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Studierendenparlament der Uni Duisburg-Essen demontiert sich selbst

Beleidigung und Schlamperei im Studentenparlament

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Foto: NRZ; Remo Bodo Tietz
Wüste Beschimpfungen, Sicherheitspersonal bei Sitzungen, Ungereimtheiten bei Wahlen, Schlampereien mit Geld: Das Studierendenparlament, das eigentlich die Interessen der Studenten vertreten sollte, ist an der UDE ein „großer Kindergarten“.

Duisburg/Essen. 

Nach acht Minuten ist die Sitzung des Studierendenparlaments (StuPa) beendet. Eine ordentliche Versammlung ist nicht zu Stande gekommen, wie so oft in den vergangenen Wochen. Die Liste mit den Problemen ist lang: Gegenseitige Beschimpfungen sind im StuPa mittlerweile der normale Umgangston, Sitzungen bis in die Morgenstunden keine Seltenheit. Selbst bei den Finanzen gibt es Versäumnisse. Die letzten Wahlen wurden gerade für ungültig erklärt. Und den nächsten Wahltermin hat das StuPa verschoben – das nicht ordentlich legitimierte Parlament bleibt also noch ein halbes Jahr länger im Amt.

Nicht einmal die Hälfte der 37 StuPa-Mitglieder ist dieses Mal nach Duisburg gekommen, damit ist das Parlament nicht beschlussfähig. Schon im Vorfeld gab es Einsprüche gegen die Sitzung. „Es ist hochnotpeinlich, dass wieder so ein Scheiß hier passiert“, beklagt sich Fachschaftsvertreterin Agnes Niersmann. Peinlich vor allem: Das StuPa wird aus den Semesterbeiträgen finanziert. Was eigentlich die studentische Interessenvertretung darstellt, ist in Duisburg-Essen ein „großer Kindergarten“, sagt Niersmann – bezahlt wird der von den Studenten.

Zweiter Akt: Unter aller Sau

„Vielleicht hat er keinen Penis.“ Oder auch „Wäre es denn auch Satire, wenn ich mit meiner Kniescheibe deine Nase in dein Hirn bohre?“ Die Protokolle auf der Website des StuPa zeigen das ganze Ausmaß der Streitigkeiten. Wortmeldungen werden mit einem „Halt die Fresse“ abgebügelt, und ob die „obszöne Geste“ ins Protokoll aufgenommen wird, ist eine minutenlange Diskussion wert. Die aggressive Grundstimmung im StuPa erschwert das Vorankommen der Sitzungen erheblich. Beleidigungen sind an der Tagesordnung, endlose Diskussionen die Regel.

Wenn doch einmal Beschlüsse gefasst werden, ist nicht sicher, ob diese auch gültig sind. Normalerweise trifft sich das StuPa alle vier Wochen, doch häufig werden die Sitzungen vertagt oder für ungültig erklärt. Das hängt meist mit den schriftlichen Einladungen zur Sitzung zusammen: Eigentlich müssen alle Parlamentarier diese vom StuPa-Präsidenten sieben Tage vor einer Sitzung schriftlich erhalten. Immer wieder haben sich in letzter Zeit Parlamentarier beschwert, dass sie ihre Einladung einen Tag zu spät erhalten hätten. Durch die Verspätung wird die ganze Sitzung anfechtbar – und damit sind alle getroffenen Beschlüsse ungültig.

Persönliche Fehden statt Entscheidungen

„Unter aller Sau“ findet Jens Eißmann den Ablauf der Sitzungen. Der Lehramtsstudent ist seit der vergangenen Wahl Vorsitzender des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) und gehört zur Liste der unabhängigen Studierenden (LuSt). Er ärgert sich über das destruktive Verhalten vieler Parlamentarier: „Da sind Leute, die sprechen bloß, um sich selbst zu hören.“

Auch Felix Hesse, Mitglied der Hochschulgruppe der Jungsozialisten (Jusos), ist frustriert. „Es ist ab einer gewissen Stelle einfach nicht mehr ernst zu nehmen, was im StuPa besprochen wird“, sagt Hesse. „Da werden doch nur noch persönliche Fehden ausgetragen.“

Die miese Stimmung geht so weit, dass im vergangenen Jahr sogar Sicherheitspersonal zur Parlamentssitzung bestellt wurde. Wie aus den Protokollen hervorgeht, befürchtete der damalige StuPa-Präsident, dass die Streitereien zwischen den Parlamentariern eskalieren könnten. Bezahlt wurde das Sicherheitspersonal von den Studenten.

Dritter Akt: Mit Geld spielt man nicht

26 Euro pro Jahr zahlt jeder Student der Uni Duisburg-Essen an AStA und StuPa. In der laufenden Legislaturperiode stehen dem AStA insgesamt 806 000 Euro zur freien Verfügung. Der größte Teil von über 400 000 Euro wird für die Referate des AStA verwendet, die für die verschiedenen Belange der Studenten zuständig sind. Die Mitglieder dieser Referate erhalten für ihre Tätigkeiten eine Aufwandsentschädigung von bis zu 500 Euro monatlich.

Auch der Finanzreferent wird jeden Monat für seine Arbeit bezahlt. Dafür hätte er eigentlich bis zum 1. September 2010 einen Haushaltsentwurf vorlegen müssen. Doch auch zehn Monate nach der Wahl stand noch kein Finanzplan für die laufende Legislaturperiode.

Erst Ende 2010 hat der Finanzreferent die Vorlage eingereicht. „Wir als AStA haben uns da nicht gerade mit Ruhm bekleckert“, sagt AStA-Vorsitzender Jens Eißmann. Aber: „Die hauptsächliche Verzögerung kommt durch das StuPa.“ Das Parlament muss den Haushaltsplan nämlich beschließen. Aber endlose Diskussionen, Vertagungen und Anwesenheitsprobleme verzögern den Beschluss. Die einzige Möglichkeit zu haushalten, ist im Moment die Zwölftel-Wirtschaft. Dabei wird jeden Monat ein Zwölftel des Vorjahres-Budgets ausgegeben. Spielraum für größere Projekte oder Investitionen bleibt da wenig. Die laufenden Kosten können zwar abgedeckt werden, doch selbst hier gibt es Schwierigkeiten. Das Finanzreferat sei schwer zu erreichen, beklagt sich Fachschaftsvertreter Marius Zima.

Um überhaupt Gelder zu bekommen, müssten zwei Vertreter der Fachschaft mit dem zuständigen Referenten zur Bank gehen. Wegen der Abwesenheiten des Finanzreferats habe die Fachschaft für Wirtschaftsingenieurwesen ihr Geld dieses Jahr vier Monate zu spät erhalten.

Auch das Referat für Schwule, Bisexuelle und Lesben (SchwuBiLe) berichtet von Problemen: Auf Anfragen werde spät oder nur bei mehrfacher Kontaktaufnahme reagiert. „Wir bekommen zwar unser Geld, aber das ist teilweise mit enormem Aufwand verbunden. Hier besteht dringender Verbesserungsbedarf.“

Vierter Akt: Der AStA – von engagiert bis faul

Versagt also die studentische Selbstvertretung vollständig? Immerhin, einen Lichtblick gibt es noch: „Im AStA läuft es wesentlich besser“, meint Chef Jens Eißmann. Die Arbeit des Gremiums sei deutlich transparenter geworden. So wird zum Beispiel jeden Monat ein Berichtsheft veröffentlicht, in dem die Referate ihre Arbeit vorstellen.

Doch auch im AStA gibt es mittlerweile Probleme: Eigentlich müssten die verschiedenen Referate regelmäßige Sprechstunden anbieten. Im Finanzreferat funktioniert diese Regelung offensichtlich nicht. Das zeigen nicht nur die Aussagen von anderen Parlamentariern und die Probleme bei der Auszahlung der Gelder. Auch diese Recherche hat bestätigt: Finanzreferent Boris Schön und Kassenverwalter Jürgen Reitter waren trotz wiederholter Anfragen nicht zu erreichen.

„Die Zusammenarbeit mit dem AStA hängt vom Engagement der einzelnen Mitglieder ab“, sagt ein Vertreter des SchwuBiLe und fügt hinzu „Das reicht von super-engagiert bis faul.“

Für Jens Eißmann ist es wichtig, zwischen beiden Gremien zu unterscheiden: Während das StuPa sich selbst blockiere, laufe die Arbeit im AStA noch. Die Streitereien der Parlamentarier werden in letzter Zeit jedoch auch hier deutlich: Die Regierungskoalition stellt den AStA schließlich aus ihren eigenen Reihen. Die schlechte Atmosphäre im StuPa wirkt sich auch auf die Zusammenarbeit innerhalb der Koalition aus.

Fünfter Akt: Die Qual mit der Wahl

Die nächsten Wahlen des StuPa sollten eigentlich Ende Juni durchgeführt werden. Die vorgesehene Legislaturperiode des Parlaments dauert schließlich nur ein Jahr. Auf der StuPa-Sitzung vom 27. April wurde dementsprechend ein Wahltermin für den Sommer festgelegt. Ein paar Tage später hat jedoch eine Parlamentarierin die Sitzung erfolgreich angefochten. Sie hätte ihre Einladung einen Tag zu spät erhalten. Alle getroffenen Beschlüsse sind damit ungültig – die Wahl kann nicht wie geplant stattfinden. Frühester Termin für die nächste Wahl wäre November, wenn alle in der Wahlordnung festgelegten Fristen eingehalten werden sollen. Endgültig beschlossen hat das Parlament jedoch auch diesen Termin noch nicht. Das derzeitige StuPa bleibt im Amt, bis die nächsten Wahlen zu Stande kommen.

Dabei gab es schon bei der letzten Wahl im Juli 2010 Ungereimtheiten, die bis heute nicht aufgeklärt sind. Regierung und Opposition sind sich einig, dass da gewaltig etwas schief gelaufen ist. Aber was genau das war und wer dafür die Verantwortung trägt, darüber streiten sie bis heute. „Die Opposition hat die Wahl verloren und ist jetzt sauer“, sagt Asta-Vorsitzender Jens Eißmann. Er bestätigt aber, dass es Unregelmäßigkeiten gab.

Es herrscht Misstrauen

Juso-Mitglied Felix Hesse sagt: „Es hat sich herausgestellt, dass 14 Prozent der Stimmen ungültig waren, weil bei vielen Wahlzetteln der vorgeschriebene Gültigkeits-Stempel gefehlt hat.“ Von der Lagerung der Wahlurnen bis zur Auszählung der Stimmzettel, überall habe es zumindest fragwürdige Zwischenfälle gegeben. Hesse gibt zu, dass den einzelnen Beteiligten nichts nachgewiesen werden könne. Die Situation zeigt jedoch, wie groß das Misstrauen zwischen den Listen ist.

Es musste ein Prüfungsausschuss eingesetzt werden, um die Gültigkeit der Wahl zu untersuchen. Die Kommission ist jetzt zu dem Ergebnis gekommen, dass wichtige Wahlgrundsätze verletzt wurden. „Diese Wahl ist eindeutig für ungültig zu erklären“, sagt ein Mitglied des Ausschusses. Es sei davon auszugehen, dass Dritte unberechtigt in den Wahlprozess eingegriffen hätten. Der Ergebnisbericht wird dem StuPa auf der nächsten Sitzung vorgestellt. Frühester Termin für fristgerechte Neuwahlen: November. Ob die reguläre Wahlen verschoben werden oder ob es Neuwahlen gibt – so oder so bleibt das StuPa länger im Amt.

Hochschulleitung muss helfen

AStA-Vorsitzender Eißmann ist unzufrieden: „Die Wahlverschiebung ist eine Frechheit.“ Er hat sich mit einem Schreiben an die Hochschulleitung gewandt, um klare Richtlinien für den Ablauf der Arbeit im StuPa zu erhalten. Das Rektorat hat mittlerweile reagiert und einen Moderator eingesetzt. Dieser soll sich mit Vertretern aller Listen zusammensetzen und nach einer Lösung für die Probleme im StuPa suchen. Das Eingreifen von oben wird aber nicht von allen Seiten bejubelt. „Das ist eigentlich ein Armutszeugnis, dass eine selbstständige Studierendenschaft die Hochschulleitung um Hilfe bitten muss“, sagt Felix Hesse.

Aber so wie das StuPa in letzter Zeit arbeitet, dürfe es nicht weitergehen, darin sind sich die Beteiligten einig. Letztlich gehen die Streitereien auf Kosten der Studenten: Sie bezahlen für eine Interessensvertretung, die sich selbst lahm gelegt hat.

Die Autorinnen studieren Journalistik an der TU Dortmund. Dieser Text erschien auch in der E-Paper-Version der aktuellen „Pflichtlektüre“, des Studentenmagazins für die Unis Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen.