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Künstler in seinem Elfenbeinturm

Künstler in seinem Elfenbeinturm

Jochen Leyendecker am Bismarckturm_ Freitag.jpg
Foto: Michael Dahlke

Das einzige, was Jochen Leyendecker mit dem „Eisernen Kanzler“ Otto von Bismarck verbindet, ist wohl ein Bart, wenngleich der Haarwuchs im Gesicht des Künstlers stärker ausgeprägt ist. Und natürlich das Wahrzeichen: Der Bildhauer ist seit 1998 Hausherr im Bismarckturm und hat ihn als Kulturort wiederbelebt.

Wie kam es dazu, im Turm ein Atelier einzurichten?

Ich hatte in der Zeitung gelesen, dass man wieder mal etwas mit dem Bismarckturm machen müsse. Zu dieser Zeit suchte ich gerade ein größeres Atelier. Dann habe ich der Stadt meine Idee vorgeschlagen, ich würde dort gern mein Atelier einrichten, ein paar Aktionen übers Jahr machen, und den Turm für Interessierte aufhalten. Daraufhin ist ein Vertrag entstanden, so dass ich den Turm pachten konnte.

Mussten Sie baulich viel machen?

Am Anfang war nichts da, kein Strom, kein Wasser, kein Abwasser usw. Die Arbeiten liefen über ABM-Maßnahmen und mit einer Spende der Sparkasse konnte vieles finanziert werden. Ich habe die ganze Elektro-Installation gemacht, hinterher ist sie noch einmal von einer Firma erneuert worden, was gesponsert wurde.

Wie lässt es sich in diesem besonderen Rundbau arbeiten?

Sehr gut. Er ist immer noch mein Elfenbeinturm, wo ich mich zurückziehen und arbeiten kann. Es ist natürlich auch der Turm, der mir ein bisschen Öffentlichkeit bringt. Mittags, wenn ich die Tür aufhabe, kommen immer Leute vorbei.

Was sind das für Besucher?

Oft sind es Spaziergänger, die einfach die Aussicht mal genießen möchten, und manche kommen auch gezielt wegen der Kunst.

Wo kommen die Menschen her?

Aus Mülheim und Umgebung. Aber es kommen auch etliche Gruppen von außerhalb wie der Sauerländische Gebirgsverein, Fahrrad-Gruppen und andere. Nebenan ist direkt eine Ruhr-Perle und der Weg führt hier vorbei.

Eindrucksvolle Begegnungen?

Eindrucksvoll ist natürlich immer, wenn Menschen kommen, die in Kriegszeiten auf dem Turm waren und davon erzählen. Als sie 16 oder 17 Jahre alt waren und dann hier 24 Stunden Mülheim beobachten mussten, wo Bombeneinschläge waren. Dann natürlich die Bunker-Geschichten – hier ist ja alles unterbunkert. Oder die Jugendlichen, die in den 70er Jahren außen am Blitzableiter hoch geklettert sind und den Turm erklommen haben. Für diese Geschichten bin ich immer ganz Ohr.