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Essener Oberbürgermeister-Kandidatin im Interview

Essener Oberbürgermeister-Kandidatin im Interview

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Angelika Kordfelder bewirbt sich um Kandidatur als SPD-OB in Essen Foto: Ulrich von Born
Die Herausforderin des Oberbürgermeisters, Angelika Kordfelder, erzählt von ihren Ambitionen und ihrer Abneigung, Polit-Theater zu spielen.

Essen. 

NRZ: Frau Kordfelder, vervollständigen Sie doch mal den Satz: „Reinhard Paß ist als OB…“

Angelika Kordfelder: „…für mich nicht zu kommentieren, weil er Kollege ist.“

Och, schade.

Kordfelder: Mag sein, aber das habe ich meinen Genossinnen und Genossen auch gesagt: Ich erwarte, dass die Kollegen Oberbürgermeister/innen respektiert werden – in der Rolle und der Funktion, die sie haben. Das gilt für mich auch, und insofern sollte ich dazu nichts sagen.

SPD-Chefin Britta Altenkamp war da nicht so zurückhaltend. Sie sagt, Paß sei „als OB die falsche Person“. Lassen Sie das unkommentiert?

Kordfelder: Britta Altenkamp ist als Parteivorsitzende mit einer konkreten Ansage gewählt worden, was die Zukunft der Partei und auch der Oberbürgermeister-Position betrifft. Ich habe die Situation, so wie sie sich für die SPD darstellt, mit großer Besorgnis zur Kenntnis genommen.

…und sollen und wollen es jetzt als Kandidatin rausreißen. Überrascht Sie, dass Sie sich einem innerparteilichen Wettbewerb stellen müssen?

Kordfelder: Die Parteichefin hatte ja ein transparentes Verfahren für die OB-Kandidatur versprochen. Das hält sie jetzt.

Aber manch einer mag gedacht haben, Paß wirft von sich aus hin. Denkste. Das ist für Sie…

Kordfelder: …überhaupt kein Problem. Ich will ja schließlich viele Menschen überzeugen, dass sie mich unterstützen – sowohl im Wahlkampf als auch danach als Oberbürgermeisterin.

Heikel: Eine Bürgermeisterin fordert den amtierenden OB heraus.

Kordfelder: Damit komme ich gut klar, weil ich schließlich 500.000 Menschen überzeugen möchte, die Richtige auf diesem Platz zu sein. Wenn ich vorab die Möglichkeit habe, mich im eher kleineren Kreis zu präsentieren, ins Gespräch zu kommen, dann ist das eine ganz gute Voraussetzung, um darauf aufzubauen.

Angelika … wer?

Verstehen Sie, wenn selbst unter Sozialdemokraten manche fragen: Äh… Angelika… wer?

Kordfelder: Ja nun. Ich bin seit 25 Jahren in der Partei, habe hier fast fünf Jahrzehnte gelebt, aber es ist nun mal so, dass ich jetzt im elften Jahr Bürgermeisterin einer Stadt im Münsterland bin. Da kommt der Kontakt in die Partei hinein nicht mehr so zum Zuge. Trotzdem habe ich versucht, Kontakt zu halten: Meine Mutter lebt noch hier und verwahrt mir als Zeitungsleserin jeden Artikel, auch wenn ich das aus dem Internet schon kenne. Und meine Tochter war bis vor kurzem ebenfalls Essenerin, außerdem pflege ich natürlich Freundschaften.

Was ist mit der Politik? Verfolgt, wer eineinhalb Auto-Stunden entfernt arbeitet, welche Themen die alte Heimat umtreiben?

Kordfelder: Ich mache das sehr intensiv, weil ich mich ja in Netzwerken bewege – in der Region, im Land, im Bund, und sogar in Europa. Ich bin da in ganz vielen Gremien aktiv, die mich oft mit Kollegen aus der Ruhrgebietsschiene zusammenbringen.

Heißt das, Sie laufen auch Reinhard Paß über den Weg?

Kordfelder: Eher weniger. Er meinte neulich zu mir, in einer kleinen Stadt sei das einfacher, Netzwerke zu pflegen oder international tätig zu sein; in einer größeren würde das schwierig. Ich halte das aber für unabdingbar.

Wär das so ein Punkt, wo Sie sagen: Das kann ich besser?

Kordfelder: Das ist ein Punkt, wo ich sage: Das kann ich.

Dann anders: Was haben Sie, was Reinhard Paß nicht hat?

Kordfelder: Das können andere sicher besser beurteilen. Vielleicht kann man das zunächst mal darauf fokussieren: Er ist ein Mann, ich bin eine Frau. Ich glaube, dass für unsere Stadt die Zeit reif ist, eine Frau an der Spitze zu haben. Wir hatten zwar Annette Jäger als OB, aber das war ja sozusagen die ehrenamtliche Schiene, damals noch mit einem Oberstadtdirektor an der Seite.

Es steht Ihnen bei den Regionalkonferenzen vier Mal eine parteiöffentliche Bühne zur Verfügung, dort wird jeder Ihrer Schritte genau beäugt. Wie viel von dem, was da passiert, ist innerste Überzeugung, wie viel nur Theater?

Kordfelder: In der Politik muss man sich zwangsläufig zusammennehmen, das ist so, weil jeder Satz interpretiert werden kann. Aber es ist etwas anderes als Theater spielen. Ich glaube, das Wichtigste ist, authentisch zu sein. Das habe ich gelernt bei meinem Wahlkampf im Münsterland. Meine Strategie war: Ich bin jetzt einfach ich. Ich gehe da hin und sage: Ich habe das und das zu bieten, und ich möchte Euch gerne kennenlernen. Wer so authentisch bleibt, muss sich nachher nicht dauernd überlegen, was habe ich dort gesagt und was bei denen. Da kann nichts schief gehen.

Seit 2008/2009 will man Kordfelder wieder in Essen haben 

Gibt’s denn schon Beifall oder Buhrufe aus dem Publikum?

Kordfelder: Fragen Sie mich mal am Freitag, nach der ersten Runde. Die Leute werden sehr neugierig sein, das tut der Sozialdemokratie gut. Und es tut der Demokratie gut, eine Auswahl zu haben.

Aber immerhin: Sie wollen den eigenen OB vom Thron stoßen und viele, die in der SPD Funktionen haben, hoffen, dass das klappt. Gibt uns die Mitgliederbefragung auch eine Antwort auf die Frage: Wie nah sind die Funktionäre der vielzitierten Basis?

Kordfelder: Ich glaube, es ist auf jeden Fall eine ganz gute Gelegenheit für Mitglieder, sich zu artikulieren, das ist gut so. Alles weitere wäre Spekulation.

Ernten Sie denn schon Zuspruch?

Kordfelder: Es gab bereits 2008/2009 Nachfragen, ob ich mir vorstellen könnte, nach Essen zurückzukommen. Mancher knüpft Hoffnungen daran, ich will das aber nicht überbewerten.

Und was ist mit Kritik?

Kordfelder: Da ich nicht bei Facebook bin, weiß ich das nicht. Ich will mich damit auch nicht belasten. Ich konzentriere mich auf die erste Regionalkonferenz, da gucken wir mal.

Würden wir ja gerne, aber Presse ist nicht zugelassen. Haben Sie lange überlegt, wie Sie sich präsentieren?

Kordfelder: Ich habe ja noch einen Job als Bürgermeisterin in Rheine zu erfüllen. Mir irgendeine Strategie für den Abend auszudenken, dazu bin ich überhaupt noch nicht gekommen. Ich glaube, das ist auch nicht nötig.

Die Moderatoren werden nicht aus Essen kommen, schon daran lässt sich ablesen: Das ist vermintes Gelände. Blockiert einen das?

Kordfelder: Wenn mich Situationen des Wahlkampfes von vornherein blockieren würden, dürfte ich keinen machen. Ich habe zwei Wahlkämpfe als Spitzenkandidatin hinter mir, das erste Mal im schwarzen Münsterland mit einer CDU-Mehrheit in einem durchaus ländlich geprägten Ort; wo ich wusste, dass die Leute mir nicht den roten Teppich ausrollen.

Allein unter Männern

Ihr erster Auftritt ist vor Ort offenbar legendär.

Kordfelder: Das war die Silvester-Veranstaltung in der alten Rheiner Bauernschaft, da sind nur Männer zugelassen. Ob ich mir das zutrauen würde, hat man mich gefragt…

…so eine Frage beantwortet man nicht mit Nein…

Kordfelder:…trotzdem gab es den augenzwinkernden Tipp aus Essen: Sieh zu, dass Du da lebend rauskommst.

Scheint ja geklappt zu haben.

Kordfelder: Und ich bin wirklich stolz darauf. Ich sollte was sagen über die Zukunft der Stadt Rheine und der dortigen Landwirtschaft unter Berücksichtigung der Gleichstellung von Männern und Frauen.

Genau das richtige Thema für eine doppelt diplomierte Sozialarbeiterin und Erziehungswissenschaftlerin.

Kordfelder: Das geht, wenn man auch da authentisch bleibt. Man darf keinem vormachen, dass man es besser weiß. Hätte ich behauptet, ich kenne mich in der Landwirtschaft super aus, hätten die mich mit Nachfragen bloßstellen können. In der Landwirtschaft sind alle total aufeinander angewiesen, das ist eine eingeschworene Gemeinschaft. Wären die Frauen nicht da, hätten die Männer auch keine Möglichkeit sich zu entwickeln. Genau das habe ich denen gesagt: „Ohne Eure Frauen wärt Ihr nix.“ Da haben alle gelacht, und das Eis war gebrochen.

Fangfragen mag es auch bei den vier Regionalkonferenzen in Essen geben. Geht’s dann darum, dass jeder sich selbst am besten präsentiert oder darum, den Streit zu suchen?

Kordfelder: An einem Kampf der Gladiatoren habe ich überhaupt kein Interesse. Mir geht’s darum, mit den Anwesenden ins Gespräch zu kommen und in die Zukunft zu gucken. Es ist nicht meine Sache, Probleme aus der Vergangenheit aufzuarbeiten. Das ist Sache des Oberbürgermeisters, sich solchen Fragen zu stellen, die kann ich auch nicht kommentieren.

Aber es geht auch um die Frage, wie man seine Führungsrolle versteht.

Kordfelder: Wir haben ganz viel an Expertenwissen in der Stadt und auch an Engagement in der Bürgerschaft. All das kann man zusammenbringen, dafür muss man gut zuhören, kommunikativ sein, Netzwerke knüpfen. Und man muss Vertrauen in die Menschen haben, sie müssen darauf vertrauen können, dass sie Dinge selber machen dürfen. Mein Grundsatz ist: Als Chefin der Verwaltung stelle ich mich vor meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Sie spielen auf die E-Mail an Baudezernentin Raskob an?

Kordfelder: Ich hätte das anders geregelt. Wenn’s irgendwas zu klären gibt, kläre ich das so, dass das außen nicht ankommt. Es gilt, die Menschen nicht zu beschädigen.

Bevor Sie sich als Kandidatin „geoutet“ haben, fiel häufig ein anderer Name: der des NRW-Justizministers Thomas Kutschaty. Belastet Sie, dass eine ganze Reihe von Sozialdemokraten sich zwar einen anderen OB-Kandidaten wünschte, dabei aber nicht sofort an Sie dachte?

Kordfelder: Ehrlich gesagt: Ich bin sehr froh, dass mein Name nicht schon früher durch die Medien gegeistert ist.

Weil?

Kordfelder: Weil es dann sofort für einen selbst anfängt, ohne dass man Dinge vorab klären kann. Aber dass nicht jeder sofort an mich dachte – nein, das belastet mich überhaupt nicht.

Haben Sie schon ein Gespür für die Themen, die in Essen auf der Tagesordnung stehen?

Kordfelder: Die Finanzmisere gehört dazu, aber die ist nicht Essen-spezifisch, sondern betrifft selbst die kleinste Kommune im Münsterland. Alle anderen Themen sind überall anzutreffen: Wie gehen wir mit dem demographischen Wandel um? Was muss in der Bildungspolitik passieren? Dazu Inklusion, Zuwanderung, Globalisierung, Klimaschutz – all das sind Themen, die ich im Kleinen in der Region in der ich jetzt Verantwortung trage, auch schon bearbeite. Bis hin zu der Frage: Welches Profil soll sich entwickeln?

Das sind die ganz großen Räder.

Kordfelder: Aber es geht vom Großen zum Kleinen: Was die Menschen suchen, ist Sicherheit in ihrer Heimat. Im Quartier. Das habe ich, als ich in Schonnebeck gelebt habe, erfahren: Man wohnt in Schonnebeck, und man fährt in die Stadt, sozusagen „umme Ecke“. Mehr zu machen aus diesem Thema, stelle ich mir auch vor, weil ich glaube, dass die Menschen das brauchen in Zeiten der Digitalisierung – einen Platz, wo man zuhause ist. Das ist der große Spagat.

Wäre der Weggang aus Rheine und der Wechsel nach Essen auch eine Art Heimkehr für Sie?

Kordfelder: Oh je, ich kann doch da jetzt nicht die Rheinenser in Bedrängnis bringen, die mir eine zweite Heimat gegeben haben. Ich habe mich immer als Ruhrpott-Kind empfunden und im Münsterland gesagt: Viel von der Bodenständigkeit ist bei beiden gleich. Da ist eine klare Ansage angebracht, da weiß man, wo’s langgeht. Deswegen haben wir uns auch immer verstanden. Die haben mich aufgenommen und mir Heimat gegeben. Es wäre ungerecht, das jetzt gegeneinander aufzuwiegen.

Schon deswegen, weil, wer kandidiert, immer auch im Hinterkopf haben muss, dass es schiefgehen kann. Treibt Sie das um?

Kordfelder: Ich bin ja keine Newcomerin bei Wahlen. Man geht da rein mit der Perspektive zu gewinnen, diese Aussicht ist da – und man hat eine innere Motivation, diese Funktion auch innehaben zu wollen. Andererseits bin ich realistisch und ein Stück weit pragmatisch und weiß: Wahlen kann man auch verlieren.

Dass sich die SPD jetzt den SPD-internen Kandidaten-Wettstreit erlaubt – schmälert das die Wahlaussichten im September 2015?

Kordfelder: Ich glaube nicht, dass es unsere Chancen schmälert, sondern dass es mit der Entscheidung Ende Januar für die Kandidatin eine sehr breite Basis der Unterstützung für die folgenden Monate gibt. Daraus nimmt man ja auch einen Schwung mit. Ich sehe das jedenfalls nicht so, dass es gilt, irgendwelche Scherben zusammenzukehren.