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Warum sich so viele Russlanddeutsche für die AfD einsetzen

Warum sich so viele Russlanddeutsche für die AfD einsetzen

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Foto: dpa
  • Das Wahlprogramm der AfD wird es auch in einer russischen Version geben
  • Der Verein „Russlanddeutsche für die AfD“ macht gezielt Wahlkampf für die Partei
  • AfD geht bei Russlanddeutschen gezielt auf Stimmenfang
  • Politologin erklärt, was Russlanddeutsche an der AfD reizt

Essen. 

Seit dem Wochenende ist es nun also fertig: das Wahlprogramm der AfD. Das Papier wird es in gleich zwei Versionen geben: einer deutschsprachigen – und einer russischen.

Eine Partei, die sich den Patriotismus immer wieder auf die Fahne schreibt, eine Partei, die mindestens Tendenzen in Richtung Nationalismus hat – ausgerechnet eine solche Partei also veröffentlicht ihr Programm nicht nur auf deutsch, sondern auch auf russisch. Sonst in keiner anderen Sprache.

Das bestätigt AfD-Pressesprecher Michael Schwarzer gegenüber DER WESTEN.

Auf dem Plakat: das Logo der AfD

Wer sich einmal eine Wahlkampfveranstaltung der Partei angeschaut hat, entdeckt schnell den Grund: „Russlanddeutsche für AfD“ steht auf vielen der blauen Plakate, die bei solchen Anlässen in die Höhe gehalten werden. Deutlich an der Seite zu erkennen: das Logo der „Alternative für Deutschland“.

Am 8. April etwa lässt sich Guido Reil mit eben solchen Plakatträgern in Altenessen fotografieren. Was soll das? Was haben Russlanddeutsche mit der AfD zu tun?

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Politologin: „Das konservative Weltbild der AfD kommt gut an“

„Viele Russlanddeutsche haben ein konservatives Weltbild, früher haben sie daher vermehrt die CDU gewählt“, erklärt Sabrina Mayer. Sie ist Projektmanagerin der Migrantenwahlstudie 2017 und forscht an der Uni Duisburg-Essen in diesem Bereich.

Und in der Tat: Kurz nach der Wende war CDU-Kanzler Helmut Kohl geradezu ein Held für viele Russlanddeutsche – also Zuwanderer mit deutschen Wurzeln, von denen viele in den 90er Jahren aus Russland nach Deutschland gekommen sind. Kohl hatte damals ihre Einreise aus Russland erleichtert.

„Die CDU ist nicht mehr für uns da“

Heute sagen viele von ihnen laut Migrationsforscherin Sabrina Mayer: „Die CDU ist nicht mehr für uns da.“

Denn viele Russlanddeutsche fühlten sich immer noch mit ihrer alten Heimat verbunden, sagt Mayer. Die Sanktionen, die Deutschland in der Krim-Krise gegen Russland verhängt hat, hätten viele Russlanddeutsche übel genommen. Und die AfD gibt sich neuerdings oft betont russlandfreundlich.

Ein zweiter Grund: Die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel. Viele Russlanddeutsche hätten Angst, als Migrantengruppe nicht mehr wahrgenommen zu werden. Auch sähen einige ihre konservativ-katholischen Werte durch den Zuzug muslimischer Menschen in Gefahr.

Fall Lisa: Falschmeldung über Missbrauch macht immer noch die Runde

Auch würden viele Russlanddeutsche keine deutschen Medien konsumieren: „Sie sehen gern russisches Fernsehen.“ Dort wird die Flüchtlingspolitik oft scharf bis polemisch kritisiert.

Ein Beispiel: Der Fall Lisa. 2016 machte die Meldung die Runde, ein russlanddeutsches Mädchen sei von Flüchtlingen festgehalten und missbraucht worden. Die Aussage des Mädchens stellte sich später als falsch heraus – nur in den meisten russischen Medien wurde das nie erwähnt. Im Gegenteil: Die Falsch-Version wurde sogar noch befeuert. Westlichen Medien warf man vor, die Geschichte vertuschen zu wollen.

In Foren russlanddeutscher AfD-Anhänger kursiert die Falschmeldung immer noch – als Beleg für das Scheitern der Flüchtlingspolitik.

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„AfD will Russlanddeutsche inhaltlich und emotional ansprechen“

In den letzten Jahren hätte es laut Politikwissenschaftlerin Mayer auch Lücken und Versäumnisse anderer Parteien gegeben. Russlanddeutsche würden sich im Land weniger zugehörig fühlen.

„Die AfD will Russlanddeutsche inhaltlich und emotional mit ihrem Programm ansprechen“, sagt Mayer.

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Vereine, Stammtische und russlanddeutscher Kandidat

Und wohl auch personell: Politiker Eugen Schmidt aus NRW zum Beispiel ist selbst Russlanddeutscher. „In anderen Parteien fühlt sich diese Gruppe indes sehr unterrepräsentiert“, glaubt Mayer.

Schmidt ist selbst auch sehr aktiv im Verein „Russlanddeutsche für die AfD NRW“, so die Partei auf Anfrage von DER WESTEN. Der Verein ist eine direkte Untergliederung der Partei.

AfD-NRW Pressesprecher Schwarzer schätzt, dass „vielleicht 1000 Russlanddeutsche“ in diesem Verein organisiert sind. Und in Wuppertal gab es zuletzt den „AfD Stammtisch für Russlanddeutsche.“

In NRW leben viele Russlanddeutsche. Allein in Essen wohnen knapp 5000 von ihnen: Für die AfD offenbar eine gute Möglichkeit, auf Stimmenfang zu gehen.

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