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Warum Essen die Hauptstadt der direkten Demokratie ist

Warum Essen die Hauptstadt der direkten Demokratie ist

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Foto: WAZ FotoPool
In Sachen Bürgerentscheid ist Essen an der Spitze in Nordrhein-Westfalen: Am Sonntag startet mit der Frage zur Modernisierung der Messe der fünfte Entscheid in der Geschichte der Ruhrgebietsmetropole. Rund 455.000 Essener ab 16 Jahren können in 150 Wahllokalen mitstimmen.

Essen. 

Essen ist nicht in jeder Hinsicht Spitze in NRW, aber bei den Bürgerentscheiden liegt die Stadt nun vorn: Wenn am Sonntag zum Für und Wider der Messe-Modernisierung der fünfte Bürgerentscheid in der Stadtgeschichte über die Bühne geht, dann kann Essen mit Fug und Recht behaupten, in diesem Punkt Landeshauptstadt zu sein. In keiner anderen NRW-Stadt gab es nach Angaben der Initiative „Mehr Demokratie“ so viele Bürgerentscheide. Essen zieht damit Mülheim und Paderborn davon, die mit je vier Bürgerentscheiden bisher gleichauf lagen.

Vielleicht liegt es somit auch an einer gewissen Routine, dass das Wahlamt gestern meldete: alles bereit! Alle 176 Stimmbezirke sind ordnungsgemäß mit Wahlhelfern besetzt, 150 Wahllokale gibt es insgesamt, geöffnet sind sie von 8 bis 18 Uhr.


455.000 Essener können beim Bürgerentscheid zur Messe mitmachen

Die Differenz ist damit zu erklären, dass sich einige nah beieinander liegende Stimmbezirke in dicht besiedelten Stadtteilen ein Wahllokal – meistens sind es Schulen – teilen. Rund 455.000 Essener ab 16 Jahren sind wahlberechtigt, wobei eine Beteiligung um die 30 Prozent allerdings schon eine kleine Sensation wäre.

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens „Kein Messe-Umbau um jeden Preis“ hätten den Entscheid gewonnen, wenn sie – erstens – die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten und – zweitens – zugleich mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten von ihrer Position überzeugen.

Wer für die Modernisierung ist muss auf dem Stimmzettel „Nein“ ankreuzen

Kurioserweise muss auf dem Stimmzettel „Nein“ ankreuzen, wer für die Modernisierung der Messe ist – und „Ja“, wer dies nicht will. Das hängt mit der Frage zusammen, die die Initiative zur Abstimmung stellte. Der Wortlaut: „Sind Sie dafür, dass der Beschluss des Rates der Stadt Essen vom 17.7. 2013 über den Neubau der Messe für 123 Mio. Euro aufgehoben wird und die Messe-Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet werden, die Neubauplanung abzulehnen?“ Man soll also zustimmen etwas abzulehnen – das verwirrt recht viele.

Ja oder Nein – mehr Möglichkeiten gibt es laut Gemeindeordnung nicht beim Bürgerentscheid. Das hat den Vorteil, dass das Ergebnis wohl spätestens gegen 19.30 Uhr vorliegt. Bei Kommunal- oder gar Bundestagswahlen ist der Auszählungsprozess wegen der vielen Parteien und Kandidaten viel komplizierter und fehleranfälliger.

Über Bäder, Sportstätten, Privatisierung und Straßennamen konnten die Essener bereits entscheiden

Noch mal ein Blick in die Geschichte: 2001 hatten die Essener über den Erhalt von Bädern und Sportstätten abgestimmt, 2007 gab es zwei Bürgerbegehren für den Erhalt von Sportstätten und gegen die Privatisierung städtischer Unternehmen und Einrichtungen.

Alle drei scheiterten an den damals hohen Quoren, wären aber nach heutigem Recht alle drei erfolgreich gewesen. So nimmt es nicht wunder, dass die Initiatoren von Bürgerentscheid Nummer vier, der nach der Reform abgehalten wurde, diesen gewannen: 2013 erzwangen die Bürger im Stadtbezirk II die Beibehaltung zweier Straßennamen in Rüttenscheid, die nach Generälen benannt sind.