Veröffentlicht inEssen

Wer künftig sagt, wo’s lang geht

Wer künftig sagt, wo’s lang geht

Dunkle Wolken Rathaus.jpg
Foto: WAZ Fotopool
Bis 2020 wird etwa die Hälfte des städtischen Führungspersonals aus Altersgründen die Stadtverwaltung verlassen. CDU und Co. wollen diesen personellen Aderlass nicht allein intern lösen. Dabei geht es auch um Macht.

Essen. 

Das Leben als Chef war auch schon mal einfacher: Wer heute ein städtisches Amt leitet, der muss nicht nur Ahnung in der Sache mitbringen, sondern wohl mehr denn je auch ein gerüttelt Maß an Menschenkenntnis. Der muss motivieren können, wo die einst üppig bemessene Belegschaft extrem ausgedünnt wurde. Der hat es mit exorbitanten Krankenständen zu tun, mit einer kritischen Bürgerschaft, die jeden Winkelzug skeptisch beäugt, mit quengeligen Politikern und dem allgegenwärtigen Damoklesschwert des Sparens.

Und wenn’s nicht richtig rund läuft, dann muss sich so eine städtische Führungskraft wie Günter Netzer notfalls selbst ins Spiel einwechseln und am besten wie dieser dann noch das entscheidende Tor schießen.

Mehr als die Hälfte der Führungskräfte bis 2020 weg

Bis zum Jahr 2020 verlassen 27 der rund 50 Führungskräfte die alte Rathaus-Welt, allein bis zum Ende des kommenden Jahres nehmen sieben Frontleute aus Altersgründen den Hut: im Planungs- und Bauordnungsamt wie im Fachbereich Schule, bei Jugend- und Sozialamt genauso wie beim Amt für Stadterneuerung, dem für Geoinformationen oder dem Büro für interkulturelle Arbeit.

Und keine Frage: Wo Führungspositionen frei werden, da geht es mehr oder weniger immer auch um einen Zipfel der Macht. Denn wer sagt, wo’s in den Amtsstuben langgeht, der bestimmt oft auch den Kurs, den diese Stadt nimmt.

„Wir wollen die besten Kräfte haben“

Vielleicht ist das der Grund, warum die Politik in diesen Tagen ein besonderes Auge auf die eher formale Frage wirft, wie man denn die Amtsleiter von morgen auszuwählen habe. Das Viererbündnis aus CDU und Grünen, FDP und Essener Bürger Bündnis verlangt, es nicht bei einer bloßen internen Ausschreibung zu belassen, sondern grundsätzlich auch den Blick nach draußen zu richten. „Wir wollen“, betonen etwa die Christdemokraten, „die besten verfügbaren Kräfte haben“.

Beispiel dafür, dass man da erst bei auswärtigen Bewerbern zufrieden nickte, gab es in der jüngsten Vergangenheit durchaus: Die Chefs im Umweltamt und bei der Immobilienwirtschaft sind genauso wie der Leiter des städtischen Beteiligungsmanagement von außen gekommen. Andere Chefposten, im Rechtsamt etwa, in der Kämmerei oder bei der Feuerwehr wurden von internen Bewerbern übernommen.

Schon im Vorfeld herrscht Unruhe

Was meistenteils geräuschlos vonstatten ging, sorgt diesmal schon im Vorfeld für Unruhe, die Frage, wer „wegen guter Führung“ eine leitende Position einnimmt, zählt nämlich auch zu jenen Zuständigkeiten, die Oberbürgermeister Reinhard Paß für sich reklamiert. Laut Hauptsatzung soll es ein „Einvernehmen“ zwischen Rat und OB geben. Kommt dieses trotz aller Bemühungen nicht zustande, kann der Rat dem OB im Extremfall seinen Lieblingskandidaten aufs Auge drücken.

Allerdings nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Rates, das wären 56 von 83 Stimmen, inklusive OB. Da aber die Sozialdemokraten schon 32 Ratsmitglieder in ihren Reihen wissen, ist gegen die Genossen keine solche Personalentscheidung möglich. Kaum anzunehmen, dass diese dem OB aus eigenen Reihen in den Rücken fielen

Vertrauliches Gespräch zwischen Fraktionschefs und OB

An dieser Letztentscheidung des Stadtoberhauptes, das im Zweifel auf das jüngst vorgelegte Gutachten zu seinen Kompetenzen verweist, würde auch eine verpflichtende externe Ausschreibung nicht rütteln. Gleichwohl weitet sie im Zweifel das Bewerberfeld und bringt hausinterne Anwärter unter den Druck einer spürbar größeren Konkurrenz. Dass dies vor allem beim Schlüsselressort des Planungs- und Bauordnungsamtes gewünscht ist, wo der allseits geschätzte Amtsleiter Thomas Franke in wenigen Wochen seinen Sessel räumt, wird im Viererbündnis erst gar nicht groß bestritten. Oder kurz gesagt: Der vermeintlich ausgeguckte Anwärter, er passt den Vierern nicht.

Aber das muss über die Auswahl noch nichts sagen. Im städtischen Personalausschuss zeigte sich Dezernent Christian Kromberg – selbst CDU-Mann – skeptisch, ob der Rat die Pflicht zur externen Ausschreibung überhaupt vorschreiben kann. Am 29. April ist jetzt erst einmal ein vertrauliches Gespräch zwischen den Fraktionschefs und dem OB anberaumt. Dort will man die Chancen ausloten, ob sich nicht doch Einvernehmen herstellen lässt. Gute Führungskräfte machen das so.