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„Wir rechnen nicht mit einer Klagewelle“

Essen rechnet nicht mit einer Klagewelle

Zum neuen Kita-Jahr will Essen 750 zusätzliche Betreuungsplätze schaffen, vor allem für Kinder unter drei Jahren – denn die haben ab dem 1. August 2013 einen Rechtsanspruch.

Essen. 

Während man andernorts dem Start des Kindergartenjahres bang entgegen sieht, ist Essens Sozialdezernent Peter Renzel guten Mutes: „Der Ausbau der Betreuung schreitet voran, ich rechne nicht mit einer Klagewelle.“ Vom 1. August an haben auch Kinder unter drei Jahren Anspruch auf einen Betreuungsplatz – eine gesetzliche Vorgabe, die viele Kommunen vor große Herausforderungen stellt.

Auch Renzel spricht von einer Mammutaufgabe für Essen, 750 neue Betreuungsplätze sollen im nächsten Kita-Jahr geschaffen werden. Damit läge die Versorgungsquote für Kinder unter drei Jahren beim gesetzlichen Richtwert von 35 Prozent, die für Kinder zwischen drei Jahren und der Einschulung bei 96 Prozent. Doch der Dezernent weiß um die eingeschränkte Aussagekraft von Richtwerten (siehe Text unten) und um die Risiken, die der forcierte Ausbau mit sich bringt: So hatte die Stadt im laufenden Kindergartenjahr bereits 793 neue Kita-Plätze schaffen wollen, realisiert wurden am Ende 589. „Die fehlenden 204 Plätze tun uns schon weh.“

204 Plätze – das heißt jeder vierte geplante Platz wurde nicht eingerichtet. Die betroffenen Eltern hat man teils an Tagesmütter verwiesen, andere ließen sie sich wohl vertrösten. Und so gehört zur Wahrheit, dass es sich bei einem Teil der 750 Plätze, die dem Land Mitte März gemeldet werden, um die nicht-realisierten Alt-Fälle handelt. „Das haben wir eingepreist“, räumt Jugendamtsleiterin Christina Bäuerle ein.

Dass der Schwund überhaupt so groß ausfiel, liegt auch daran, dass die Stadt die wenigsten Kitas selbst baut. Meist ist sie auf die Hilfe freier Träger angewiesen, die wiederum mit Investoren einig werden, Gebäude und Grundstücke erwerben müssen. Da gibt es Reibungsverluste. „Oft kommt es nur zu Verzögerungen, aber es ist auch schon passiert, dass ein Projekt als 95 Prozent sicher galt und dann rief der Träger an: Der Investor ist abgesprungen“, erzählt Bäuerle. Darum könne sie auch keine Garantie für die nun geplanten Plätze aussprechen.

Trotzdem glaubt Bäuerle, dass die Stadt gut aufgestellt sei. „Wir haben derzeit stadtweit 250 freie Plätze für Kinder über drei. Und wir haben Stadtteile wie Werden oder Rüttenscheid, wo die Lage angespannt ist.“ Ein planerisches Problem seien die hereinwachsenden Jahrgänge: „Im Laufe eines Kita-Jahres erlangen 4500 Kinder nach und nach ihren Rechtsanspruch, weil sie Geburtstag haben.“ Renzel und Bäuerle fordern hier einen festen Stichtag wie bei der Einschulung.

Um auch Eltern mehr Planungssicherheit zu geben und gleichzeitig mögliche Rechtsstreitigkeiten zu verhindern, soll die Beratung im Familienpunkt personell aufgestockt werden. Denn der Dezernent rechnet durchaus damit, dass einige Eltern ihren Rechtsanspruch förmlich anmelden werden. In der Vergangenheit habe man solche Konflikte aber meist gütlich geklärt, nur zweimal in zwei Jahrzehnten hätten Eltern geklagt – und seien unterlegen.