Veröffentlicht inEssen

Hunger drängt Borbecker zum Stromklau

Hunger drängt Borbecker zum Stromklau

In Deutschland gibt es für ziemlich alles Gesetze. Wer Strom klaut, begeht keinen Diebstahl, sondern muss sich wegen „Entziehung elektrischer Energie“ verantworten. Der Paragraph entstand 1900 und betrifft nun einen jungen Essener. Weil er kochen wollte, zapfte er die Leitung der Nachbarn an – und flog auf.

Essen. 

Die schiere Not war es, die den 24-Jährigen vor Gericht brachte: Um sein Essen warm zu machen, zapfte er die Stromleitung im Nachbarhaus an. Ihm selbst war der Strom gekappt worden. Auf ein Urteil gegen den Borbecker verzichtete der Essener Amtsrichter Georg Dodegge, weil den Angeklagten Mitte Februar ein weiteres Verfahren erwartet.

Der mittlerweile unter Betreuung stehende 24-Jährige hatte immerhin entdeckt, dass der Verteiler einer Satellitenanlage im Dachgeschoss Vorteile gegenüber einem Kabelanschluss bietet, weil er mit einer freien Steckdose aufwartet. So ging er über eine Verbindungstür zwischen den Dächern ins Nachbarhaus und brach die Tür der Satellitenanlage auf. Danach drückte er den Stecker seines Zwei-Platten-Herdes in die Steckdose und erhitzte sein Essen. Not macht erfinderisch.

Handyakku an Satellitenanlage aufgeladen

Einem Mieter war aufgefallen, dass irgendetwas unter dem Dach nicht stimmte. Als er sah, dass an der Satellitenanlage auch noch ein Handy aufgeladen wurde, flog der Stromklau des 24-Jährigen schnell auf. Vor Gericht zeigte er sich reumütig: „Ich hab’s gemacht, weil ich was essen musste. Ich hatte keinen Strom, sonst hätte ich das nicht gemacht.“

Das Delikt, für das er sich verantworten muss, nennt sich „Entziehung elektrischer Energie“ und kann als Höchstmaß bis zu fünf Jahre Haft oder Geldstrafe bedeuten. Ein Stück Rechtsgeschichte steckt in der Straftat. Als nämlich Ende des 19. Jahrhunderts der Strom in die Städte kam, zapften prompt böse Bürger fremde Leitungen an. Als Diebe wurden sie verurteilt, doch davon hielt das Reichsgericht nichts. Denn Diebstahl sei die Wegnahme „einer fremden beweglichen Sache“ und Strom sei mangels „Körperlichkeit“ eben keine Sache. So entstand 1900 der neue Strafparagraf „Entziehung elektrischer Energie“.

Keine Anträge gestellt

Überlegungen, die den Angeklagten nicht plagen. Unter Betreuung steht er, weil der gelernte Koch ohne Abschluss sein Leben nicht in den Griff bekommt. So bekam er wohl auch keinen Strom mehr, weil er es versäumte, Hilfe zu beantragen. Richter Dodegge will ihm jetzt ein Gesamtpaket schnüren und verbindet den Stromklau mit einer neuen Körperverletzung, Termin Mitte Februar. Auch da scheint der Angeklagte geständig zu sein: „Ach der! Den ich aus meiner Bude getreten habe!“