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Ruf nach „Die Rechte“-Verbot wird nach Fackelzug lauter

Ruf nach „Die Rechte“-Verbot wird nach Fackelzug lauter

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Foto: dpa
NRW-Landtag erkennt die Brisanz des Neonazi-Problems in Dortmund und ruft nach harten Maßnahmen. „Der Rechtsstaat wird vorgeführt“, so die Opposition.

Düsseldorf/Dortmund. 

Nach dem Fackelaufzug von Dortmunder Rechtsextremisten vor einem Asylbewerberheim am vergangenen Wochenende werden die Forderungen nach einem Verbot der Partei „Die Rechte“ lauter. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte am Montag, ein Verbot dieser Partei werde verfassungsrechtlich genau geprüft. Die Mitglieder seien „in hohem Maße personenidentisch“ mit der verbotenen Neonazi-Kameradschaft „Nationaler Widerstand Dortmund“.

Die Westfalenmetropole entwickelt sich nach Einschätzung des Ministers zum „Hot Spot der Rechtsextremen in Westdeutschland“. Es verfestigten sich Strukturen einer aggressiven Szene, die den Rechtsstaat herausfordere.

Grünen-Fraktionsvize Daniela Schneckenburger forderte Minister Jäger zu einem energischeren Vorgehen gegen die Dortmunder Neonazi-Szene auf. „Es ist wichtig, dass Polizei und Justiz mit größerer Härte gegen Rechtsextremisten vorgehen“, sagte sie. „Die Dortmunder Polizei muss so ausgestattet werden, dass sie den Neonazis auf die Springerstiefel steigen kann, wie es der Innenminister einmal angekündigt hat“, forderte die Abgeordnete, die als Schuldezernentin in ihre Heimat Dortmund wechseln will.

„Dramatische Radikalisierung“ der rechten Szene

Das baldige Aus für die Neonazi-Partei forderten am Montag auch Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD), der Düsseldorfer Rechtsextremismus-Forscher Alexander Häusler sowie die Dortmunder SPD-Chefin und Landtagsabgeordnete Nadja Lüders. Lüders sagte: „Wir beobachten in Dortmund eine massive Radikalisierung der Rechtsextremen, ein Verbot der ,Rechten’ wäre sinnvoll. Neu gegründete Parteien stehen aber unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes.

Die Fakten müssen also eindeutig sein, damit ein Verbotsverfahren erfolgreich sein kann.“ Allerdings, so gab die Politikerin zu bedenken, dürften die Neonazis auch nach einem Verbot der Partei weiter in Dortmund aktiv bleiben.

Fackelmarsch vor Asylbewerberheim

Nach den jüngsten Provokationen von Rechtsextremen in Dortmund wird der Ruf nach einem harten Vorgehen gegen diese Szene immer lauter. Innenminister Ralf Jäger (SPD) räumt eine dramatische Radikalisierung in der zweitgrößten Stadt des Landes ein: Dortmund entwickele sich zum „Hot Spot der Rechtsextremen in Westdeutschland“.

Am Freitag war eine Gruppe von Vermummten mit Fackeln vor einem Asylbewerberheim aufmarschiert. Wenige Tage zuvor waren falsche Todesanzeigen von Journalisten im Internet verbreitet worden. 2014 sorgte die Frage eines Ratsmitgliedes von „Die Rechte“ nach der Zahl der Juden in der Stadt für Entsetzen. Dass Rechtsextreme fast wöchentlich in Dortmund Menschen einschüchtern, wird im Landtag mit Besorgnis registriert.

Innenminister Jäger sieht auch die Zivilgesellschaft in der Pflicht

Die Opposition warf dem Innenminister vor, außer markiger Rhetorik („Neonazis auf die Springerstiefel steigen“) bislang wenig gegen die braunen Tendenzen in Dortmund unternommen zu haben. „Unser Rechtsstaat darf nicht weiter vorgeführt werden: Wir erwarten, dass Jäger endlich entschlossen und wirkungsvoll gegen die rechte Szene in unserem Land vorgeht“, sagte der CDU-Innenexperte Theo Kruse.

Jäger warnte indes davor, die Mittel der Sicherheitsbehörden zu überschätzen. Polizei und Verfassungsschutz nähmen die Szene zwar „weiter unter Druck“, doch parallel müssten die Anstrengungen der Zivilgesellschaft in Dortmund erhöht werden. In Problemstadtteilen mit einer Grundstimmung des Abgehängtseins müsse den Rechten durch städtebauliche Maßnahmen und Angeboten der Sozialarbeit der Nährboden entzogen werden: „Wir müssen versuchen, denen gemeinsam das Wasser abzugraben.“

Forscher: Nirgendwo spitzt sich die Lage so sehr zu wie in Dortmund

Grünen-Fraktionsvize Daniela Schneckenburger konterte diesen Appell des Ministers: „Seit mehr als zehn Jahren engagieren sich in Dortmund viele Menschen gegen die Rechten. Ich kann keine Versäumnisse der Zivilgesellschaft erkennen.“ Schneckenburger und andere Beobachter der rechten Szene in Dortmund rufen nach einem Verbot der Partei „Die Rechte“.

Der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) kündigte nach der Neonazi-Aggression vor der Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Eving eine detaillierte Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen in den Flüchtlingsunterkünften an. „Der braune Pöbel hat sich einmal mehr demaskiert. Wie unter dem nationalsozialistischen Terrorregime in den 1930-er und 1940-er Jahren geht es den Nazis auch heute darum, Menschen zu bedrohen, zu verängstigen und einzuschüchtern. Die Schwächsten zur Zielscheibe zu machen, die aus großer Not zu uns kommen und hier Hilfe, Ruhe und Frieden suchen, ist widerwärtig und verachtenswert“, sagte Sierau.

Rechtsextremisten seien in Dortmund „gesellschaftlich nicht anschlussfähig.“ Am morgigen Dienstag werde sich der Verwaltungsvorstand mit der Sicherheit in den Flüchtlingsunterkünften beschäftigen. Betreiber und Sicherheitsunternehmen in allen Flüchtlingseinrichtungen seien zu „erhöhter Wachsamkeit“ aufgerufen. Das Vorgehen der Polizei gegen die Rechtsextremisten hält Sierau für angemessen: „Durch ihr schnelles Eingreifen mit großer Personalstärke konnten noch 13 Verhaftungen vorgenommen werden. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich.“ Der Vorfall zeige, dass ein Verbot der Partei ‚Die Rechte‘ dringlicher sei denn je.

Alexander Häusler, Rechtsextremismus-Forscher aus Düsseldorf, sagte: „Es mehren sich die Anzeichen, dass ein solches Verbot erforderlich ist. Das Verfahren dürfte gute Aussichten auf Erfolg haben. Denn ,Die Rechte’ ist nur ein parteipolitisches Dach für die Rechtsextremen. Sie dient der Forführung des verbotenen ,Nationalen Widerstands Dortmund’. Es handelt sich um dieselbe gewaltbereite Neonazi-Szene.“Laut Häusler gibt es ähnliche rechtsextreme Strukturen in Hamm, Wuppertal und Aachen. „Aber nirgendwo kulminiert die rechte Gewalt so sehr wie in Dortmund.“

Katharina Kostusiak von der Beratungsstelle „Back up“ für Opfer rechter Gewalt, äußerte Zweifel daran, ob ein Verbot der Partei etwas an den Zuständen ändern würde. „Die rechte Szene dürfte sich danach wieder neu finden.“ Kostusiak sagte, es sei „schockierend, dass die rechte Gewalt inzwischen ein Dauerzustand in Dortmund ist.“

Grünen-Politikerin warnt vor den neuen Rechtspopulisten im Land

Die Grünen-Innenpolitikerin Verena Schäffer betonte die Bedeutung von Präventionsarbeit: „Derzeit nehmen wir wieder wachsende Ressentiments gegen Flüchtlinge in der Gesellschaft wahr, die unter anderem durch rechtspopulistische Stimmungsmache von Pegida und AfD genährt werden.“ Für viele rechtsextreme Aktionen sei das eine gefundene Legitimation. „Deshalb brauchen wir das klare Bekenntnis unserer Gesellschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen“, so Schäffer. Zugleich bleibe das Verbot der Neonazi-Kameradschaft ebenso richtig wie der erhöhte Druck der Polizei durch eine Sonderkommission.