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Neue Synagoge – ein oft vergessenes Baudenkmal in Essen

Neue Synagoge – ein oft vergessenes Baudenkmal in Essen

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Foto: WAZ Fotopool
Ein „kleiner Kunstführer“ des Rheinischen Vereins soll die Neue Synagoge an der Sedanstraße bekannter machen. Die Autorin Elfi Pracht-Jörns stellt das außergewöhnliche Baudenkmal mit seinem Tora-Schrein und den Emaille-Arbeiten Kurt Lewys auf 32 Seiten vor.

Essen. 

Wenn sich Jewgenij Budnizkij bemüht, Spendengelder für seine mittlerweile in die Jahre gekommene Synagoge zu sammeln, „dann heißt es oftmals: Wir haben bereits für eine Essener Synagoge gespendet.“ Dass es aber kein anderes jüdisches Gotteshaus in der Stadt gibt, wissen diejenigen häufig nicht. „Denn die Alte Synagoge hatte diese Funktion nur bis 1938, bis zur Shoa. Heute ist sie ein Zentrum jüdischer Kultur“, so Budnizkij.

Der Vorsitzende der Jüdischen Kultus-Gemeinde sammelt fürs „neue“ alte Haus, die „Neue Synagoge“ an der Sedanstraße unweit des Moltkeviertels, denn es ist in Teilen sanierungsbedürftig. 1959 eröffnet wurde der als kreisrunde, halbkugelige Schale konstruierte Synagogenbau gemeinsam mit dem dazugehörigen Gemeindezentrum 1998 zu einem Baudenkmal. Damit nicht alleine die Essener, sondern auch auswärtige an rheinischen Kunststätten Interessierte den Kom­plex besser kennenlernen können, hat der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz dazu ei­nen eigenen „kleinen Kunstführer“ herausgegeben: Heft Nummer 549.

Gesamtkunstwerk

Auf 32 Seiten beschäftigt sich die Autorin Elfi Pracht-Jörns mit dem „Gesamtkunstwerk Neue Synagoge“, wie es der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Kufen als Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Städtepartnerschaft zwischen Essen und Tel Aviv betont. Pracht-Jörns beschäftigt sich seit 25 Jahren als Historikerin mit jüdisch-deutscher Geschichte. Im Fokus des Kunststättenheftes stehen die Baubeschreibung und -geschichte, die den Außenbau sowie die Innenausstattung umfasst. Pracht-Jörns: „Um die Architektur ansatzweise in ihre soziokulturellen Rahmenbedingungen einzuordnen, wurde eine Skizze zur Synagogenar­chitektur in Deutschland nach 1945 und ein Kapitel über die Kultus-Gemeinde in der Nachkriegszeit vorangestellt – wobei auch auf die neusten Entwicklungen seit Ende der 1980er Jahre eingegangen wird.“

Die neue Synagoge entstand nach den Plänen der Essener Architekten Dieter Knoblauch und Heinz Heise, die auch das neue jüdische Gemeindezentrum an der Fasanenstraße in Berlin gebaut hatten. Pracht-Jörns hat recherchiert: „Auf dem Grundstück hatte bis zur völligen Zerstörung am 10. November 1938 das Jüdische Jugendheim gestanden, erbaut nach Entwürfen Erich Mendelsohns, einer der Stararchitekten des ,Neuen Bauens’ der 1920er Jahre.“

Einziger Baukörper dieser Art

Die Autorin geht im Kunstführer unter anderem auf die Buntglasfenster von Kurt Lewy, die Mikwe im Kellergeschoss, die kunstvoll gestalteten Außenanlage des Areals und die schlichten Formen des konkav geschwungenen Gemeindehauses ein. Die beiden Architekten Knoblauch und Heise waren sich sicher, dass die Kuppel den einzigen, wirklich halbkreisförmigen Baukörper dieser Art in Europa darstelle.

„Doch heutzutage hört man häufig, dass die 1946 bis ’53 von Erich Mendelsohn in Cleveland / Ohio errichtete Park Synagogue das Vorbild für Essen gewesen sein könnte“, so Pracht-Jörns. Ihr hat es besonders der Innenraum angetan: die Mosaikwandflächen, die Bestuhlung, die übrigen Holzarbeiten und Beleuchtungskörper. Und ebenso die von Kurt Lewy geschaffenen zwölf Email-Kupferplatten am Tora-Schrein mit den Symbolen der zwölf Stämme Israels. Die Autorin ist sich sicher: „Es kann nicht verwundern, dass die Architektur in Fachkreisen auf ein überaus positives Echo gestoßen ist.“ Es sei noch viel zu tun, um dieses außergewöhnliche Bauwerk der Moderne zu erhalten – viel zu tun also für Jewgenij Budnizkij. Doch seine Synagoge, die werden sie bald alle kennen.