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Erfahrungen mit dem Turbo-Abi – Schüler sehen auch Vorteile

Erfahrungen mit dem Turbo-Abi – Schüler sehen auch Vorteile

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Schüler Gymnasium Filder Benden machen Abitur Foto: Ulla Michels
Drei Jugendliche, die am Gymnasium in den Filder Benden in Moers in Kürze in die Abiturprüfungen gehen, berichten von ihren Erfahrungen mit der verkürzten Schulzeit. Sie hatten in der Schule viel zu tun, doch sie sind nun sehr junge Abiturienten und können früher ins Berufsleben starten.

Moers. 

Für Anna-Lena, Kathrin und Gereon sind diese Tage die letzten echten Schultage ihres Lebens. In der kommenden Woche feiern sie ihre Mottowoche und kommen verkleidet oder im Pyjama in den Unterricht. Am Gymnasium in den Filder Benden in Moers machen die drei nach acht Jahren Abitur. Sie sind Teil des G8-Jahrgangs, der im April gemeinsam mit jenen ins Abitur geht, die neun Jahre am Gymnasium gelernt haben. Mit dem Turbo-Abi hadern vor allem viele Eltern, die den Freizeitverlust ihrer Kinder über Jahre miterlebt haben. Doch Anna-Lena, Kathrin und Gereon sehen auch Vorteile der verkürzten Schulzeit.

Ein Freiwilliges Soziales Jahr im Ausland

Kathrin beispielsweise ist froh, dass sie eine so junge Abiturientin ist. Sie will das gewonnene Jahr nutzen, um ein Freiwilliges Soziales Jahr im Ausland zu absolvieren. „Ich habe eine Zusage aus Ecuador, an einer Vorschule“, sagt sie. Auch wie es danach weitergehen soll, hat sich die 17-Jährige schon überlegt. „Ich möchte Psychologie studieren. Ich weiß, der NC ist hoch, aber ich schaffe vielleicht einen Schnitt zwischen 1,2 und 1,4.“ Keine Frage, sie ist eine sehr gute Schülerin, und Japanisch hat sie in der Oberstufe sogar auch noch gelernt – „weil es eine coole Sprache ist“.

Ihre Freundin Anna-Lena sieht G8 da schon etwas kritischer, auch wenn sie notenmäßig ebenfalls gut ist. „Ich habe das mit der Schule eigentlich immer gut hinbekommen, aber ab der Q1 (dem elften Jahrgang, Anm. der Red.) wurde es richtig krass. Das eine Jahr mehr hätte ich schon gern gehabt.“ Zum Beispiel für einen Auslandsaufenthalt, denn der ist für viele G8-Schüler nicht mehr drin.

„In der Mittelstufe habe ich G8 verflucht“, erinnert sich Gereon. Doch auch wenn er einen vollen Stundenplan und viele Hausaufgaben zu erledigen hatte, schaffte er es trotzdem, dreimal pro Woche Tennis zu spielen. Andere haben angesichts des erhöhten Lernaufwands ihre Hobbys aufgegeben, die Musikschulen klagen darüber ebenso wie die Sportvereine. Und auch für ein soziales Engagement bleibt vielen keine Zeit mehr.

Gereon hat inzwischen seine negative Meinung über G8 revidiert. „Ein Auslandsjahr kann man auch während des Studiums machen“, findet er. Das hat er selbst auch vor, wenn er ab dem kommenden Winteremester Jura studiert. „Und ich komme durch G8 früher ins Berufsleben. Mit 23 kann man schon Vollakademiker sein. Das ist ein echter Vorteil.“

An Gymnasium in den Filder Benden sind 86 Schülerinnen und Schüler im G8-Jahrgang, 100 im G9-Jahrgang. Eine Profilklasse absolvierte das Abitur bereits im vergangenen Jahr nach zwölf Jahren. „Die 30 haben alle ein Spitzen-Abitur gemacht“, sagt Oberstufenkoordinator Bernhard Mols. Sie studieren jetzt bereits und haben das Glück, nicht mit der Masse des Doppeljahrgangs an die Universitäten zu kommen. Schulleiterin Dr. Anke Domrose findet, der doppelte Jahrgang habe in einem Punkt sogar von seiner Größe profitiert: „Wir konnten viele Leistungskurse anbieten, zum Beispiel in Biologie, Chemie und Physik. Das heißt, unsere Schüler konnten wirklich nach ihren Neigungen wählen.“

Für Gereon, Anna-Lena, Kathrin und ihre Mitschüler beginnt nun am 23. März die heiße Lernphase. Nach den Prüfungen steht der Abi­ball an – wie an den meisten Schulen ist er eine organisatorische Herausforderung. Das Gymnasium feiert in der Kaya Plaza in Krefeld, rund 1000 Gäste werden kommen. „In der Diskussion war auch die MSV Arena“, sagt Gereon. „Aber die war viel zu teuer.“

Fünf Schüler, fünf Meinungen

Im Moerser Gymnasium in den Filder Benden haben auch weitere Schüler zur verkürzten Schulzeit Stellung genommen: Marius Tschorn, Henrik Graßhoff, Tabea Dolle, Jana Strohmeyer und Luka Olligs sind im elften Jahrgang, machen also erst im Jahr 2014 Abitur.

Luka Olligs (16) steht G8 kritisch gegenüber. Er sagt: „In Mathe hatte ich von der 5. bis zur 10. Klasse immer Einsen. Dann bin abgerutscht, auf Vieren und Fünfen. Da habe ich dann gemerkt, wie das mit dem G8 war. Es ist einfach alles viel zu viel geworden. Ich habe seit der sechsten Klasse Keyboard gespielt, das habe ich wegen der Schule aber aufgehört. Handball spiele ich allerdings immer noch. Ich hätte gern ein Jahr länger Schule gehabt. Der 10. Jahrgang war früher der Wiederholungs-Jahrgang. Das hätte ich unbedingt gebraucht.“

Marius Tschorn (17) findet, G8 setze die Schüler sehr unter Druck: „Ich mache während der Woche viel für die Schule. Ich spiele Fußball, aber wenn ich eine LK-Klausur schreibe, gehe ich an den Tagen davor nicht zum Training. Vor allem Mathe fand ich echt anstrengend in der 10. Klasse.“

Tabea Dolle (16) ist gegen G8: „Wenn ich Abi mache, bin ich erst 17. Ich werde erst im August 18. Ich darf dann noch nicht mal allein Auto fahren. Das finde ich nicht gut. Auslandserfahrungen habe ich. Ich war von der 5. bis zur 7. Klasse drei Jahre im Ausland – in Brasilien.“

Henrik Graßhoff (17) findet G8 nicht schlecht: „Ich habe keine Probleme in der Schule. Richtig angefangen zu lernen habe ich eigentlich erst in der 11. Klasse. Mir fehlt das extra Schuljahr nicht. Ich finde aber, man sollte den Stundenplan etwas aufräumen. Wir haben insgesamt sehr viele Wochenstunden.“

Jana Strohmeyer (16) findet G8 in Ordnung: „Okay, man muss viel Zeit fürs Lernen aufwenden. Aber wenn ich mein Abitur habe, bin ich erst 17. Dadurch dass man jünger ist, hat man mehr Zeit, sich zu entscheiden.“