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Ganz Dortmund feiert friedlich mit dem BVB das Double

Ganz Dortmund feiert friedlich mit dem BVB das Double

So schwarz-gelb war Dortmund noch nie: Schon Stunden vor Anpfiff tummelten sich Tausende BVB-Fans in der Stadt – auf dem Friedensplatz und Hansaplatz, in der Westfalenhalle und an vielen anderen Orten. Nach dem Pokalsieg feierten die Anhänger ausgelassen das Double, und zwar überwiegend friedlich: Laut Polizei gab es 35 Strafanzeigen und neun Festnahmen, dazu etwas Ärger wegen Pyrotechnik.

Dortmund. 

So früh so schwarz-gelb – war das sonst auch so? Gefühlt nein… Schon Samstag morgens tummelten sich Hunderte Fans in Schwarz-Gelb in der Stadt. Am Nachmittag waren es dann Tausende. Gegen 19 Uhr waren es Zehntausende. So ausgelassen und wild hat Dortmund seinen BVB lange nicht mehr gefeiert. Ein Autokorso jagte am Abend den nächsten auf dem Wall, von den Hupkonzerten dürften zu Wochenanfang die Ohrenärzte profitieren. Gab ja auch noch nie ein Double…

In der Spitze sollen sich 8.400 Zuschauer am Friedensplatz und 5.500 Personen am Hansaplatz aufgehalten haben. An der Reinoldikirche zählte die Polizei rund 1.000 Zuschauer. Die Fananziehungspunkte Alter Markt und Hoeschpark waren während der Spielzeit deutlich geringer besucht. In den Westfalenhallen verfolgten 12.000 BVB-Fans das Pokalspiel. Den Sieg feierten die Anhänger überwiegend friedlich in der gesamten Innenstadt. Nach Spielende sammelten sich auf dem Alten Markt in der Spitze 2.500 Personen. Auf dem Borsigplatz und dem Wallring bildete sich ein Autokorso. Gegen 23.30 Uhr gab es laut Polizei keine Verkehrsbeeinträchtigungen im Stadtgebiet mehr. Die Feierlichkeiten in der Innenstadt gingen jedoch noch weit über Mitternacht hinaus…

Polizei und Feuerwehr sahen „friedliche Feiern“

Während des Spielverlaufs und der anschließenden Feierlichkeiten wurde wiederholt Pyrotechnik gezündet. Es konnten in 24 Fällen Tatverdächtige festgestellt werden, gegen die die Polizei ein Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren einleitete. Bis 1 Uhr wurden insgesamt 35 Strafanzeigen unter anderem wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz, Beleidigung und Körperverletzung angefertigt, teilte die Behörde mit. Es wurden zudem insgesamt 38 Platzverweise ausgesprochen und neun Personen in Gewahrsam genommen.

Mit insgesamt neun Brandeinsätzen und 96 Rettungsdiensteinsätzen war laut städtischer Mitteilung nur ein leicht erhöhtes Einsatzaufkommen für die Feuerwehr gegenüber „ganz normalen“ Samstagen in der City zu verzeichnen. Das DRK verzeichnete 69 Versorgungen und 20 Transporte in der Innenstadt, wobei es keine Behandlungen aufgrund von Pyrotechnik gab.

Partybeginn schon am Nachmittag

Der Friedensplatz bot sogar schon gegen 17.30 Uhr ein flächig schwarz-gelbes Bild. Auf dem Hansaplatz warteten da auch schon viele auf den Anpfiff, aber wirklich voll wurde es erst eine Stunde später. Das selbe Bild auf den drei anderen Public-Viewing-Plätzen – Westfalenhalle, Hoeschpark, Reinoldikirche. Und in den Kneipen, vor allem im Kreuzviertel, sowieso. Klar, dass auch schon um 18.30 Uhr lautstarke Fangesänge vom Friedensplatz her über die Stadt waberten. Und dazwischen waberte der Polizeihubschrauber hin und her. Nervtötend…

Dortmunds Kioske – nicht umsonst liebevoll Trinkhallen genannt – hatten schon den ganzen Tag über Highlife. Die meisten, geprägt von den Erfahrungen vergangener schwarz-gelber Sausen, müssen ihre Biervorräte auf Paletten vor der Tür lagern. Flaschenbier ist wegen des Glasverbots in der Innenstadt übrigens eher unbeliebt.

Rappelvoll auf Friedensplatz, Hansaplatz und Markt

Der Friedensplatz als traditioneller Ort stilvoller BVB-Feierei war als erstes überlaufen. Eigentlich schon am Nachmittag. Hier wurden auch kurz vor Abpfiff gegen 21.30 Uhr zig Schnapsleichen von den Sanitätern vom Platz getragen (der Rettungsdienst war mit mehr als 80 Kräften in der Stadt unterwegs).

Bereits vor Spielbeginn warfen ein paar Chaoten auf dem Friedensplatz Böller aus der Menge gegen die Leinwand. Auch während des Spiels zünden immer wieder Bengalos und Rauchbomben. Die Warnung aus den Lautsprechern lässt nur kurz auf sich warten: „Lasst den Scheiß oder geht nach Hause!“

Nach der Pokal-Übergabe in Berlin kristallisierten sich der Hansa- und Friedensplatz als Epizentren der Double-Feier-Stimmung heraus. Weit über 500 Fans schlossen sich spontan zu einer riesigen Polonaise zusammen, die tanzende Menschenkette brachte den Hansaplatz zum Beben. Währenddessen wurde die gesamte Palette von BVB-Songs rauf- und runtergespielt. Machte Nobby Dickel in den Lautsprechern mit seinem „Borussia schenk uns die Schale … und den Pokal noch obendrein“ Pause, dröhnte es „Heja BVB“ oder die Major-Tom-Hymne für Erfolgstrainer Jürgen Klopp.

Erst lange nach Abpfiff füllte sich auch der Alte Markt mit ausgelassen feiernden Fans, gegen 22.15 Uhr wurde der Bläserbrunnen gestürmt. Ein „Humba, humba, tätärä“ folgte auf das nächste. Selbst weit nach 23 Uhr tanzten noch tausende Fans Sirtaki auf dem Hansaplatz. Es bahnte sich eine lange und vor allem feucht-fröhliche Nacht an.

Party an der Reinoldikirche

Etwas weniger fußball-lastig ging es bei der Nachbereitung des Public Viewing an der Reinoldikirche zu. Dort dominierten musikalisch eher Party- und Chart-Klassiker. Wobei sich insgesamt ein skurriles Bild darbot: Während auf der Leinwand Ex-Bayern-Torhüter Oliver Kahn mit ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein über das Spiel referierte, ignorierten Borussias Anhänger dies völlig. Analysen? Wer brauchte die schon nach dem ersten Double in der Vereinsgeschichte. Im Journalismus nennt man so etwas eine Text-Bild-Schere. Die Anhänger jubelten allenfalls in Richtung Bildschirm, wenn ihre schwarz-gelben Helden den Pokal mit Siegergetränken füllten und feierten ansonsten ihre eigene Party.

Von der Stimmung in der Stadt war auch die Polizei vor und während des Spiels begeistert. Alles ruhig, nach Spielende standen die Einsatzkräfte überwiegend gelangweilt, mit den Hände in den Taschen, an ihren Fahrzeugen. Mal abgesehen von den üblichen Scherereien — und auch die obligatorischen schwarz-gelben Rauchbomben. Leider waren auch wieder Bengalos im Spiel: Kurz nach Abpfiff zündete eine Hand voll Fans die gefährlich heißen Feuerwehrskörper mitten in der Menge. Ordner mussten einschreiten. Dennoch: Die Menge feierte friedlich, ausgelassen und laut, auch noch lange nach dem Spiel. Die Polizei hatte ein Großaufgebot aufgefahren, aber die Kollegen standen meist mit den Händen in den Taschen am Rand.

Volles Haus in der Westfalenhalle

In der Westfalenhalle ist es wieder so voll wie am vergangenen Wochenende — bei der Übergabe der Meisterschale am letzten Spieltag.12.000 Fans feiern in Halle 1, darunter auch Ex-BVB-Torwart und Dschungelcamp-Teilnehmer Eike Immel. Ab 15 Uhr bildeten sich erste Schlagen vor der Tür. Als dann eine halbe Stunde eher als gedacht gegen 17.30 Uhr geöffnet wurde, strömten gleich 4000 Fans in die Halle, die ab mittags gewartet hatten. Schon gegen 18.45 Uhr machten die Offiziellen den Eingang dicht. Einheizer waren DJ Frank Neuenfels, Kay und „Kasche“ Kartner, der sich auch von Tonproblemen nicht aus der Ruhe bringen ließ und souverän live weitersang sowie Sängerin Dani mit ihrer „Leuchte auf mein Stern Borussia“. Ansonsten lief alles ohne besondere negative Vorfälle.

Nur am Rande: Die Halle ist die traditionsreichste Stätte für Public Viewing: Westfalenhallen-Veranstaltunschef Jochen Meschke erfand hier das Rudelgucken. „Das war damals ein Versuch nach dem Motto: Lass uns das mal probieren!“, erinnert er sich heute. „Unglaublich was daraus geworden ist… Zumal heute aufgrund der sportlichen Brisanz heute nochmal ein ganz anderes Kribbeln bei den Fans zu spüren ist als letzte Woche.“

Urige Kuschel-Stimmung im Hoeschpark

Nicht ganz so voll war es im Hoeschpark, direkt an der Geburtsstätte der Borussia im Dortmunder Norden: Ein paar Hundert BVB-Fans machten es sich ab etwa 18 Uhr auf Bierbänken oder auf den Stehplätzen gemütlich. Hier, unweit der Gründungsstätte der Borussia am Borsigplatz, geht es beim ersten Public-Viewing seit langem gesittet und überschaubar zu — bis zum Führungstreffer von Kagawa: Da brachen auch im Hoeschpark alle Dämme, der Jubel war bis tief in die Nordstadt zu hören.

Autokorso auf dem Wall — Stimmungshits am Hellweg

Wenige Minuten nach dem Abpfiff war auf dem Wall kaum noch ein Durchkommen. Anders als bei der Schalenübergabe vor einer Woche — aber ebenso fröhlich-chaotisch wie beim Meisterschaftsspiel legten zig mit Flaggen und Schals geschmückte Autos den Verkehr lahm. An den Bierständen rund um Hansaplatz, Friedensplatz und Reinoldikirche gab es nach dem 5:2 nur einen Hit: Norbert Dickels „Borussia, schenk uns die Schale und den Pokal noch obendrein“.

Galatasaray! Wer ist der BVB?

Mit jedem Tor explodiert die Stimmung in der Stadt. Gelegenheiten gab’s ja genug. Wie ein Bienenschwarm summt und brummt es über den Dächern. Beeindruckend. Fast wie bei Hitchcock… Sogar vereinzelte Hupkonzerte schallten vom Wall herüber. Eine Vorahnung auf den großen Autokorso nach Abpfiff?

Skurrile Szenen in der Halbzeitpause auch am Borsigplatz: Hunderte Türken feierten unter den Augen der Polizei — die Borussia? Nein! Statt schwarz-gelber Fahnen wehten aus den hupenden Autos rot-gelbe Flaggen und Schals. Galatasaray hat sich die türkische Meisterschaft geholt — just am Tag des DFB-Pokalfinales. Die schwarz-gelbe Deko rund um den Borsigkreisel hängt aber noch. Für die Meisterfeier am Sonntag.

Ganze Stadt Dortmund im Siegestaumel 

Lukrativ wurde der schwarz-gelbe Freudentaumel nicht nur für den Fanartikel-Stand auf dem Friedensplatz, sondern vor, während und nach dem Spiel auch für die Pfandsammler. Aus dem ganzen Ruhrgebiet waren sie nach Dortmund gereist, um die Plastik- und Glas-Hinterlassenschaften der Feiernden abzusahnen. „Ich hab‘ schon locker Flaschen für 100 Euro gesammelt“, präsentierte eine der eifrigen Sammlerinnen stolz ihr säckeweise zusammengetragenes Leergut. Doch Vorsicht: Auch unter Pfandsammlern schläft die Konkurrenz keine Sekunde. Wie ein junger Herr feststellen musste, der seine Flaschensammlung nur zehn Sekunden aus den Augen ließ — und sofort von einem anderen Sammler beklaut wurde.

Wegen des Glasverbots hatten sich einige Fans kleine Fässer mitgebracht und zapfen’s sich selbst. Die Flaschensammler haben trotzdem Hochkonjunktur: An der U-Bahn-Haltestelle Stadtgarten sammeln sie die letzten Glasflaschen ein und auf den Plätzen selbst gibt es Dosen en masse zu ergattern. Dosensammler Daniel aus Eving ist doppelt begeistert, sein Sack ist schon zwei Stunden vor dem Spiel voll. „Seit zehn Jahren mache ich das, aber sowas habe ich noch nicht erlebt.“

Applaus im Kreuzviertel

In den Kneipen des Kreuzviertels wurde spätestens ab der zweiten Halbzeit jeder Ballkontakt der Borussia mit Applaus begleitet. Da hatte sich längst der Unmut gelegt, dass Sky mit Effenberg einen Ex-Bayern als Co-Moderator aufgeboten hatte. Nach dem 3:1 gab es im B-trieb kein Halten mehr: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus…..“. Immer wieder.

Aus der Kneipe Wenkers schallte um kurz nach 17 Uhr „You never walk alone“ – zum gefühlt hundertsten Mal. Und die Fans sangen voller Inbrunst mit. Auf dem Friedensplatz schwanken allerdings schon einige Gestalten – und man fragt sich, wie sie den Anfang des Finales erleben oder gar den Abend mit Anstand zu Ende bringen wollen.

Auto aus Gelsenkirchen abgeschleppt

In der Betenstraße bekam eine Politesse lautstarke Unterstützung von zwei BVB-Fans. Sie riefen „Abschleppen“. Warum: Dort parkte ein Pkw mit Kennzeichen aus Gelsenkirchen.

Schon in der Nacht hatte die EDG die Reste der rauschenden Double-Feier beseitigt. Schon am Sonntagvormittag ließen sich die ersten Fans auf den Bordsteinen nieder. Manche (also Fans) sehen aus, als ob sie zuvor gar nicht zu Hause waren.

Rettungsdienst sammelte ein paar Schnapsleichen auf

Am Friedensplatz hatten die Rettungsdienste ihr Lager aufgeschlagen, wie bei EM oder WM. „Insgesamt sind wir mit 81 Rettungskräften an der Westfalenhalle und in der Stadt“, sagte Michael Asbeck, Sprecher des Roten Kreuzes. Außer ein paar Schnapsleichen bleibt es ruhig.

Der Friedensplatz war schon am Nachmittag gut gefüllt. Das Frauenfinale auf der Leinwand stößt allerdings eher auf wenig Interesse. Am Hansaplatz standen die Fans nachmittags noch etwas verloren ‚rum, als die Leinwand aufgebaut wurde. Es war vorher Markt.

Geschmückte Mülltonnen

Selbst die Mülltonnen sind geschmückt: gelbe Tüten in schwarzen Tonnen. Die Männer der EDG tragen knallgelbe Shirts mit dem Slogan „Meister 2012“. Ein Kehrfahrzeug geht später im Korso beinahe unter.

Mutige Bayern-Fans und Borusse aus Schwaben

Vor der Kneipe Wenkers, am Alten Markt, standen zwei Fans im Bayern-Trikot. „Ich habe die letzten vier Niederlagen der Bayern hier geguckt“, sagte Oliver Steiner vor dem Spiel. Eine weitere sollte folgen. Er wurde trotzdem von allen Borussen-Ahängern willkommen geheißen: „Die haben mir sogar gesagt, dass es geil ist, dass sich auch Bayern-Fans trauen, mit ihnen zu gucken.“ Für ihn sei Bayern sein Herz, Dortmund der Zweitverein.

Marcel Köhler stammt ursprünglich aus Dortmund, lebt aber im Schwäbischen. Am Samstag kehrte er zurück in die Westfalenmetropole und brachte noch einige Freunde mit. „Ich habe da ein ganzes Dorf bekehrt. Das sind jetzt alles Schwarzgelbe.“

Fans am Friedensplatz außer Rand und Band

Nach dem frühen 1:0 durch Kagawa brach am Friedensplatz die Hölle los. „Alter, was geht denn hier ab?“, rief ein junger Mann. Von hinten umarmten ihn gleich sechs Fremde. Ein paar Meter weiter schrie ein Zuschauer die Antwort: „Jubeln! Jubeln! Jubeln!“

Das stille Örtchen wurde zur Partymeile: Auf einer Damentoilette an der Reinoldikirche sang eine Frau, während sie allein auf dem Klo war, lauthals „Wer wird deutscher Meister? BVB Borussia!“. Als die Führung zum 2:1 fiel, hüpften die Männer am Pissoir vor Freude. Abschütteln mal anders.

Sieg in der Champions League kann kommen

Auf dem Hansamarkt und auf dem Hellweg verkaufte Elsa Schäfer große Heliumluftballons in Pokalform – Champions-League-Pokalform. „Die hatten wir noch über von damals“, sagte sie. Die Leute kauften diese, wohl in hoffnungsvoller Erwartung auf die nächste Saison. Elsa Schäfer muss dann neue anschaffen. „Das sind ja Restbestände. Wir haben noch hundert oder so.“ Im letzten Jahr hatte sie sie schon zur Meisterfeier als inoffizielle Titel unter die Leute gebracht. Die Schalen flogen nicht so gut.

Nach dem Spiel startete der Autokorso – überall in der Stadt Hupkonzerte, Fahnen und jubelnde Menschen in Autos. An mehreren Kreuzungen gab es außerdem Sitzblockaden, Dutzende tanzten und sangen danach zu ihrem „Humba Humba“. Auf der Hohen Straße kam, eine halbe Stunde nachdem der Pokal überreicht wurde, eine Flut von Menschen zusammen: Tausende Fans aus der Westfalenhalle marschierten in die Stadt zum Feiern. Die Straßen voller glücklicher Borussen. Nichts geht mehr.