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Die Odyssee wird in Bochum zur Abenteuer-Komödie

Die Odyssee wird in Bochum zur Abenteuer-Komödie

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Foto: Michalak
Daniel Kunze, Regie-Absolvent der Folkwang Schule, inszeniert den Homer-Stoff im Theater Rottstraße 5 in Bochum. Gelungene und gefeierte Premiere.

Bochum. 

Die antiken Epen des Homer gehören zu den literarischen Grundbausteinen unserer Kultur. Odysseus zum Beispiel ist eine Blaupause für das, was wir bis heute unter einem „Helden“ verstehen: mutig, klug, ein Halbgott, zu dem man aufschaut. Im Theater Rottstraße feierte am Wochenende die „Odyssee“-Inszenierung von Jung-Regisseur Daniel Kunze Premiere. Wie man es von Bochums bekanntester Off-Bühne erwartet, wird der vermeintliche Held mit allen Mitteln der Kunst vom Sockel gestoßen.

Der absurde Held

„Könnt Ihr mal ruhig sein? Ich versuche hier, eine Geschichte zu erzählen!“, keift der wütende Odysseus (Maximilian Pulst) seine Gefährten an. Klar, der Held auf Irrwegen will schließlich als großer König, „Sohn des Laertes, den Menschen bekannt als der Listige“ in Erinnerung bleiben – so seine Standard-Phrase, die rasch für Lacher sorgen wird.

Denn Odysseus und seine Gefährten werden weniger als mutige Helden in Szene gesetzt, vielmehr als überdrehte Chaostruppe, die von einem Abenteuer ins nächste stolpert, in die Höhle des Zyklopen gerät und auf die Insel der Hexe Kirke (Lea Kallmeier) verschlagen wird. Das pathetische Heldenepos wird zur Abenteuer-Komödie im Stil eines selbstironischen Superhelden-Comics.

Odysseus ist genervt

Das ist kurzweilig, sorgt für Lacher und hat als Zertrümmerung hochkultureller Götzen eine ganz eigene Qualität. Doch Regisseur Kunze schafft mehr als das. Seine Aufführung stellt die Frage: Was ist das eigentlich, ein Held?

Ein Held braucht zuallererst Ziele – das ist für Odysseus klar. Seine Gefährten überzeugt das weniger. Einer von Ihnen (Tobias Amoriello) würde viel lieber auf einer abgeschiedenen Insel bleiben und sich mit Lotustee berauschen. Denn was sei denn, wenn alle Ziele erreicht wären? „Dann eben noch mehr Ziele – und jetzt halt Deine Fresse!“, fährt ihn der genervte Odysseus an.

Und während die Zuschauer sich noch über den Streit zwischen dem Lotus-Junkie und Odysseus amüsieren, betreten sie die philosophische Ebene des Stückes. Und zwar mit einer solchen Leichtigkeit, dass es zuerst nicht auffällt; genau das ist die Kunst dabei.

Ziele erreichen, um Ziele erreicht zu haben, danach noch mehr Ziele finden – wer sich an die Philosophie des Absurden von Albert Camus („Der Fremde“) erinnert fühlt, liegt genau richtig, wie wir spätestens im Hades erfahren.

Frenetischer Schluss-Applaus

Dort, in der Unterwelt, treffen Odysseus und seine Gefährten neben allerlei Sagengestalten auch Sisyphos – dessen ewige Aufgabe es ist, immer wieder denselben Stein einen Berg hinaufzurollen. Und er tut es immer noch, wenn Odysseus sich zu seiner letzten Wanderschaft aufmacht, wie der Zuschauer erfährt. Das Held-Sein wird zur Sisyphos-Arbeit. Das Publikum quittiert den starken Abend mit frenetischem Applaus. Vollkommen zu Recht.