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Warenhauskette Karstadt hat 1850 Stellen gestrichen

Warenhauskette Karstadt hat 1850 Stellen gestrichen

Der Essener Warenhauskonzern Karstadt sieht sich mit seinen Plänen zum Abbau von bundesweit rund 2000 Stellen fast am Ziel. Im Sommer hatte Karstadt die Pläne verkündet. Schon jetzt seien 1850 Arbeitsplätze abgebaut, sagt Konzernchef Andrew Jennings. Im Interview spricht er auch über seine Strategie „Karstadt 2015“.

Essen. 

Seit zwei Jahren steht der britische Manager Andrew Jennings an der Spitze der traditionsreichen Warenhauskette Karstadt, die dem deutsch-amerikanischen Investor Nicolas Berggruen gehört. Berggruen hatte Karstadt im Jahr 2010 aus der Insolvenz heraus gerettet.

Im Interview zieht Jennings, der für Berggruen in der Essener Karstadt-Zentrale die Geschäfte führt, eine Zwischenbilanz. Er spricht über den angekündigten Stellenabbau, das Online-Geschäft und seine Strategie „Karstadt 2015“.

Herr Jennings, im Sommer vergangenen Jahres haben Sie angekündigt, dass Karstadt 2000 Stellen streichen will. Dafür haben Sie heftige Kritik der Gewerkschaften einstecken müssen. Meinen Sie wirklich, ein Warenhaus kann mit weniger Menschen mehr Service anbieten?

Andrew Jennings: Karstadt hat den geplanten Stellenabbau vorzeitig und erfolgreich nahezu abgeschlossen. Wie angekündigt haben wir dies nahezu vollständig sozialverträglich und aus eigener Kraft geschafft. Wir sind effizienter geworden, haben uns von viel Administration getrennt und uns besser organisiert – das ergibt im Ergebnis deutlich mehr Zeit für den Kunden und nicht weniger. Wir haben heute eine bessere Altersstruktur und weniger Hierarchie.

Konkreter bitte.

Jennings: Wir haben Karstadt auf die richtige Größe gebracht und von den bis 2014 zu streichenden 2000 Stellen schon rund 1850 über Frühpensionierung, freiwilligen Austritt, natürliche Fluktuation und Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse eingespart. Wir haben zum Beispiel die Situation, dass in der Vergangenheit zwei Warenhäuser zusammengelegt wurden und wir dort nun die doppelte Anzahl von Mitarbeitern in nur noch einem Haus haben. In noch fünf von den insgesamt 86 Warenhäusern sehen wir Handlungsbedarf und beabsichtigen die Einrichtung von Transfergesellschaften. Das betrifft weniger als 150 Mitarbeiter.

Um welche Standorte geht es?

Jennings: Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns dort noch in einem Dialog mit den Betriebsräten und Mitarbeitern befinden und dann selbstverständlich zunächst die Mitarbeiter informieren.

Können Sie betriebsbedingte Kündigungen ausschließen?

Jennings: Unser Programm, Karstadt sozialverträglich auf die richtige Größe zu bringen, ist sehr erfolgreich. Aber wie gesagt streben wir für die verbleibenden fünf Filialen Transfergesellschaften an.

Zwischenzeitlich konnte Karstadt pro Jahr Lohnkosten in Höhe von knapp 50 Millionen Euro über den sogenannten Fortführungstarifvertrag einsparen. Kurz nachdem dieser Vertrag im vergangenen Jahr ausgelaufen war, wurde der Arbeitsplatzabbau verkündet. Wie hoch sind eigentlich die Kosteneinsparungen durch die Stellenstreichungen?

Jennings: Kosteneinsparungen waren nicht das Ziel, sondern mehr Effizienz. Aber wir verzeichnen bereits sehr positive Effekte. Wir werden schließlich eine Summe einsparen, die pro Jahr fast doppelt so hoch ist wie die Kostenreduzierungen durch den Fortführungstarifvertrag.

Zu Karstadt gehören derzeit 86 Warenhäuser, 28 Sport-Filialen und drei Luxuswarenhäuser in Berlin, Hamburg und München. Bleibt das so? Haben Sie Schließungspläne?

Jennings: Wir haben keine Pläne für Filialschließungen. Grundsätzlich ist klar: Der Kunde entscheidet, ob eine Filiale langfristig erfolgreich ist oder nicht.

Die Situation für Warenhäuser in Deutschland ist nicht gerade einfacher geworden.

Das Online-Geschäft floriert, gleichzeitig trübt die Euro-Krise die Einkaufsstimmung. Wie wirkt sich das auf das Geschäft von Karstadt aus?

Jennings: Keine Frage: Der Wind bläst uns ins Gesicht, aber er wirft uns nicht um. Beispielsweise leidet der Modemarkt in Deutschland unter einem deutlich negativen Trend und es ist eine signifikante Zunahme des Online-Geschäfts zu verzeichnen – ein Trend übrigens, der auf dem ohnehin hart umkämpften deutschen Markt zu zahlreichen Markteintritten ausländischer Online-Shops großer Einzelhandelsmarken führt.

Wie reagiert Karstadt darauf?

Jennings: Wir sehen die Zukunftsaussichten für Karstadt sehr positiv und rechnen mit Marktanteilsgewinnen. Dazu sind die Weichen gestellt – etwa durch die erst im Herbst eingeführten 50 neuen Marken, denen weitere folgen werden, durch unser über Plan liegendes Online-Geschäft, die Weiterentwicklung unserer Eigenmarken oder die Entwicklung einer äußerst erfolgreichen Produktlinie „Preis-Leistung“ mit im Moment rund 100 Produkten, die sich exzellent verkaufen.

Schreibt Karstadt schwarze Zahlen?

Jennings: Wir sind ein Unternehmen, das sich sehr stark verändert. Das wird sehr leicht vergessen. Und wir haben den langfristigen Erfolg im Blick. Deshalb heißt unsere Strategie auch „Karstadt 2015“. Es ist klar, dass ein umfangreiches Restrukturierungsprogramm auch kurzfristig negative Effekte auf den Umsatz hat. Ich habe in der Vergangenheit bei anderen Unternehmen bewiesen, dass solche schmerzhaften Effekte für den langfristigen Erfolg in Kauf genommen werden müssen. Denken Sie zum Beispiel an den Ausstieg aus dem margenschwachen Multimediageschäft. Oder an die Reduzierung von fatal hohen Altwarenbeständen. Solche Maßnahmen sind für langfristiges Wachstum und Rentabilität unvermeidbar. Wir setzen unsere Strategie konsequent um und lösen erstmals auch solche Probleme. Es war auch genau das kurzfristige Denken, das Karstadt in der Vergangenheit schwer geschadet hat.

Hinkt Karstadt beim Internet-Handel noch hinterher?

Jennings: Nein. Unser Online-Geschäft wächst zweistellig über unseren Planungen. Das Online-Angebot ist entsprechend unserer Strategie modernisiert und differenziert und durch neue Services wie Click & Collect, also die komplette Vernetzung von Online und Filiale. Ich habe in fast 40 Jahren Einzelhandelserfahrung keine solche Revolution erlebt wie das, was wir derzeit im Online-Handel sehen. Glauben Sie mir: Karstadt wird davon profitieren.

Wie viele der 86 Warenhäuser sind so modern, wie sie sein sollten?

Jennings: Wir haben bisher bereits 31 Filialen modernisiert. Ein sehr gutes Beispiel ist unser Haus in Düsseldorf, das wir im Herbst zum Großteil und in diesem Sommer komplett modernisiert haben werden. Es hat eine Modellfunktion innerhalb von Karstadt und zeigt sehr gut, wo die Reise hingeht.

Wie viel Zeit brauchen Sie für die Sanierung von Karstadt?

Jennings: Uns ist klar, dass wir einen weiterhin harten Weg vor uns haben. Wir müssen zum Beispiel noch stärker an unserer Service- und Verkaufsorientierung arbeiten. Unser Plan lautet „Karstadt 2015“, nicht „Karstadt Februar 2013“. Wir denken langfristig und wissen, dass wir mit Nicolas Berggruen einen Eigentümer haben, der großes Vertrauen in Karstadt setzt. Und wir setzen unsere Strategie konsequent um.

Immer wieder gibt es Gerüchte über eine mögliche Fusion von Karstadt und der Metro-Tochter Kaufhof. Ist das ein Thema für Sie?

Jennings: Ich konzentriere mich auf den langfristigen Erfolg von Karstadt und nichts anderes. Und Karstadt wird ein modernes und kundenfokussiertes Unternehmen werden. Das ist mein Thema.