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Jahrelang mit Kochlöffeln verprügelt und erniedrigt – So wehrt sich Dennis jetzt gegen seine Adoptiveltern

Jahrelang mit Kochlöffeln verprügelt und erniedrigt – So wehrt sich Dennis jetzt gegen seine Adoptiveltern

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Foto: imago / privat / Montage: DER WESTEN

Bochum. 

Der Nachname steht schwarz auf weiß in der amtlichen Urkunde: Engelmann. So heißt Dennis jetzt offiziell. Für den 25-Jährigen ist das wie eine zweite Geburt.

Denn sein alter Name war ein „Name der Schande“, wie er sagt. Es ist der Name seiner Adoptiveltern. Und jedes Mal, wenn er ihn hört, wird er an die Quälereien seiner Kindheit erinnert.

Mit vier Jahren kommt er in die Familie nach Duisburg, später ziehen sie nach Hattingen. Von Anfang an schlagen ihn die neuen Eltern, erzählt Dennis Engelmann. Mal mit einem Kochlöffel, den er vorher selbst aus der Küche holen muss, mal mit der Hand. Vor allem die Adoptivmutter schlägt zu: Sie packt ihn am Kragen, gibt ihm Ohrfeigen, demütigt ihn. Manchmal passiert es, weil die Schulnoten ihren Ansprüchen nicht genügen. Manchmal, weil Dennis aus Frust heimlich isst. Und manchmal einfach so.

Dennis Engelmann wurde als Kind misshandelt: Anwalt spricht von „Prügelorgien“

Dennis ist im Krankenhaus, als er das erzählt. Einen Tag zuvor ist er bei der Arbeit plötzlich zusammengebrochen und beim Fallen hart mit dem Kopf aufgeschlagen. „Kombination aus wenig Schlaf und viel Stress. Das ist grad alles etwas viel“, sagt er – und meint den bevorstehenden Gerichtsprozess und seine Entscheidung, mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen.

Der junge Mann, der inzwischen in Bochum lebt, hat seine Adoptiveltern angezeigt: wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen. Sein Anwalt Arne Michels spricht von regelrechten „Prügelorgien“, die Dennis in seiner Kindheit und Jugend über sich ergehen lassen musste. Wann der Prozess startet, ist noch unklar.

Dennis Engelmann wird mit vier Jahren adoptiert

Arne Michels sieht eklatante Fehler auch beim Jugendamt. „Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hatte das Amt Kenntnis von den Vorfällen in der Familie und hätte einschreiten können“, sagt er.

Das sei aber nicht passiert. „Die Frau vom Jugendamt war mit meinen Adoptiveltern befreundet und hat darüber hinweggesehen“, mutmaßt Dennis. Das zuständige Jugendamt äußert sich zu den Vorwürfen bislang nicht. Staatsanwaltliche Ermittlungen würden das verbieten, so ein Sprecher.

Nach außen die perfekte Familie

Die Kindheit hat Spuren bei Dennis hinterlassen. Psychotherapeuten diagnostizieren bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung, eine depressive Störung und eine soziale Phobie.

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Der junge Mann spricht sehr ruhig und sehr langsam, er klingt beinahe müde, als er erzählt, wie er sich letztes Jahr umbringen wollte. „Ich habe 18 Klinikaufenthalte in den letzten zehn Jahren hinter mir, wegen Despressionen. Letztes Jahr konnte ich nicht mehr und habe über 100 Tabletten geschluckt.“ Nur knapp überlebt er den Suizidversuch.

Suizidversuch knapp überlebt

„Ich werde niemals ein normales Leben haben können“, sagt er. Wegen seiner Depressionen ist Dennis berufsunfähig: Eigentlich wollte er Erzieher werden und dann Grundschulpädagogik studieren. Die Ausbildung hatte er schon angefangen. „Aber die Arbeit hat mich zu stark getriggert“, erklärt er.

Der Kontakt zu seinen Adoptiveltern ist seit Jahren abgebrochen. Als er 16 war, zog er aus, kam nach einem psychischen Zusammenbruch in einer Wohngruppe unter. Er habe versucht, seine Kindheit zu vergessen. „Aber ich konnte nie damit abschließen“, sagt er.

Deshalb die Anzeige – und der Schritt in die Öffentlichkeit. „Ich will anderen Mut machen, denen ähnliches passiert ist.“

Irgendwann, sagt er, möchte er wieder nach vorn schauen können. In eine glücklichere Zukunft. Ein erster Schritt dahin ist der neue Name. Den hat er sich selbst ausgesucht. „Ich hab an Heiligabend Geburtstag und die Vorstellung von Engeln gibt mir Kraft“, sagt Dennis, der jetzt Engelmann heißt.