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75 Jahre keine Baugenehmigung – jetzt soll altes Haus weg

75 Jahre keine Baugenehmigung – jetzt soll altes Haus weg

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Haus von Christa Liedtke Foto: dpa
Jahrelang wohnte eine Rentnerin in einem Fachwerkhaus aus den Dreißigern. Als sie das Haus 2011 verkaufen wollte, ging sie zum Bauamt, um ein paar Formalien zu erledigen. Kurze Zeit später bekam sie einen Brief – mit der Information, ihr Haus müsse abgerissen werden.

Kürten. 

Christa Liedtkes Fachwerkhäuschen liegt malerisch zwischen Wiesen und Bäumen im Bergischen Land. Doch jetzt trübt eine behördliche Anordnung die Idylle: Die Rentnerin soll ihr 75 Jahre altes Haus in Kürten abreißen, weil es keine Baugenehmigung gibt. Dieser Fall macht auch anderen Hauseigentümern Sorgen.

Das 1939 gebaute Fachwerkhaus hat eine bewegte Geschichte. Im Krieg fand die Kölnerin Irmgard Mertins hier Zuflucht. Ihr Mann war ein jüdischer Bankier, der von den Nazis deportiert und ermordet wurde. Mertins flüchtete aufs Land. Sie pachtete das Grundstück und baute das Haus, um unbehelligt leben zu können.

2005 kaufte Christa Liedtke das Häuschen für 250 000 Euro, steckte viel Geld in Renovierungsarbeiten und schuf sich so ihre Oase. „Als ich es gesehen habe, wusste ich sofort, das ist es“, erinnert sich die 75-Jährige. Doch die steilen Treppen machten ihr zunehmend zu schaffen. „Ich habe mit meinem Rücken zu kämpfen. 2011 wollte ich deshalb das Haus schweren Herzens wieder verkaufen. So kam die ganze Sache ins Rollen“, erzählt Liedtke.

„Dachte, das muss ein Versehen sein“

Beim Bauamt wollte sich die Rentnerin Unterlagen besorgen. „Reine Formsache, dachte ich.“ Sie fragte erst bei ihrer Gemeinde und dann in der Kreisstadt Bergisch Gladbach nach. Kurz darauf bekam die Rentnerin einen Brief: Sie müsse das Haus abreißen, weil keine Baugenehmigung vorliege. „Ich dachte ich spinne, das muss ein Versehen sein.“ Doch der Kreis meinte es ernst. Das Haus müsse weg, die Abrisskosten von etwa 25 000 Euro solle Liedtke tragen. Eine nachträgliche Genehmigung ist nicht möglich, weil das Gebäude auf einer Fläche errichtet wurde, die als landwirtschaftliche Fläche ausgewiesen ist. Es besteht auch kein Bestandsschutz für das Haus.

Das Haus ist ordnungsgemäß im Grundbuch eingetragen – das reicht allerdings nicht aus. „Der Eintrag im Grundbuch ist nur der Eigentumsnachweis des Grundstücks und nicht die Baugenehmigung, deshalb muss geltendes Recht durchgesetzt werden“, erklärt die Sprecherin des Rheinisch-Bergischen Kreises, Birgit Bär. Das sei bedauerlich, aber kein Einzelfall. „In den letzten acht Jahren hatten wir sechs solcher Fälle.“

In erster Instanz vor Gericht verloren

Um einen Abriss zu vermeiden, bot der Kreis Liedtke ein lebenslanges Bleiberecht an. Sie lehnte ab, weil sie das Haus verkaufen wollte, zog vor das Kölner Verwaltungsgericht – und verlor. Nun läuft die Revision beim Oberverwaltungsgericht in Münster. Einen Termin gibt es noch nicht.

In Kürten wird unterdessen parteiübergreifend für Liedtke gekämpft. So wollen die Grünen den Bau unter Denkmalschutz stellen lassen. Die FDP fordert, dass die Außenbereichssatzung geändert wird.

Die Verunsicherung durch den Fall Liedtke ist groß. Denn in den Kriegsjahren sind wohl viele solcher Häuser entstanden. Die Rentnerin weiß von über 70 vergleichbaren Bauten allein im Bergischen Kreis.

Kreis will so etwas in Zukunft vermeiden

Die kommenden Monate sind für Liedtke entscheidend. Falls auch das Oberverwaltungsgericht die Revision abschmettert, muss die alte Dame das Haus innerhalb eines Jahres abreißen lassen.

Auch der Kreis ist mit der derzeitigen Situation nicht glücklich. „Wir wünschen uns, dass endlich eine rechtliche Lücke geschlossen wird“, sagt Sprecherin Bär. So sollte ein Notar bei einem Hausverkauf dazu verpflichtet werden, den neuen Eigentümer auf eine Prüfung der Baugenehmigung hinzuweisen. „Das ist bisher nicht so. Aber erst dann würde es solche Fälle wie den von Frau Liedtke nicht mehr geben.“ (dpa)