Veröffentlicht inEssen

Zweifel an der Job-Maschine Messe Essen

Zweifel am Job-Motor Messe Essen

Messe Essen_1--656x240.jpg
Foto: WAZ FotoPool
3500 Arbeitsplätze sollen allein in Essen vom Messegeschäft abhängen, besagt ein Gutachten von 2008. Befürworter des Teilneubaus zitieren gerne daraus. Ein Ökonom hat die Studie unter die Lupe genommen – und nennt das Papier „weder nachvollziehbar noch plausibel“.

Essen. 

Ihre Botschaft haben sie auf einen plakativen Dreiklang gebracht: „Messe, Jobs, Stadt“. So steht es an ungezählten Laternenmasten zwischen Karnap und Kettwig zu lesen. Die Befürworter der geplanten „Messe-Ertüchtigung“ lassen nichts unversucht, um die städtische Ausstellungsgesellschaft an der Norbertstraße als unverzichtbare Job-Maschine darzustellen. Nun aber streuen die Grünen Sand ins Getriebe – in Form einer Untersuchung durch den Wirtschaftswissenschaftler Professor Friedrich Theißen. Der Ökonom von der TU Chemnitz hat sich jene Studien angesehen, die das renommierte Ifo-Institut in den Jahren 2007 und 2009 im Auftrag der Messe Essen vorgelegt hat, und die den Befürwortern der Messe-Ertüchtigung als schwerwiegendstes Argument für den bevorstehenden Bürgerentscheid am 19. Januar dienen. Theißen kommt in seiner Betrachtung zu dem wenig schmeichelhaften, ja vernichtenden Ergebnis: Die vom Ifo-Institut ermittelten Zahlen, wonach von der Messe Essen insgesamt 7489 Arbeitsplätze abhängig sein sollen, davon 3552 allein in Essen, sei „weder nachvollziehbar noch plausibel“.

Es sind in erster Linie methodische Ungenauigkeiten, die Wirtschaftswissenschaftler Theißen dem Ifo-Institut vorwirft. Die Gutachten seien schlichtweg unvollständig. So ließen die Autoren laut Theißen bei ihrer Betrachtung der wirtschaftlichen Effekte des Messegeschäfts unter den Tisch fallen, dass die Messe regelmäßig hohe Verluste einfährt, die letztlich von den Bürgern dieser Stadt getragen werden müssen – ausweislich des aktuellen Beteiligungsberichtes der Stadt sind es für 2012 rund 3,8 Millionen Euro.

Die vom Ifo-Institut genannten Beschäftigungszahlen seien irreführend, weil es mit der gewählten Methode gar nicht möglich sei zu erkennen, ob durch das Messegeschäft tatsächlich zusätzliche Jobs entstehen oder ob Beschäftigung lediglich verlagert oder gar verdrängt werde. Das Ifo-Institut habe allein positive Effekte herausgegriffen, die negativen aber außer Acht gelassen, kritisiert Theißen. Den Autoren seien die methodischen Unschärfen übrigens sehr wohl bewusst gewesen, wie sie selbst darlegen – in einer Fußnote.

Ökonom Theißen kommt zu folgendem Schluss: Die vorliegenden Gutachten seien „nicht hilfreich, um zu Entscheidungen zu gelangen“. So etwas ist Wasser auf die Mühlen von Grünen und Linken. Die angeblichen Beschäftigungseffekte durch die Messe seien als „eine bloße Chimäre“ entlarvt.

Damit konfrontiert, reagierte die Messe Essen gestern kurz angebunden: Das Ifo-Institut sei eines der führenden Wirtschaftsinstitute in Europa. Und entsprechende Studien seien für diverse Messestandorte erstellt worden.

In der Auseinandersetzung zwischen den Grünen und dem Schulverwaltungsamt über die Nutzung von Räumen in der Frida-Levy-Gesamtschule für eine Info-Veranstaltung zum Messe-Bürgerentscheid hat Oberbürgermeister Reinhard Paß jetzt ein Machtwort gesprochen. Die Grünen dürfen für ihre am 16. Januar geplante Veranstaltung auf Anordnung des OB das Schulgebäude nutzen.

In einem Schreiben an die grüne Ratsfraktion bezieht der OB sich auf den nach wie vor bestehenden Ratsbeschluss zur Nutzung städtischer Räume vor Wahlen. Zwar seien politische Veranstaltungen in den drei Monaten vor einem Bürgerentscheid laut der in den Rat eingebrachten „Neufassung der Nutzungs- und Gebührenordnung für die Überlassung städtischer Räume an Dritte“ nicht zulässig. Diese Neufassung sei vom Rat bislang aber noch nicht beraten worden. Geschweige denn wurde sie beschlossen. „Vor diesem Hintergrund habe ich entschieden, dass Ihnen in diesem Einzelfall die Aula der Frida-Levy-Gesamtschule überlassen wird“, schreibt Paß.

Ein Einzelfall also. Wie entschieden würde, sollten die Grünen weitere Veranstaltungen zum Bürgerentscheid am 19. Januar in Schulen durchführen wollen, lässt der OB allerdings offen. Stoff für neue Konflikte.