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Mülheim hat noch 20 Tage, um die Pleite abzuwenden

Mülheim hat noch 20 Tage, um die Pleite abzuwenden

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Foto: NRZ
Bis ultimo verhandeln die Stadt Mülheim und andere NRW-Kommunen mit dem Land, wie eine Neubewertung ihrer RWE-Aktien abzuwenden ist. Denn die führt, mindestens im Fall von Mülheim, unweigerlich zur Überschuldung. Mülheim könnte, kein Scherz, am 1. April pleite sein.

Mülheim. 

20 Tage noch – dann könnte Mülheim auf einen Schlag überschuldet sein. Am 31. März nämlich muss Kämmerer Uwe Bonan seinen Jahresabschluss 2013 vorlegen. Die Pleite droht, weil die Stadt gesetzlich gezwungen sein dürfte, eine millionenschwere Wertberichtigung für ihre rund 9,4 Millionen RWE-Aktien vorzunehmen. Wenn kein Wunder geschieht . . .

Laut neuer gesetzlicher Regelung sind städtische RWE-Anteilseigner in der Pflicht, die fulminante Wertminderung der Aktien durch eine Anpassung des Buchwertes in ihrer Bilanz abzubilden. Seit Januar 2007 stehen die Mülheimer Aktien mit 712 Mio. Euro in den Büchern, gemäß Börsenwert zum Jahresende 2013 waren sie aber nur noch rund 250 Mio. Euro wert. Heißt: Kämmerer Bonan müsste eine außerplanmäßige Abschreibung von einer halben Milliarde Euro vornehmen. So viel Eigenkapital hat die Stadt nicht mehr, sie würde mit einem Schlag ein Fall für einen Sparkommissar der Kommunalaufsicht, in ihrer Handlungsfähigkeit müsste sie gravierende Einschränkungen in Kauf nehmen.

Mülheim soll sich vom Aktienbesitz trennen

Die Aufregung ist groß. Die MBI fordern, die Stadt solle sich „in größerem Maße vom Aktienbesitz trennen“, um die drohende Überschuldung abzuwenden. Unter Sympathiebekundung der Grünen fordert MBI-Fraktionssprecher Lothar Reinhard auch den Tausch von RWE- gegen RWW-Aktien. Eine Investition in die Wasserversorgung sei „zukunftssicher“.

Das sieht der Chef der städtischen Beteiligungsholding, Hendrik Dönnebrink, anders. Auch das Trinkwassergeschäft sei unter Druck, seit der Verbrauch sinke. Einen Verkauf der Aktien, mit deren Erlös die Beteiligungsholding etwa die MVG quersubventioniert, lehnt er ebenfalls ab. Einen einmaligen Verkaufserlös zu erzielen, mache nur Sinn, wenn die Stadt nachhaltig Schulden tilgen könne. Bei Mülheims strukturellem Defizit sei dies aber nicht der Fall. So verpuffe die Wirkung ebenso schnell wie seinerzeit beim Verkauf der städtischen RWW-Anteile. Dönnebrink bleibt „Anhänger der Aktie“. Sie habe zwei Weltkriege überlebt, Währungsreformen, die Einführung des Euro. . . „Es wäre fatal, die Aktien abzugeben, weil sie ja immer noch Dividende abwerfen.“

Kämmerer Bonan hat derweil das drängendere Problem. Mit anderen betroffenen Ruhrgebietskommunen versucht er das Land dazu zu bewegen, dass er die Wertminderung der Aktie noch nicht vollumfänglich im Jahresabschluss abbilden muss. Das NRW-Innenministerium bestätigte gestern laufende Gespräche, wollte aber seine Verhandlungsposition nicht preisgeben. Der Countdown läuft.

Beteiligungsdholding hat Probleme mit der Liquidität 

Der Einbruch der Aktien-Dividende stellt die Stadt, insbesondere deren Beteiligungsholding (BHM), vor erhebliche Probleme. Es fehlen Einnahmen, um die hohen Verluste an anderer Stelle, insbesondere bei der Mülheimer Verkehrsgesellschaft, zu decken.

Flughafen, Mülheimer Seniorendienste, MST, Theater, Wirtschaftsförderung und vor allem die MVG – all diese Verlustbringer sind unter dem Dach der Beteiligungsholding untergebracht. Nach 2008, als RWE die Rekorddividende von 4,50 Euro/Stück gezahlt hat, krankt der BHM-Finanzverbund. Die Dividenden-Erlöse reichen zunehmend nicht aus, die Verluste zu decken. Für 2014 wird damit gerechnet, dass die Stadt aus ihrem Haushalt schon 20 Mio. Euro zuschießen muss, 2008 war es nur 1 Mio. Euro. Das vorhergesagte Ergebnis bei der MVG entwickelt sich gegenläufig.