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Wie Städte an Rhein und Ruhr von EU-Förderung profitieren

Wie Städte an Rhein und Ruhr von EU-Förderung profitieren

In Essen ist es die Zeche Zollverein, in Witten die Skaterbahn am Kemnader See, in Bochum die Bühne am Bermudadreieck. Viele Kultur- und Freizeiteinrichtungen in NRW werden mit Mitteln der Europäischen Union gefördert. Ohne die Finanzhilfe könnte es viele von ihnen gar nicht geben. Ein Überblick.

Essen. 

Wer überlegt, wie sich die EU im Alltag bemerkbar macht, kommt schnell auf die krumme Gurke. Ist sie doch zum Sinnbild dafür geworden, was viele Bundesbürger in der EU sehen: einen überbezahlten Verwaltungsapparat, der Dinge regelt, von denen man bis dato gar nicht wusste, dass sie geregelt werden mussten. Wie der Wasserdruck von Duschköpfen, die Höhe von Traktorsitzen oder eben der Krümmungsgrad von Gurken. Kurz gesagt: Die EU hat ein Imageproblem. Dabei sorgt sie gerade im Ruhrgebiet für viel Gutes.

Denn sie pumpt Geld nach NRW, etwa aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) oder dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Zusammen mit Mitteln der Landesregierung profitierte NRW seit dem Jahr 2000 von rund 4,5 Milliarden Euro – für Freizeiteinrichtungen, Bildung, Forschung, Umweltschutz, Wirtschaft. In der neuen Förderperiode stehen ab diesem Jahr bis 2020 rund 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung, die Hälfte davon kommt von der EU. Wir haben einige Förderbeispiele zusammengetragen.

Extraschicht wäre ohne Förderung nicht möglich

Mit EU-Mitteln unterstützt wird zum Beispiel das städteübergreifende Kulturfest Extraschicht, bei dem seit 2001 einmal im Jahr ehemalige Industrieanlagen, Zechen und Halden für Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und Performances genutzt werden. In diesem Jahr wird die Veranstaltung mit 300.000 Euro bezuschusst, im nächsten Jahr soll es noch einmal 200.000 Euro geben. Für die veranstaltende Ruhr Tourismus GmbH sind die Gelder essentiell. „Ohne Förderung ist eine Extraschicht nicht möglich“, sagte eine Sprecherin.

Gleiches gelte für den Aufbau des Radfernwegs Römer-Lippe-Route von Detmold nach Xanten. 20 Prozent des Gesamtbudgets von einer Million Euro steuern die Kooperationspartner wie Anrainerstädte und Kreise bei, die restlichen Kosten tragen die EU und das Landeswirtschaftsministerium. Aktuell arbeite man daran, das Projekt auch nach Ablauf der Förderphase im August 2014 weiter finanzieren zu können. Dass dies gelingen kann, zeige das Beispiel Ruhrtal-Radweg, den EU und NRW von 2005 bis 2013 mit Geldern unterstützten.

Viele Radwege entstehen mit Hilfe von EU-Mitteln

Ruhrtal-Radweg und Römer-Lippe-Route sind nicht die einzigen Radfernwege, die die EU fördert. Seit dem Jahr 2000 beteiligt sie sich zu 50 Prozent auch an einem NRW-Programm, das den Emscher-Lippe-Raum ökologisch aufwerten soll. Der Regionalverband Ruhr (RVR) realisiert mit Hilfe dieser Mittel zum Beispiel den Emscher Park Radweg von Duisburg bis Unna, den Radweg Rheinische Bahn von Essen bis Mülheim Hauptbahnhof, die Erzbahntrasse von Bochum bis zum Hafen Grimberg in Gelsenkirchen und den Radweg von der Halde Hoheward nach Westerholt. Die Eröffnung der Route nach Westerholt ist für Ende 2014 geplant, der Radweg Rheinische Bahn bis Ende 2015.

„Aus Eigenmitteln des Regionalverbandes Ruhr und der Städte und Kreise im Ruhrgebiet allein und ohne die finanzielle Förderung von EU und Land NRW hätten diese Projekte nicht umgesetzt werden können“, sagt RVR-Sprecherin Barbara Klask. Fraglich ist zurzeit noch, wie der Abschnitt der Rheinischen Bahn hinter dem Mülheimer Hauptbahnhof bis zum Hochschulgelände finanziert wird. Weil dafür keine Mittel aus dem Ökologieprogramm zur Verfügung stehen, gerät der Radweg auf Mülheimer Gebiet ins Stocken.

Infotafeln für Fußballfans, Gesundes für Grundschüler

Schon seit 2005 eröffnet ist die Deutsche Fußball Route NRW. Der 825 Kilometer lange Radwanderweg führt von Aachen nach Bielefeld und verbindet 15 Städte, deren Fußballvereine nationale oder internationale Bekanntheit erlangt haben, darunter Düsseldorf, Duisburg, Oberhausen, Essen, Gelsenkirchen, Bochum und Dortmund. Informationstafeln in den Städten erzählen Geschichten der jeweiligen Vereine. EU und NRW förderten das Projekt mit rund 1,8 Millionen Euro.

2,6 Millionen Euro gibt es in diesem Jahr für die Ruhrtriennale. Bei dem Kunstfestival werden seit 2002 Industriedenkmäler zu Aufführungsorten für Musik, Theater, Tanz, Film, Kunst und Performance. Bespielt werden dabei unter anderem die Jahrhunderthalle in Bochum, der Landschaftspark Duisburg-Nord, die Halde Haniel in Bottrop oder das Museum Folkwang in Essen.

Die EU fördert aber nicht nur Kunst, Kultur und Freizeiteinrichtungen in NRW. Seit dem Schuljahr 2009/2010 können sich Grundschulen und Förderschulen mit Primarstufe kostenlos mit Obst und Gemüse beliefern lassen – 50 Prozent der Kosten dieses Schulobstprogramms übernimmt die EU. Aktuell nehmen knapp 800 Schulen an dem Programm teil; rund 140.000 Kinder werden laut Landwirtschaftsministerium erreicht.

Niederfeldsee entsteht in Essen mit EU-Geldern 

In Essen wird das Weltkulturerbe Zeche Zollverein von der EU mitfinanziert. Im Rahmen des sogenannten Ziel-2-Programms stellte sie zwischen 2000 und 2006 zusammen mit dem Land NRW und der Stadt Essen 30,6 Millionen Euro bereit, um die Zeche für Touristen attraktiver zu machen. Ein Baustein war damals die Einrichtung des Ruhrmuseums. Zollverein ist aber auch ein Beispiel dafür, dass nicht jedes geförderte Projekt von Erfolg gekrönt sein muss. Die Zollverein School of Management and Design etwa musste wegen zu geringer Studierendenzahlen und hoher Betriebskosten im Jahr 2008 wieder schließen.

Über das Programm „Lokales Kapital für soziale Zwecke“ wurden von 2003 bis 2008 die Essener Stadtteile Altendorf und Katernberg gefördert. Im Mittelpunkt standen damals Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung, der Aufbau von Netzwerken für Benachteiligte am Arbeitsmarkt und die Förderung von Existenzgründungen. Ein erfolgreiches Projekt in Altendorf war zum Beispiel die Gründung der Schülerfirma „Ruhr-Biber“ in der Hauptschule Bärendelle, die Jugendliche im Bootsbau ausbildete. In Katernberg konnten Schüler durch das Projekt „NetStylerZ“ der Evangelischen Kirchengemeinde in ihrer Freizeit digitale Fotobearbeitung und Web-Grafikdesign lernen. Außerdem starteten mit Hilfe des Gründerzentrums Triple Z ein gutes Dutzend Frauen in die Selbstständigkeit.

Geförderte VHS-Kurse verhelfen Erwachsenen zum Schulabschluss

Ebenfalls in Altendorf und EU-gefördert ist der neu angelegte Niederfeldsee, den die Essener gerade für sich entdecken. Auf 2,2 Hektar entstehen dort Promenaden, Aussichtsbalkone, Sitzgelegenheiten, Liege- und Spielwiesen.

Weitere bezuschusste Projekte in Essen sind zum Beispiel die VHS-Schulabschlusskurse, mit denen jedes Semester bis zu 300 Erwachsene ihren Schulabschluss nachholen oder verbessern, und die Förderung der Kreativwirtschaft durch das Programm Creative Spin.

Förderung für digitales Kino in Gelsenkirchen, Dorsten und Bochum 

In Gelsenkirchen nutzte man EU-Geld, um die Zeche Nordstern zu erweitern. Ab 2009 wurde der denkmalgeschützte Turm Schacht II um vier gläserne Etagen aufgestockt und so zu einem Hochpunkt im Revier ausgebaut. Seit August 2012 können die Parkbesucher dort in rund 83 Metern Höhe eine Terrasse nutzen.

Außerdem werden die Gebiete Hassel/Westerholt/Bertlich, Bismarck/Schalke-Nord, Schalke und Südost unterstützt. Geplant sind unter anderem ein Stadtteilpark auf dem Areal der ehemaligen Kokerei Hassel, die Sanierung und Umgestaltung der Zeche Consolidation zum Consol-Park oder die Verschönerung von Fußgängerzonen und Straßen.

Im Bermudadreieck spielt die Musik jetzt auf einer leuchtenden Bühne

EU-Mittel gab es zudem für den Schauburg Filmpalast. Das Kino konnte damit auf digitale Technik umrüsten. Weitere Förderungen gehen an das Central Kinocenter in Dorsten und das Bochumer Endstation Kino.

Licht-Installation am Konrad-Adenauer-PlatzEbenfalls in Bochum sponserte die EU die Impulsbühne am Bermudadreieck. 112.000 Euro schossen Land und EU für die Bühne zu, die größer ist als ihre Vorgängerin und im Dunkeln ihre Farbe wechseln kann. Und auch die Stadtteile bekommen Geld. So hat Ende April 2014 die letzte große Baumaßnahme des Stadtumbauprojekts „Innere Hustadt“ begonnen. Dabei werden Wege neu gestaltet, Bäume gepflanzt sowie Bänke und Beleuchtung installiert.

Gladbeck, Bottrop und Herne werten ihre Stadtteile auf 

In Gladbeck profitieren die Stadtteile Brauck und Mitte von Förderungen. Auf dem Betriebsgelände der Zeche Graf Moltke 3/4 entstand so beispielsweise ein Gewerbepark. In der Stadtmitte sollen bis 2015 unter anderem die Fußgängerzone neugestaltet sowie Wohnquartiere und Schulhöfe aufgewertet werden. Mitmachprojekte wie das Elternfrühstück für Eltern von Vor- und Grundschulkindern oder die Stadtteilzeitung sollen das Miteinander fördern und den Stadtteil attraktiver machen.

Auch die ökologische Verbesserung der Gladbecker Gewässer Wittringer Mühlenbach, Hahnenbach, Nattbach und Haarbach wird gefördert. Die Zuschüsse belaufen sich auf rund 4,3 Millionen Euro.

Bottrop erhält Geld für die Stadtteile Lehmkuhle, Ebel und Welheimer Mark; Herne für Bickern/Unser Fritz sowie Wanne-Mitte. Bis 2015 wird zudem der Rhein-Herne-Kanal unter dem Titel „Erlebnispassage“ zu einer touristischen Route entwickelt.

Skaterbahn in Witten, Landschaftspark in Recklinghausen 

Rund um den Kemnader See entsteht mit EU-Mitteln eine Fahrbahn für Inlineskater. Die elf Kilometer lange Strecke auf Wittener und Bochumer Gebiet ist bereits fertig asphaltiert. Bis zum Sommer sollen noch Beleuchtung und Sitzbänke hinzukommen. Im vergangenen Sommer drehten dort bereits Skater und Radfahrer ihre Runden.

In Herten und Recklinghausen betreut der RVR das Projekt Landschaftspark Hoheward mit den Halden Hoheward und Hoppenbruch. Ehemalige Industrieflächen und Bergehalden werden dort bis 2015 zu einer Erholungsparklandschaft umgebaut. Schon heute kann man dort die Umgebung per Fahrrad, Segway oder zu Fuß erkunden; außerdem gibt es Führungen zur Industriekultur und Geocaching.

Mentoring in Castrop-Rauxel, Nahversorger in Heiligenhaus

Nach dem Stadtteil Deininghausen wird in Castrop-Rauxel nun auch der Ortsteil Habinghorst finanziell unterstützt. Bis Ende 2014 sollen dort 4,6 Millionen Euro investiert werden – zum Beispiel für den Straßenumbau. Weitere Projekte sind ein Stadtteilfest und die Veranstaltung Schaufensterwelten. Außerdem förderte die EU in der Stadt ein Mentoring für junge Frauen mit Migrationshintergrund.

Hattingen erhielt Geld für das Stadttor „La Porta aperta“ und die Beleuchtung der Altstadt. Velbert freut sich über die Zusage für ein EU-Projekt, das die Beziehungen zwischen Partnerstädten fördern soll. Velbert erhält dafür in den kommenden zwei Jahren 139.000 Euro, um Konferenzen, internationale Feste und Jugendcamps auszurichten. In Heiligenhaus wurde mit Hilfe von EU-Geldern unter anderem die Ansiedlung eines Nahversorgungszentrums im Stadtteil Oberilp ermöglicht.