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Gelsenwasser sorgt sich wegen Fracking um Wasserqualität

Gelsenwasser sorgt sich wegen Fracking um Wasserqualität

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Foto: Getty Images/iStockphoto
Gibt es keine „vernünftigen Gesetze“, müssen sich die Deutschen um ihr Trinkwasser sorgen, warnt der Vorstandschef von Gelsenwasser, Henning Deters.

Berlin/Gelsenkirchen. 

Herr Deters, selbst Deutschlands Bierbrauer begehren gegen das Fracking auf, die Gasförderung mit Druck und Chemie. Wie gefährdet ist das Trinkwasser?

Henning Deters: Für 80 Prozent des Wassereinzugsgebietes von Gelsenwasser sind schon Lizenzen für die Gasaufsuchung vergeben worden. Es müsste dort 9.000 Mal gebohrt werden, wenn dieser Bodenschatz auch gewonnen werden soll. Sie können dabei nicht ausschließen, dass schon kleinste Mengen der giftigen Frackingflüssigkeit ins Grundwasser gelangen. Das Lebensmittel Nummer 1 können Sie aber nicht umtauschen, auch nicht reparieren.

Es steht aber noch gar nicht fest, dass all diese Bohrungen genehmigt werden. Die Bundesregierung erklärt, dass sie mit einem neuen Fracking-Gesetz ein striktes Reglement treffen wird.

Deters: Das sagt sie, hat es aber nicht so in die Gesetzentwürfe geschrieben.

Woran mangelt es?

Deters: Wir gewinnen das Gros unseres Trinkwassers aus Oberflächenwasser, vor allem aus dem Einzugsgebiet der Ruhr und der Stever. Da müssen Bohrungen tabu sein. Bisher sind aber nur Wasserschutzgebiete ausgeschlossen. Das reicht nicht.

Energiekonzerne wie Exxon versprechen niedrige Energiepreise und Unabhängigkeit von russischem Gas – ist ein Kompromiss denkbar?

Deters: Die Argumente überzeugen nicht. Wir haben eine Überversorgung mit Erdgas in Europa. Zudem lassen sich aus den Erdgasreserven mit heutiger Technologie nur um die zehn Prozent gewinnen. Sie betreiben also einen irren Aufwand, um 90 Prozent nicht gewinnen zu können.

Der scheint aber lukrativ zu sein, sonst hätte Exxon-Mobil nicht so ein großes Interesse. Warum hat sich bei Ihnen – Gelsenwasser macht selbst Geschäfte mit Gas – der Wasserschützer durchgesetzt?

Deters: Wir brauchen Vorfahrt für das Trinkwasser. In diesem Konflikt kann man nicht beide Interessen bedienen.

Also kein Kompromiss?

Deters: Im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft sitzen beide Seiten. Wir haben gemeinsam ein Einigungspapier entwickelt. Damit zeigen wir auf, wie ein Gesetz aussehen kann. Das hat Exxon-Mobil vor wenigen Tagen auch für die Gaswirtschaft mit unterzeichnet.

Wo soll Fracking in Nordrhein-Westfalen demnach erlaubt werden?

Deters: Hier würde es kaum noch Bohrungen geben. Nur: Die Gaswirtschaft hat gleichzeitig über den WEG, den Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V., eine Stellungnahme vorgelegt, die genau in die andere Richtung geht. Eigentlich wollen sie also doch was Anderes.

Exxon Mobil zeigt sich über die massiven Proteste in NRW überrascht – können Sie diese erklären?

Deters: Die Produzenten dachten, sie können los bohren, ohne mit Kommunen, Bürgern und Wasserwirtschaft zu reden. In NRW stehen mehr Felder in Rede als in jedem anderen Bundesland. Dabei ist der Untergrund schon durch den Bergbau erheblich in Anspruch genommen.

Was muss NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft jetzt durchsetzen?

Deters: NRW ist klar positioniert, die Regierung will Fracking nicht zulassen. Das muss sie jetzt mit präzisen Formulierungen in das Gesetzgebungsverfahren einbringen.

Schon heute ist das Trinkwasser stark belastet. Da geraten Wirkstoffe der Antibabypille, Psychopharmaka und Desinfektionsmittel ins Grundwasser. Dazu kommt Nitrat, weil Deutschlands Bauern zu viel düngen. Die Bundesregierung will ihnen nun Vorgaben machen – wie gut werden diese helfen?

Deters: Selbst, wenn wir den Eintrag von Nitrat jetzt sofort stoppen würden, bliebe das Problem noch über Jahre. Nitrat verweilt lange im Boden. Die Lage ist kritisch. Der von der schwarz-roten Koalition vorgelegte Entwurf zur Düngeverordnung ist da bei weitem nicht ausreichend.

Was muss sich ändern?

Deters: Das Stickstoffmanagement der Höfe muss besser kontrolliert, die Düngung auf einen Überschuss von 40 Kilogramm Stickstoff pro Hektar begrenzt und zu Gewässerufern ein Abstand von zehn Metern eingehalten werden. Wie im Straßenverkehr sollten Überschreitungen zudem bestraft werden.

Sind die Wasserwerker gegen die Bauernlobby zu schwach?

Deters: Es gibt ein Landwirtschaftsministerium, ganz viele Landwirte. Aber es gibt kein Wasserwirtschaftsministerium, wenig Wasserwerker…

..aber es gibt ein Umweltministerium. Kommen Sie an die Grenze des technisch Machbaren, wenn die Düngeverordnung nicht strikter die Nitratbelastung höher wird?

Deters: Technisch gesprochen ist die Situation lösbar, aber alles hat seinen Preis.

Die Umweltverbände gehen von bis zu 25 Milliarden Euro im Jahr zusätzlich aus – richtig?

Deters: Die Zahl will ich nicht in Frage stellen, aber sie hilft nicht. Dann sagt der nächste: Wir machen 30 Milliarden mehr Ertrag in der Landwirtschaft.

Wird es eines Tages Trinkwasser-Engpässe geben, wenn alles so weiter läuft wie bisher?

Deters: Im Grunde sind wir in Westeuropa in einer guten Position. Wenn wir mit den Wasserressourcen gut umgehen, dann müssen wir uns keine Sorge machen. Dazu brauchen wir aber vernünftige Gesetze.

Müssen sich Verbraucher dieses Jahr auf höhere Preise fürs Trinkwasser einstellen?

Deters: Wir haben lange stabile Wasserpreise gehabt. Das wird in diesem Jahr wahrscheinlich auch so sein. Aber verbindlich werden wir erst zur Bilanzpressekonferenz im März wissen, ob dies auch eintrifft..

Welchen Umsatz hat Gelsenwasser 2014 gemacht?

Deters: Wir haben deutlich über 200 Millionen Kubikmeter Wasser abgesetzt. Der Umsatz wird sich nach jetziger Berechnung knapp unter einer Milliarde Euro bewegen.

Das ist weniger als letztes Jahr?

Deters: Im Jahresgeschäft haben wir weniger Regelenergie bereitgestellt. Der andere Effekt kommt durch das extrem warme Wetter 2014. Das hängt nicht mit dem Wassergeschäft zusammen.