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Remo Cagliesi – Der Mann, der über ein Handballtor springt

Remo Cagliesi – Der Mann, der über ein Handballtor springt

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Foto: Kai Peters
Der 16-Jährige Remo Cagliesi vom TLV Germania Überruhr hat es zu einem der besten Hochspringer seines Alters geschafft. Nun fährt er zur U-18-WM.

Essen. 

Deutschland ist nicht nur Fußball-Weltmeister. Hier gibt es auch etliche vielversprechende Talente, die in den nächsten Jahren einem Özil, Müller oder Neuer nachfolgen können. Mit viel Geld und großem Aufwand werden die Begabtesten der Begabten in Nachwuchsakademien ausgebildet.

In anderen Sportarten ist die Förderung nicht so unkompliziert. Im Gegenteil, sie wird durch fehlendes Geld und steigende schulische Belastung immer schwieriger. Wir erzählen die Geschichte von Remo Cagliesi, der der Leichtathletik fast verloren gegangen wäre und durch einen engagierten Trainer sowie die Unterstützung eines Essener Vorortvereins zum besten deutschen Hochspringer seiner Altersklasse wurde. Remo hat sich nach oben gefloppt und startet am Donnerstag bei den U-18-Weltmeisterschaften in Cali/Kolumbien. „Ich will ins Finale kommen“, sagt der 16-Jährige vom TLV Germania Überruhr, der in diesem Jahr seine Bestleistung von 2,04 auf 2,10 Meter steigerte.

Der Ex-Handballtorwart springt so hoch wie das Tor

Vor zwei Jahren schien die Karriere des Remo Cagliesi schon beendet zu sein, ehe sie überhaupt richtig begonnen hatte. Obwohl der damals 14-Jährige schon erste Erfolge in der Leichtathletik gefeiert hatte und gleichzeitig als Handball-Torhüter in den Landeskader berufen wurde, hatte er nicht mehr die große Lust. Zahlreiche Umzüge bedingt durch familiäre Unebenheiten: Per Facebook postete Remo seine Gedanken, mit der Leichtathletik aufzuhören. Auch Tim Husel, Trainer des TLV Germania Überruhr, las die Nachricht des Multi-Talents.

„Wenn du willst, kannst du es bei uns probieren“, schlug Husel vor. Nett gemeint, aber auch nicht so ganz einfach zu organisieren. Aber nachdem Remo beim Essener Vorortverein vorbei geschaut hatte, stand für ihn fest, dass er einen Neuanfang wagen wollte. Obwohl er dreimal umsteigen musste, obwohl er mit Bus und Bahn lange unterwegs war. 90 Minuten hin, 90 Minuten zurück. Für den Handball blieb so keine Zeit mehr. Eine gute Entscheidung, findet er heute. „Ich bin stolz darauf, dass ich jetzt die 2,10 Meter überquert habe“, sagt Remo Cagliesi. Der Stolz hat seinen besonderen Grund, denn ein Handball-Tor ist genau 2,10 Meter hoch. Wahrscheinlich ist er der einzige Deutsche, der erst im Handball-Kasten stand und ihn inzwischen mit seinem Flop überqueren könnte.

Anforderungen an Trainer und Klub

Bei Germania Überruhr hat sich Remo Cagliesi in den vergangenen zwei Jahren zu einem vielversprechenden Hochspringer entwickelt. Und das, obwohl er nicht bei einem der großen Klubs wie dem TV Wattenscheid oder Bayer Leverkusen trainiert, wo die finanzielle und sportwissenschaftliche Unterstützung eine ganz andere ist. „Wir arbeiten auch konzentriert“, sagt Remo, „aber bei uns in Überruhr ist alles locker.“ Ab und zu schaut er in Leverkusen bei Hans-Jörg Thomaskamp vorbei, der sich um den Landes-Nachwuchskader kümmert. „Remo ist ein großes Talent. Überruhr ist im Moment genau der richtige Verein“, sagt Thomaskamp.

Aber je höher sich Remo Cagliesi über die Latte schlängelt, desto höher sind die Anforderungen an Trainer und Verein. „Klar, ich bin kein Hochsprung-Spezialist“, gibt Husel zu. „Wir probieren einiges aus. Es ist Learning by doing.“ Offensichtlich mit viel Erfolg, denn in Deutschland ist Remo die Nummer eins in seinem Alter. Trainingslager, Reisen zu Wettkämpfen: Die Kosten steigen. Aber auch diese Herausforderungen haben Husel und Germania Überruhr bisher gemeistert. „Der Erfolg fordert weitergehende Lösungen“, sagt Husel. „Bisher kriegen wir das hin. Wir sind dabei, einen Förderkreis aufzubauen.“

Im Hochsprung besser als im Kochen

Inzwischen ist Remo Cagliesi auf der Ruhrhalbinsel heimisch geworden. Er geht auf das Gymnasium in Überruhr, wo Husel auch unterrichtet, und lebt direkt neben der Schule in einer kleinen Wohnung. „Ich bin meine eigene Hausfrau“, sagt er. „Ich wasche und versuche zu kochen. Ich habe mich schon gesteigert. Vom Spiegelei zu Chili con Carne.“ Noch klappt es mit dem Flop über die Hochsprunglatte besser. Diese Künste will er bei der WM im fernen Kolumbien beweisen. Ganz Überruhr fiebert mit.