr als Fortzüge gab es im Jahr 2011 in diesen Kreisen. Aber hier lohnt ein genauer Blick. Denn „Rot“ heißt hier mitnichten, dass die Migranten diesen Regionen einen nachhaltigen Bevölkerungszuwachs bescheren.

Nein, es sind die Übergangseinrichtungen in Hemer-Deilinghofen und in Schöppingen, die für den Spitzenplatz in der Statistik sorgen. So gibt es im Märkischen Kreis viele Asylbewerber aus Afghanistan, Mazedonien, Iran, Irak und Syrien. Diese Menschen bleiben oft nur kurz im Kreisgebiet und ziehen dann in andere Städte in NRW und im ganzen Bundesgebiet.

Bulgaren ziehen ins Revier

In anderen Regionen ist die rote Farbe wirklich ein Signal für Bevölkerungszuwachs. Zum Beispiel im Ruhrgebiet. Migranten aus Bulgarien und Rumänien haben sich in den letzten Jahren in großen Revierstädten wie Duisburg, Essen oder Dortmund niedergelassen. „Seit dem EU-Beitritt von Bulgarien und Rumänien im Jahr 2007 beobachten wir eine wachsende Zuwanderung von Menschen aus diesen Staaten“, sagt Leyla Özmal, Integrationsbeauftragte der Stadt Duisburg. Lebten im Juli 2011 noch 3900 bulgarische und rumänische Bürger in Duisburg, sind es im Januar 2013 bereits 6176. Tendenz steigend.

„Ich gehe davon aus, dass wir auch in Zukunft mit Zuwanderern aus diesen Ländern rechnen können“, sagt Leyla Özmal. Die Gründe, warum so viele Rumänen und Bulgaren hier eine neue Heimat suchen, liegen für die Integrationsbeauftragte auf der Hand. So verfügten viele Bulgaren über gute Türkischkenntnisse. „Viele Stadtteile in Duisburg sind durch die ,Gastarbeiter’-Vergangenheit sehr türkisch geprägt und natürlich ziehen die Leute dahin, wo sie die Sprache sprechen.“ Marxloh und Hochfeld sind bevorzugte Ziele von Zuwanderern. So leben in Marxloh (Einwohnerzahl: 17 585) 1076 Rumänen und Bulgaren, in Hochfeld (Einwohnerzahl: ca 16 300) sind es 2347. Auch der Wohnungsmarkt im Revier zieht Migranten an. „Es gibt hier viele leer stehende und billige Immobilien. Die sind für andere Mieter oft unattraktiv und müssten eigentlich abgerissen werden. Da ziehen dann Zuwanderer ein“, sagt Leyla Özmal. Und noch ein Trend zeichne sich ab. So kämen immer mehr Familien mit kleinen Kindern nach Duisburg. „Im laufenden Schuljahr haben wir 400 Kinder aus südosteuropäischen Familien in Schulen aufgenommen. Ein Zeichen dafür, dass die Familien hier sesshaft werden möchten.“ 2011 war jedes vierte bulgarische oder rumänische Kind hier unter 15 Jahren.

Auch Dortmund verzeichnete im Jahr 2011 ein Zuwanderungsplus von 2600. Ein Blick auf die Staatsangehörigkeit der ausländischen Zugezogenen ergibt eine große Vielfalt. Sie stammen aus 131 Ländern. Mit 1977 Zuzügen stehen Polen mit weitem Abstand auf Platz eins, gefolgt von Bulgaren und Rumänen. Über die Gründe für die Zuwanderung lasse sich nur spekulieren, sagt Stadt-Sprecher Michael Meinders. Manche kämen zum Studieren nach Dortmund, andere wiederum, um in der Westfalenmetropole zu arbeiten oder zu heiraten.

Die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 2014, also der generelle Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, könnte zu noch mehr Zuzügen führen. Rumänen und Bulgaren ist dieser Zugang bislang verwehrt. Bereits seit 2010 hat Dortmund wie andere große Städte im Land eine positive Außenwanderungsbilanz, das heißt: Dortmund verbucht mehr Zu- als Fortzüge. Einen maßgeblichen Anteil daran haben die ausländischen Zuwanderer. Sie sorgen sogar dafür, dass die Einwohnerzahl derzeit nicht sinkt. Das NRW-Arbeitsministerium spricht von einer „positiven Wanderungsbilanz“. Der demografische Wandel fällt dadurch freundlicher aus.