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Essen spart – und die Essener sagen, wo das geht

Essen spart – und die Essener sagen, wo das geht

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Essen. 

Die mit drei Milliarden Euro verschuldete Stadt Essen muss sparen – und die Essener haben ihrer Stadt Vorschläge gemacht, an welcher Stelle das geschehen könnte. Jetzt prüft die Verwaltung die eingereichten Ideen.

Bisher hatte es eine solche Aktion der Stadt Essen nicht gegeben: Drei Wochen lang konnten sich die Essener im Mai 2010 mit eigenen Sparvorschlägen an der Debatte über Einschnitte und Kürzungen für alle Einwohner beteiligen.

Die mit drei Milliarden Euro verschuldete Stadt wollte so auch die Akzeptanz fürs 110 Millionen Euro umfassende Sparpaket sorgen – und neue Vorschläge für mehr Effizienz bei Verwendung der Steuereinnahmen erhalten. 3700 Bürger machten im Internet unter der Adresse www.essen-kriegt-die-kurve.de mit.

Jeder einzelne Vorschlag bewertet

„Da sind Ideen dabei, auf die wir nicht gekommen wären und die sehr prüfenswert sind“, sagte damals Kämmereileiter Rüdiger Kersten. Kämmerer Lars Martin Klieve versicherte, dass kein Sparvorschlag unberücksichtigt bleiben wird. Insgesamt 250 echte eigene Spar-Ideen wurden von den Bürgern vorgetragen.

Jetzt hat die Stadt auf fast 300 Seiten tatsächlich jeden einzelnen Vorschlag bewertet und kommentiert. Dabei wurden nur drei Ideen als sofort umsetzbar eingestuft, bei weitern 58 Ideen ist eine nähere Prüfung notwendig, 92 Ideen sind aus rechtlichen oder praktikablen Gründen nicht umsetzbar, 84 vorgebrachte Ideen werden in der Stadt schon umgesetzt. Wir dokumentieren Beispiele in Auszügen.

Energiekosten

Idee: Für die teilweise hohen Energiekosten von bedürftigen Haushalten (insgesamt 49 000) sollten Grenzen eingeführt werden.
Meinung der Verwaltung:
Während Stromkosten mit den Hartz-IV-Sätzen abgegolten sind, muss die Stadt die Kosten für die Heizung in tatsächlicher Höhe erbringen – soweit sie angemessen sind. Hier „besteht sicherlich ein Einsparpotenzial“. Vorgeschlagen wird, den seit 2009 bestehenden Einsparservice mit Besuchen von Energieberatern verpflichtend für alle Hilfeempfänger zu machen. Zudem wird überlegt, ob bei der Beurteilung, ob eine Wohnung als angemessen eingestuft wird, künftig nicht nur die Netto-Kaltmieten, sondern auch die Nebenkosten und vor allem die Heizkosten betrachtet werden.

Büchereien

Idee: Alle Stadtteilbibliotheken schließen. Es ist jedem Essener zuzumuten, die maximal 30 Minuten bis in die Zentralbibliothek in der Innenstadt zurückzulegen. Millionen Deutsche in ländlichen Gebieten kriegen das auch hin.
Meinung der Verwaltung: Es gibt in Deutschland keine Stadt dieser Größenordnung, die ohne Stadtteilbibliotheken auskommen könnte. Denn Bibliotheken müssen für alle Bürger leicht erreichbar sein, vor allem für Schüler. Die oft geäußerte Idee, die Medien postalisch zustellen zu lassen, ist eine recht interessante. Allerdings erscheint dies im ersten Moment angesichts von in Essen ausgeliehenen 1,847 Millionen Medien pro Jahr wenig wirtschaftlich, wenn diese versandt und zurückgesendet werden müssen.

Intendanten

Idee: Die Theater und Philharmonie TUP hat drei Intendanten, einen Ballettdirektor und einen Geschäftsführer. Alles rekommunalisieren. Ein Amtsleiter genügt.
Meinung der Verwaltung: Dass die Überführung der Aufgaben in eine Behördenstruktur einen effizienteren Betrieb unter Wahrung von Vielfalt und Qualität erreichen kann, widerspricht bisherigen Erfahrungen.

Kartenpreise

Idee: Kultur ist wichtig, aber warum werden die Preise für Theater, Oper und Philharmonie nicht an die Kartenpreise für Musicaltheater angepasst.
Meinung der Verwaltung: Die Theater und Philharmonie hat die Kartenpreise für die Saison 2009/10 bereits um 5 bis 20 Prozent angepasst. Für die nächste Spielzeit sind Erhöhungen von 7,5 Prozent beschlossen. Die Philharmonie geht anders vor – nach dem Motto: Besser einen Platz günstig als gar nicht verkaufen.

Straßen-Begleitgrün

Idee: Den Pflegestandard beim Straßenbegleitgrün und den Außenanlagen an Schulen reduzieren.
Meinung der Verwaltung: Die Kosten der Pflege des Straßenbegleitgrüns wurden in den vergangenen zehn Jahren bereits um 50 Prozent gesenkt – bei einem deutlich verbesserten Erscheinungsbild. Im Vergleich mit 23 Großstädten ist Grün und Gruga bezogen auf die Kosten je Hektar die Günstigste. Weitere Einsparungen sind kaum möglich.

Bücher

Idee: Die Bibliotheken können ruhig auch mal gebrauchte Bücher anschaffen und ausleihen. Viele Bürger würden ihre Bücher günstig an die Stadtbüchereien abtreten.
Meinung der Verwaltung: Bei dem Medienerwerb für die Büchereien kommt es vor allem auf Aktualität an, also Neuerscheinungen, die stark nachgefragt werden.

Schul-Mobiliar

Idee: Kaputte Tische und Stühle könnten von den Schülern der handwerklichen Schulen repariert werden.
Meinung der Verwaltung: Das Schulmobiliar wird von der Stadtschreinerei instand gesetzt. Ein Einsatz von Berufsschülern, etwa Schreiner-Azubis, wäre rechtlich nicht zulässig, da es sich in der Regel um Minderjährige handelt. Zudem würde ein hoher Betreuungsaufwand entstehen, um die fachliche Ausführung sicher zu stellen.

Rat der Stadt

Idee: Der Rat der Stadt Essen von heute 82 Mitgliedern soll um zehn Sitze verkleinert werden. Schrumpfen soll auch die Zahl der Bezirksvertretungen von heute neun mit insgesamt 171 Bezirksvertretern auf fünf.
Meinung der Verwaltung: Der Zahl der Ratsleute könnte um höchstens sechs Mitglieder sinken. Damit würden 40 000 Euro gespart. Die Zahl der Bezirksvertretungen soll laut Landesgesetz zwischen drei und zehn liegen. Pro wegfallender Bezirksvertretung spart die Stadt 60 000 Euro jährlich an Aufwandsentschädigung.

Spenden

Idee: Wir geben Spenden in alle Welt, warum spenden wir nicht auch für unsere Stadt. Das Geld könnte zur Entschuldung eingesetzt werden.
Meinung der Verwaltung: Die Finanzierung von kommunalen Daueraufgaben kann nicht von Spenden abhängen.

Ausleih-Gebühren

Idee: Wer Bestseller oder Neuerscheinungen lesen will, wird auch bereit sein, für diese ein Euro pro Ausleihe zu zahlen – bei einer festen nicht verlängerbaren Ausleihfrist.
Meinung der Verwaltung: Das ist ein bedenkenswerter Vorschlag. Es gibt derzeit sieben Großstadt-Bibliotheken in NRW, die eine solche Zusatzgebühr für Bestseller in Höhe von zwei Euro oder mehr nehmen. Allerdings kommen dann zunächst diejenigen an Bestseller heran, die ein wenig mehr Geld in der Tasche haben. Das schränkt aus Sicht der Bibliothek den freien Zugang zu Medien und Informationen leicht ein.

Bürgerämter

Idee: Bis auf Borbeck, Steele und Gildehof sollten alle Bürgerämter in den Stadtteilen geschlossen werden. Grund: Die Dienste (Personalausweis, Ummeldung der Wohnung) werden vom Bürger zu selten benutzt. Dafür kann man ruhig einen längeren Weg von bis zu zehn Kilometern in Kauf nehmen.
Meinung der Verwaltung:
Der Sparvorschlag wird ausdrücklich befürwortet. Die kleinen Bürgerämter Kupferdreh, Kettwig und Stoppenweg sollten geschlossen werden – das spart Personal, Miete und technische Ausstattung in Höhe von 430 000 Euro. Allerdings: Durch die Konzentration auf weniger Standorte muss mit längeren Wartezeiten gerechnet werden.

RWE-Aktien

Idee: Die Anteile der Stadt Essen an den Energiekonzern RWE verkaufen.
Meinung der Verwaltung: Die Stadt Essen hat in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2008 im Anlagevermögen 11.745.00 RWE-Stammaktien mit einem Wert von 892 Millionen Euro verbucht. Der Verkauf dieser Aktien kommt zur Zeit nicht in Frage, da die ersparten Kreditzinsen unter den Dividenden liegen. Die jährliche Dividende bringt rund 41,1 Millionen Euro (3,50 Euro je Aktie).

Grundschulen

Idee: Die Zahl von derzeit 90 Grundschulen muss angesichts der sinkenden Kinderzahl deutlich stärker als bisher geplant reduziert werden. Dann kann man auch an jedem Schul-Standort einen Hausmeister und eine Sekretärin bezahlen.
Meinung der Verwaltung: Gerade bei der Planung der Grundschulen ist zu berücksichtigen, dass für die Kleinsten zumutbare Schulwege erhalten bleiben. Die Schulen müssen möglichst fußläufig erreichbar bleiben.

Fahrradsteuer

Idee: Fahrradsteuer pro Rad und Jahr einführen.
Meinung der Verwaltung: Die Einführung einer solchen Aufwandssteuer ist der Stadt nicht möglich, da nur der private Konsum besteuert werden darf, der über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht. Das ist bei Rädern nicht der Fall.

Ampeln

Idee: Es könnten mehr Ampeln nachts ausgeschaltet werden.
Meinung der Verwaltung: In Essen werden seit Jahren zahlreiche Ampeln nachts planmäßig abgeschaltet – derzeit 44 Prozent. Man kann nicht noch mehr Ampeln abschalten, da die Ampeln an großen Knotenpunkten aus Sicherheitsgründen auch nachts betrieben werden müssen.

Knöllchen

Idee: Mehr Knöllchen für Hundebesitzer, wenn diese den Leinenzwang nicht befolgen oder den Kot ihres Tieres nicht entfernen.
Meinung der Verwaltung: Würde man die Kontrollen erhöhen, würde dies voraussichtlich dazu führen, dass sich einige Hundehalter öfter ordnungsgemäß verhalten. Die Ahndung der Vergehen fordert aber gerichtssichere Beweise. Das setzt eine nahezu lückenlose Überwachung voraus. Flächendeckende Kontrollen sind aber ausgeschlossen, weil die Stellen fürs Kontrollpersonal nicht beliebig erweiterbar sind.

Sponsoring

Idee: Mehr Sponsoring für die Spitzenkultur – man sollte Werbegelder über Fernseh-Übertragungen generieren.
Meinung der Verwaltung: Die Förderung der Kultur ist öffentliche Aufgabe und Teil der staatlichen und kommunalen Daseinsvorsorge.

Kooperationen

Idee: Wieso hat jede Stadt im Ruhrgebiet eine eigene Wirtschaftsförderung? Warum nicht ein Wirtschaftsförderer zumindest für Essen, Mülheim und Oberhausen?
Meinung der Verwaltung: Es bestehen bereits viele regionale Kooperationen im Bereich Wirtschaftsförderung. Ob eine vollständige Fusion sich inhaltlich mit den Interessen der Stadt Essen und der Essener Wirtschaft vereinbaren lässt, ist fraglich. Ein Einspareffekt ohne inhaltliche Abstriche ist nicht gegeben.

Gehälter

Idee: Die hohen Vergütungen der Geschäftsführer der städtischen Beteiligungsgesellschaften kürzen – um bis zu 20 Prozent.
Meinung der Verwaltung: Dem Rat wird eine Überprüfung der Gehalts- und Prämienstrukturen der Leitungsebenen vorgelegt.

Schwimmbäder

Idee: Schwarze Kunststoffrohre auf die Flachdächer der städtischen Bäder verlegen und das Wasser für die Becken zur Vorerwärmung durch die Rohre leiten. So würden die Kosten für die normale Erhitzung des Schwimmbad-Wassers deutlich reduziert.
Meinung der Verwaltung: Eine Beheizung von Außenbecken in Frei- und Kombibädern mit Solarthermie ist positiv zu bewerten. Mittelfristig lassen sich Energiekosten von 25 000 Euro pro Jahr für ein 50-Meter-Becken sparen. Die Investitionskosten von rund 75 000 Euro pro 1000 Quadratmeter würden sich schon in vier Jahren amortisieren. Allerdings müssten zuvor die Flachdächer der Bäder saniert werden. Dafür sind Kosten von 85 000 Euro anzusetzen. Die damit rund 160 000 Euro Gesamtinvestitionen sind von den Sport- und Bäderbetrieben nicht zu finanzieren.

Parkplätze

Idee: Im Rathaus befindet sich im 4. Untergeschoss eine Parketage, die privilegierte Nutzer der Verwaltung kostenlos ohne Parkgebühr benutzen dürfen. Man sollte prüfen, ob eine monatliche Parkplatzmiete von 25 Euro erhoben wird.
Meinung der Verwaltung: Die Idee wird geprüft – ebenso wie Gebühren für Lehrer für ihre Parkplätze an Schulen. Doch einen kostenlosen Stellplatz erhalten nur die Mitarbeiter, die ihr privates Auto für die Stadt einsetzen. Die für Dienstfahrten gezahlte Vergütung ist schon jetzt nicht auskömmlich. Bei zusätzlichen Parkgebühren ist damit zu rechnen, dass die Bereitschaft der Mitarbeiter zum Einsatz ihres privaten Kfz für dienstliche Fahrten sinkt.

Kreisverkehr

Idee: Teure Ampelanlagen einsparen, in dem man dafür Zebrastreifen errichtet. Auch sparen Kreisverkehre statt Kreuzungen Geld.
Meinung der Verwaltung: Ein Zebrastreifen darf aus Sicherheit für die Fußgänger nur auf Straßen eingerichtet werden, die wenig befahren werden. Zebrastreifen sind zudem in der Einrichtung zwar preiswerter als eine Ampel, aber der Unterhalt ist oft teurer. Für Zebrastreifen ist eine spezielle Beleuchtung erforderlich, damit Fußgänger im Dunkeln erkannt werden können. Im Vergleich zum Kreisverkehr seien Kreuzungen mit Ampeln für Kinder, Alte und Behinderte leichter zu überqueren.

Schiffe

Idee: Die verlustreiche „Weiße Flotte“ auf dem Baldeneysee einstellen, weil es nicht zur Daseinsvorsorge einer Kommune gehört, Schiffe auf dem Baldeneysee fahren zu lassen.
Meinung der Verwaltung: Das Befahrungsrecht des Baldeneysees ist ausschließlich auf die Stadt Essen übertragen worden. Eine weitere Prüfung ist aber sinnvoll.

Sitzungsgelder

Idee: Die Sitzungsgelder von Aufsichtsratsmitgliedern der städtischen Tochtergesellschaften sollen reduziert werden.
Meinung der Verwaltung: Dies ist möglich, dafür müsste aber ein neuer politischer Beschluss im Rat gefällt werden. Derzeit liegt die Höhe der Vergütung bei 1000 Euro pro Jahr plus 100 Euro pro Sitzung.