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Stadt Essen wirbt selbst für verbotene Partys an Karfreitag

Stadt Essen wirbt selbst für verbotene Partys an Karfreitag

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Foto: WAZ FotoPool
Tanz ist am Gründonnerstag und an Karfreitag verboten. Das Ordnungsamt will kontrollieren, denn viele Discos haben geöffnet. Das Verblüffende: Die Stadt Essen wirbt auf ihrer eigenen Internetseite für verbotene Partys. „Es wird immer doller, immer bunter“, beklagt Günther Kraemer, Leiter des Ordnungsamts.

Essen. 

Wenn John Neumeier, Chefchoreograph und Direktor am Hamburg Ballett, heute Abend die „Matthäus-Passi­on“ in der Philharmonie auf die Bühne bringt, „wird dies dem Charakter des Tages gerecht“, meint zumindest Günther Kraemer. „Und das obwohl auf der Bühne getanzt wird“, so der Leiter des Ordnungsamts. Denn es ist Gründonnerstag, der fünfte Tag der Karwoche: An ihm gedenken die Christen des letzten Abendmahles Jesu mit den zwölf Aposteln am Vorabend seiner Kreuzigung – einer der zentralen Tage in ihrem Kalender und ein Feiertag. Ein stiller wohlgemerkt, für den ganz besondere Vorschriften gelten, festgeschrieben im Feiertagsgesetz NRW. Dies besagt: „Am Gründonnerstag ist ab 18 Uhr öffentlicher Tanz verboten.“ Karfreitag gelten noch weitaus strengere Verbote. Dass zwischen Borbeck und Byfang nicht nur Christen, sondern auch Atheisten, Juden, Muslims, Hindus, Buddhisten und Anhänger anderer Religionen leben, ist Kraemer natürlich bekannt. Dennoch: „Gesetz ist Gesetz. Und wir müssen in Essen dafür sorgen, dass es eingehalten wird.“

Feiertagsgesetz: Nicht alles ist erlaubt

„Stille Feiertage“ sind Allerheiligen, Totensonntag, der Volkstrauertag und Karfreitag. Was an diesen Tagen untersagt ist, zusätzlich zu den Verboten üb­licher Sonn- und Feiertage, regelt das NRW-Feiertagsgesetz. An Karfreitag gelten die strengsten Re­geln: Sportliche und ähnliche Veranstaltungen, Pferderennen und -leistungsschauen, Zirkusveranstaltungen, Volksfeste und der Be­trieb von Freizeitanlagen, so­weit dort tänzerische oder ar­tistische Darbietungen angeboten werden, sind verboten. Und zwar in der Zeit von Karfreitag, 5 Uhr, bis zum nächsten Tag, 6 Uhr. Ostersonntag gilt ein Öffnungsverbot für Verkaufsstellen, deren Angebot überwiegend aus Back- und Konditorwaren oder Pflanzen und Blumen besteht. In Cafés dürfen Ostersonntag nur zum sofortigen Verzehr zubereitete Speisen verkauft werden; Brot, Brötchen und Ähnliches gehören nicht dazu. Geändert wurde das „Gesetz über die Sonn- und Feiertage“ zuletzt 1989. Mehr Infos: www.recht.nrw.de.

Trotz des geltenden Verbots sind an beiden stillen Feiertagen mehrere große Partys und Konzerte in Bars und Diskotheken angekündigt, die das Ordnungsamt dieses Jahr ganz genau im Blick hat. „Es wird immer doller, immer bunter“, beklagt Kraemer. Seine Mitarbeiter hätten sich im Vorfeld gut darüber informiert, wo gefeiert werden soll. „Wir haben die Betreiber von Clubs, Bars und Spielhallen schriftlich aufs geltende Verbot aufmerksam gemacht und auch darauf, dass wir stichprobenartig kontrollieren“, so Kraemer. Er hofft, dass deshalb keine oder möglichst wenige Verfahren nötig sein werden und sich die Betreiber ans Gesetz halten.

So bleiben etwa der „Baliha Dance Club“ und das „Essence“ in der nördlichen Innenstadt am Gründonnerstag und Karfreitag geschlossen. Gleiches gilt für den „Delta Musik Park“, der auf seiner Internetseite alle Partymacher darauf hinweist: „Aufgrund des Feiertagsgesetzes geschlossen!“

Wer sich dennoch nicht vom städtischen Ordnungsamt beeindrucken und die Party steigen lässt, muss mit einem Bußgeld rechnen. 150 Eu­ro kostet der Spaß. „Zudem würde der Gewinn kontrolliert, den der Betreiber erwirtschaftet hat, und eingezogen, denn er soll ja keinen Vorteil aus einer nicht zulässigen Veranstaltung ziehen“, sagt Jeanette Kern, Leiterin des städtischen Pressereferates. Anders, als vergangenes Jahr, „als wir es bei Belehrungen gelassen haben“, werde in diesmal hart durchgegriffen.

Das Ordnungsamt will sich jeden Verstoß genau anschauen. Die Art der „Strafe“ richte sich nach der Schwere des Verstoßes und danach, ob ein Veranstalter/ Betreiber schon einmal auffällig geworden ist – so wie etwa die „Musikpalette“, das „Hotel Shanghai“ oder das „Naked“ im vergangenen Jahr. Lange suchen muss Kraemer nicht: Partys soll es in den Discos „Löwental“, „Goethebunker“, „Turock“,, „Frida“, „Panic Room“, der „Ego-Bar“ und im „Bahnhof Süd“ geben; verraten die jeweiligen Internetseiten.

Stadt wirbt für verbotene Partys

Noch schneller wird Kraemer jedoch auf der städtischen Webseite www.essen.de fündig. Dort werden Partys im „Naked“ an der Rottstraße angekündigt – wie schon vergangenes Jahr. „Wir gehen erst einmal davon aus, dass sämtliche Termine, die uns zugeliefert werden, geltendem Recht und ebenfalls den Anforderungen des Ordnungsamtes entsprechen“, sagt Ina Will, Pressereferentin der Essen Marketing GmbH (EMG) auf NRZ-Nachfrage. Denn die EMG ist für die Pflege des Terminkalenders zuständig. „Wir haben die Partys rausgenommen“, heißt es wenig später, doch Pustekuchen – die Termine sind immer noch im Internet zu finden.

„Bisher hab’ ich immer gute Umsätze an den Feiertagen gemacht und das Ordnungsamt hat sich nicht gerührt“, sagt ein Clubbetreiber, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Absagen wird er seine Party nicht; das Bußgeld nehme er in Kauf und den Verlust der kompletten Tageseinnahmen. „Ich zahl’ schließlich genug Steuern, da wird sich auch dieses Jahr keiner rühren“, ist sich der Clubinhaber sicher.