Veröffentlicht inDuisburg

Duisburg ist ein Schmelztiegel der Zugezogenen

Duisburg ist ein Schmelztiegel der Zugezogenen

Duisburg ist eine Stadt der Zugezogenen. Nur 47,6 Prozent der Menschen, die hier leben, haben in ihrem Pass auch „Duisburg“ als Geburtsort stehen. Alle anderen sind im Laufe der Jahre aus anderen Städten oder anderen Ländern hergezogen. Eine Statistik zeigt nun erstmals, wo die Duisburger herkommen – von Dinslaken bis Dobrich (Bulgarien). Derzeit leben 494 445 Menschen hier.

Das ist eine kleine Sensation, denn lange Zeit galt Duisburg als schrumpfende Stadt – und Experten gehen auch weiterhin davon aus, dass es künftig eher weniger Duisburger werden. Das liegt daran, dass es nach wie vor mehr Sterbefälle als Geburten gibt. Im Jahr 2014 standen 4494 Geburten 6307 Sterbefällen gegenüber. 38 874 Menschen zogen nach Duisburg, 33 232 hingegen kehrten Duisburg den Rücken. 40 181 Personen wechselten innerhalb der Stadt ihren Wohnsitz.

Stadt wächst dank Zuwanderung

Der „Boom“ in Duisburg hat andere Gründe als in den wachsenden Städten wie Hamburg, Berlin oder Köln – und stellt Duisburg seitdem vor soziale Herausforderungen. Es sind vor allem die Zugewanderten aus Rumänien und Bulgarien, die die Stadt wachsen lassen. 2010 wohnten noch 488 000 Einwohner in Duisburg, 2011 zählte Duisburg 486 000 Personen, dann folgte die Trendwende und mehr Menschen, etwa aus Südosteuropa, siedelten sich an.

Da auch Flüchtlinge zu den Einwohnern gerechnet werden, steigt die Bevölkerungszahl nochmals. Aktuell leben 5400 Flüchtlinge in Duisburg. Die Zuwanderung dreht die „natürliche“ Bevölkerungsentwicklung. Laut den letzten Duisburger Monatszahlen vom Dezember 2015 ist die deutsche Bevölkerung innerhalb eines Jahres um fast 3000 Einwohner geschrumpft, während sich die Zahl derer mit nicht-deutschem Pass um rund 6400 erhöht hat.

Ad-hoc werden deshalb neue Schul- und Kindergartenplätze gebraucht, ebenso Wohnungen. Eine Prognose zur weiteren Entwicklung ist indes schwer zu treffen: Fraglich ist, wer von den Flüchtlingen bleibt und wie sich die Entscheidungen auf Bundesebene weiter auf die Zuweisungen auswirken wird.

Überhaupt stehen die Vorhersagen auf wackeligen Beinen. Im Jahr 2010, als weder die Wanderungen aus Südosteuropa noch aus den Krisengebieten der Welt zu erahnen waren, errechneten Statistiker, dass Duisburg im Jahr 2027 nur noch rund 446 500 Einwohner haben wird. Davon ist die Stadt jetzt weiter entfernt als je zuvor.

Die Top 100 der Herkunftsstädte ist aber auch ein Spiegelbild der historischen Zuwandererwellen, die in Duisburg und im Ruhrgebiet immer wieder gegeben hat. Auf Platz 24 befindet sich beispielsweise Istanbul. In der türkischen Metropole starteten in den 60er Jahren viele Sonderzüge mit Arbeitern nach Deutschland. Mit Bayburt (Platz 27) und Erzincan (Platz 29) sind weitere türkische Städte in den Top 30.

In den 60er Jahren machten sich die großen Stahlfirmen weltweit auf die Suche nach neuen Arbeitskräften. 1961 wurde das Anwerbeabkommen mit der Türkei geschlossen. „Die großen Betriebe im Ruhrgebiet konnten es sich leisten, in die Türkei zu fahren, und vor Ort nach neuen Mitarbeitern Ausschau zu halten“, erklärt Werner Pöhling vom Kultur- und Stadthistorischen Museum der Stadt Duisburg. Die Menschen kamen, so wie heute, mit der Hoffnung auf Wohlstand und ein neues Leben. Die Wanderungsbewegungen der polnischen Arbeiter gehen indes bis ins Jahr 1880 zurück. Auch zu Zeiten des Wirtschaftswunders kamen viele Polen ins Ruhrgebiet, weiß Pöhling. Vertriebene kehrten zudem zurück.

Dafür, dass das ehemalige Königsberg und heutige Kaliningrad auf Platz 52 steht, hat Pöhling folgende Erklärung: „Das hat etwas mit der Arbeit des Museums Haus Königsberg in unserer Stadt zu tun. Hier wurde die Adressliste der ehemaligen Königsberger herausgegeben. Viele kamen nach Duisburg, weil sie hier schon einen Anknüpfungspunkt hatten.“

Interessant für Nachbarn

Das gilt auch für die Rumänen und Bulgaren, die hier wohnen. Insgesamt leben derzeit 7356 rumänische Staatsangehörige und 7434 Personen mit bulgarischem Pass (Stand 1.Februar 2016) in Duisburg. Macht zusammen 14 790 – das sind 422 mehr als noch im Januar. Zum Vergleich: Im Oktober waren es 13 321 Personen. Laut Geburtsort-Statistik stammen 1127 Neu-Duisburger aus Schumen in Bulgarien. Das reicht für Platz 15 unter den Top-100-Herkunftsorten. Plovdiv, ebenfalls Bulgarien, belegt Rang 21. 985 Menschen stammen aus Bukarest in Rumänien (Platz 19). In Hochfeld und Marxloh haben sich beispielsweise bulgarische Familienclans angesiedelt. Das führt dazu, dass die EU-Bürger, die neu nach Deutschland kommen, sich auch oft in diesen Stadtteilen ansiedeln.

Derweil versucht die Stadt, auch mit ihrer Wohnungsbau-Politik neue Duisburger zu gewinnen. Vor allem der Bereich des Duisburger Südens ist für alle interessant, die sich eigentlich in Düsseldorf nach einer Wohnung oder einem Haus umschauen wollten – und dann merken, dass dies ihr Budget übersteigt. Wohl auch deshalb leben 5742 gebürtige Düsseldorfer in Duisburg. Sie belegen Platz vier. Die meisten Zugezogenen kommen übrigens aus Dinslaken, nämlich 15 875, gefolgt von 14 168 Moersern und 10 472 Oberhausenern. Stadtentwickler Arne Lorz, zuständig für das Projekt „Duisburg 2027“, erklärt: „Duisburg hat ein Image-Problem, aber das schlechte Image ist nicht verdient. Es wird von den meisten nicht gesehen, dass es hier wunderbare Wohnlagen mit Zugängen zur Natur gibt, die Seen und Auenlandschaften nicht zu vergessen. Gleichzeitig gibt es eine gute Infrastruktur. Aber: Berlin hat es leichter, weil es boomt.“