Veröffentlicht inWirtschaft

Der Vater der lächelnden Playmobil-Männchen ist tot

Der Vater der lächelnden Playmobil-Männchen ist tot

Horst Brandstätter holte 1974 die „Playmobil“-Figuren aus der Mottenkiste seines Unternehmens und die Firma damit aus der Krise. Nun ist er gestorben.

Zirndorf. 

Wenn sie könnten, würden die rund 2,8 Milliarden Playmobil-Männchen bei dieser Nachricht ihre Mundwinkel hängen lassen. Denn ihr Vater ist gestorben – gewissermaßen. Horst Brandstätter, der Männchenmacher aus dem fränkischen Zirndorf, wäre Ende des Monats 82 geworden – und damit genau doppelt so alt wie die Bauarbeiter, Astronauten, Piraten, Cowboys und Indianer, die 1974 auf der Nürnberger Spielwarenmesse das Licht der Warenwelt erblickten.

Geboren wurden die 7,5 Zentimeter großen Figuren aus der Not heraus: Die Ölkrise machte dem Familienunternehmen „Geobra“ (für Georg Brandstätter, seinem Onkel) zu schaffen: Kunststoff wurde zu teuer, um vor allem mit Hula-Hoop-Reifen und diversen anderen Kunststoffprodukten „Made in Germany“ noch Geld zu verdienen,

Schon 1971 hatte sein Mitarbeiter Hans Beck die kleinen Männchen erfunden, aber erst jetzt, in der Krise, holte Brandstätter sie hervor und ein niederländischer Großhändler war bereit, die ersten drei Sets auf den Markt zu bringen: Bauarbeiter (die anfänglich sogar noch mit einer Kiste Bier auf den Markt kamen), Cowboys und Indianer sowie die Ritter eroberten von da an die Kinderzimmer in Deutschland und Europa, später der ganzen Welt, 1976 kamen Frauen in die Playmobil-Welt, 1981 auch Kinder.

600 Millionen Jahresumsatz mit Playmobil-Figuren

Mittlerweile gibt es Playmobil-Spielwelten vom rosafarbenen Prinzessinnenhaus über die Steinzeitfamilie bis ins Weltall. Und zwei Generationen, die mit den steifbeinigen Männchen groß geworden sind.

„Seine Idee hat den Spielwarenmarkt revolutioniert und Kindern auf der ganzen Welt ein Lächeln ins Gesicht gezaubert“, steht auf der Internetseite des Unternehmens, das heute rund 600 Millionen Euro Jahresumsatz macht und fast 4200 Mitarbeiter zählt. Rund die Hälfte davon arbeitet immer noch in der fränkischen Heimat. Daneben gibt es Produktionsstätten in Malta, Tschechien und Spanien. Den Weg in asiatische Billiglohnländer hat Horst Brandstätter, der mit sieben Jahren seinen Vater verlor, bewusst vermieden.

Keine Spielfigur-Soldaten – oder?

Genauso wie den Börsengang: Unabhängig und bodenständig sollte die fränkische Firma bleiben – auch nach seinem Ableben. Das Unternehmen, so hat er es verfügt, wird in eine Stiftung überführt. Bereits zu Lebzeiten hatte Brandstätter die Stiftung „Kinderförderung von Playmobil“ gegründet, sein Vermögen wird auf rund 1,2 Milliarden Euro geschätzt.

Keine aktuellen Krisen und Konflikte darstellen, keine Soldaten – das war eine der Leitlinien, die allerdings durchaus beweglich betrachtet werden muss. Die Wildwest-Figuren waren früh mit Pistolen und Gewehren ausgestattet, die Piraten ebenfalls, dennoch sollten die Figuren, die gewissermaßen die moderne Variante des Zinnsoldaten sind, mit ihren Klauenhänden konstruktiv die Fantasie von Kindern beflügeln.

Playmobil-Schöpfer war ein leidenschaftlicher Golfspieler

Und das gelang nicht nur bei Kindern: Legendär sind die Sagen und Opern, die Harald Schmidt mit den Figuren in seiner Show nachstellen ließ. Das Bistum Essen beispielsweise hat die Geschichte um die Arche Noah und den Heiligen Martin als Filme mit Playmobil-Figuren nachgestellt und erst in diesem Frühjahr stellte ein Playmobil-Martin-Luther neue Verkaufsrekorde für die Plastikmännchen auf.

Vermutlich hat er, wie die meisten der jährlich rund hundert Millionen Neubürger der Playmobil-Welt, das Licht der Welt auf Malta erblickt, die lange Jahre meist nur über ihren Beruf definiert wurden, ehe Märchenfiguren und Elfen hinzukamen, es gibt mittlerweile Museen und Freizeitparks, die die Produktwelt der Figuren erweitern.

Bis zu seinem Tod am 3. Juni, den die Firma aber erst nach einer viertägigen Produktionspause über das lange Wochenende hinweg bekannt gab, war Horst Brandstätter noch in seinem Büro am Firmensitz präsent, wo ihm ein mannshoher Playmobil-Indianer über die Schulter blickte und darüber wachte, dass er die selbstgesetzten Leitlinien der weitgehend friedlichen Playmobilwelt einhielt. Im Winter allerdings war er nicht in seinem Büro anzutreffen: Er überwinterte seit zwei Jahrzehnten auf einer Insel vor Florida. Um zu spielen. Allerdings nicht mit Playmobil-Männchen. Spielzeug-Hersteller Brandstätter war leidenschaftlicher Golfer. Auch die gibt es selbstverständlich als ewig lächelnde Figuren.