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Warum die Integration von jungen Libanesen in Essen so schwierig ist

Warum die Integration von jungen Libanesen in Essen so schwierig ist

  • In Essen gibt es immer wieder Vorfälle, bei denen Libanesen als Kriminelle auffallen
  • Für sie ist es aber auch nicht leicht, sich zu integrieren. Es gibt zahlreiche Hürden und Fallstricke
  • Das zeigt der Fall von Ramadan Saado

Essen. 

Als Libanese in Essen hast du erstmal einen schlechten Ruf. Das liegt an den heftigen Dingen, die hier zuletzt passiert sind. Im April wurde ein junger Mann bei Streitigkeiten innerhalb der libanesischen Community erschossen – mitten in Essen.

Und Ende Oktober hat die Polizei eine große Razzia gegen libanesische Clans in der Nordstadt durchgezogen. Da fällt es leicht, Libanesen als gefährliche Integrations-Verlierer abzustempeln.

Doch das greift zu kurz. Der Fall von Ramadan Saado zeigt, warum die Integration von Libanesen in Essen so schwierig ist.

Warum die „Libanesen“ in Essen eigentlich Kurden sind

Saado ist 23 Jahre alt und wohnt in Katernberg. Seine Eltern sind in den 80er-Jahren vor dem Bürgerkrieg im Libanon geflohen.

Ramadan Saado hat mit Gewalt nichts zu tun

Doch Ramadan Saado ist ein Kind des Potts. Seit seiner Geburt 1993 lebt er in Essen, ging hier zur Schule: „In meiner Schule war ich mehrmals Schulsprecher, weil ich das beste Deutsch gesprochen habe.“

Mit den Streitigkeiten innerhalb der libanesischen Community und der Gewalt hat er nichts zu tun: „Ich spreche zu Hause nicht mal arabisch, sondern nur deutsch.“

In Essen geboren – aber nur geduldet

Trotzdem hat er keine Aufenthaltserlaubnis. Saado hat nur eine Duldung. „Aussetzung der Abschiebung“ steht auf dem schlichten, grünen Ausweispapier. Alle paar Monate muss er seine Duldung verlängern lassen.

Ramadan Saado hat versucht, sich in Deutschland zu integrieren. Er ist kein Überflieger. Seinen Schulabschluss hat er nicht geschafft. Auch beim Versuch, ihn nachzuholen, scheiterte Saado.

Ramadan Saado ist kein Überflieger

Dann hatte er Glück, bekam einen Ausbildungsplatz als Tankwart in Katernberg: „Die Chefin meinte: Sie gefallen mir, ihre Arbeit ist gut. Da hat sie mir einen Ausbildungsvertrag vorgelegt. Ich konnte mein Glück nicht fassen!“ Das war 2011.

Saados Noten in der Berufsschule waren nicht hervorragend, aber er schaffte seinen Abschluss. Das macht ihn noch heute stolz: „Die Jungs aus meinem Umkreis haben gesagt: Du wirst das eh nicht schaffen.“

„Amtlich verordnete“ Langzeitarbeitslosigkeit

Doch nach dem Ende der Ausbildung war Saados Glückssträhne vorbei. Er bekam keinen Job. Das war im November 2014. Kaum ein Arbeitgeber ist bereit, einen Menschen anzustellen, der nur für wenige Monate in Deutschland geduldet wird.

„Bei den libanesischen Familien ist Langzeitarbeitslosigkeit amtlich verordnet“, sagt Ahmad Omeirat. Der 33-Jährige sitzt für die Grünen im Essener Stadtrat und kennt die libanesische Community gut. Seine Eltern kamen 1985 selbst als libanesische Flüchtlinge nach Essen.

Führt Härte zu falscher Solidarität?

Omeirat war damals erst zwei Jahre alt. Von der Essener Ausländerbehörde hält er nicht viel, gilt als einer ihrer schärfsten Kritiker. „Dort ist man gegenüber den Leuten deutlich härter als in anderen Städten. Diese Härte der Stadt führt auch zu falscher Solidarität innerhalb der libanesischen Community.“

Was sagt die Ausländer-Behörde?

„Ich finde es unfair, die Essener Ausländerbehörde als konservativ oder hart zu bezeichnen. Für die Masse der Fälle trifft es nicht zu“, sagt Jörg Stratenwerth. Er ist Leiter des Essener Ordnungsamts und zuständig für die Ausländerbehörde.

Die Ausländerbehörde will zwingend einen Pass sehen

Essen ist neben Berlin und Bremen eine der Hochburgen der libanesischen Community. In anderen NRW-Städten gehe es deshalb nur um Einzelfälle, bei denen eine einzelne Ablehnung eines Aufenthaltsrechtes keine Auswirkungen auf den „Ruf der Ausländerbehörde“ habe.

„Und da sind wir deshalb so restriktiv angesehen, weil wir darauf bestehen, dass die Leute sich einen Pass besorgen. Das ist der einzige Grund“, meint Stratenwerth.

Zurück zu Ramadan Saado

Über ein Jahr lang fand Ramadan Saado nach dem Ende seiner Ausbildung keinen Job. Er hatte weiterhin nur eine Duldung. Aber sein Vater kümmerte sich darum, dass Saado einen libanesischen Pass bekommt. Ohne Pass keine Chance auf eine Aufenthaltserlaubnis.

Saado hat doppeltes Glück

Im Dezember 2015 hatte Saados Vater dann Erfolg. Ramadan bekam einen libanesischen Pass – und die Aussicht auf einen Job. Ein Essener Callcenter wollte ihn einstellen.

Saado saß Anfang Januar 2016 schon in der Schulung des Callcenters, als er plötzlich von einem Mitarbeiter rausgerufen wurde. Seine Duldung sei abgelaufen. Ohne könne er nicht arbeiten.

Das Unternehmen riet ihm, zur Ausländerbehörde zu gehen, um seinen Aufenthaltstitel zu beantragen. Mit dem libanesischen Pass und dem Jobangebot sollte alles passen, dachte Saado.

„Ihnen steht kein Aufenthaltstitel zu“

Doch es passte nicht. Saado bekam keine Aufenthaltserlaubnis – trotz Pass und Arbeitsvertrag. „Mir wurde gesagt: Herr Saado, Sie haben keinen Job. Ihnen steht kein Aufenthaltstitel zu.“ Statt dessen bekam der 23-Jährige eine sechsmonatige Duldung.

„Ich habe dann die Firma angerufen und gefragt, was ich machen soll. Die haben gesagt: Arbeiten sie erstmal drei Monate hier. Dann sehen wir, wie es weitergeht.“

Doch Saado verlor die Geduld. „Da habe ich der Frau vom Callcenter gesagt: Ich mache das nicht.“

Was sagt die Ausländerbehörde?

Die Ausländerbehörde erzählt die Geschichte etwas anders.

„Weil Herr Saado am 8. Januar mit dem Jobangebot kam, haben wir ihm eine Duldung für sechs statt drei Monate gegeben. Da sind wir ihm entgegengekommen“, sagt Ordnungsamts-Chef Stratenwerth.

Das sei so üblich. „Der Arbeitsvertrag ist natürlich eine wichtige Grundlage für die Aufenthaltserlaubnis. Aber bei so etwas sagen wir natürlich: Ok, zeig uns die ersten drei Gehaltsabrechnungen. Wenn du dann kontinuierlich arbeiten gehst, können wir über einen Aufenthaltstitel reden.“

Ramadan Saado hat noch immer keinen Job

Doch Saado trat den Job nicht an. „Am 25. Januar bekamen wir einen Anruf vom Arbeitgeber. Der hat uns gesagt, dass Herr Saado nicht zur Arbeit gekommen ist und auch per Telefon nicht zu erreichen war“, sagt Stratenwerth: „Mit dem Verhalten hat er sich keinen Gefallen getan.“

Ramadan Saado hat noch immer keinen Job. Daran ist er sicher auch selbst schuld. Wenn er den Job trotz Duldung gemacht hätte, dann hätte Saado jetzt womöglich eine Aufenthaltserlaubnis.

Macht eine Duldung kriminell?

Doch das System macht es ihm auch nicht leicht. „Geduldete“ haben schlechte bis gar keine Chancen auf einen Job.

Aber macht die Duldung einen Menschen kriminell? Hat die Stadt Essen deshalb ein Gewaltproblem mit der libanesischen Community?

So geht es für Ramadan Saado weiter

Saado glaubt das nicht: „Mein Beispiel zeigt doch, dass eine Duldung nicht kriminell macht. Seit ich geboren bin, habe ich nur eine Duldung. Und ich war nicht ein einziges Mal kriminell.“

Wie geht es jetzt weiter für Ramadan Saado? Er sucht nach einem neuen Job – bisher ohne Erfolg: „Ich habe keine große Hoffnung mehr“, sagt Saado: „Die letzten Jahre haben mich mein Leben hassen lassen.“

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