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Wie es zum Sex-Unfall von Wunderhengst Totilas kommen konnte

Wie es zum Sex-Unfall von Wunderhengst Totilas kommen konnte

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Foto: Getty Images
Der millionenschwere Dressurhengst Totilas hat sich beim Sprung auf eine Phantomstute eine Knieverletzung zugezogen und muss mehrere Wochen mit dem Training aussetzen. Doch wie konnte es überhaupt zu diesem Sexunfall kommen? Ganz einfach: Mit Samen verdient man viel Geld.

Essen. 

Es gibt Pferde, die man nie vergisst.

Zum Beispiel Halla. Die Wunderstute, die den verletzten Springreiter Hans Günter Winkler, der bei jedem Sprung vor Schmerz aufschrie, im Jahr 1956 im letzten Umlauf zu Olympiagold trug. Zum Beispiel Milton. Der Schimmel, der hoch wie ein Wolkenkratzer war, und mit dem britischen Springreiter John Whitaker im Sattel mehr als eine Million Pfund an Preisgeld gewann. Zum Beispiel Küchengirl. Die Stute von Marcus Ehning, die bei der WM 2006 in Aachen auf dem Parcours buchstäblich durch die Wand ging und im Jahr darauf bei der EM in Mannheim die mentale Zentralverriegelung einschaltete und bei allen drei Durchgängen dreimal den Sprung verweigerte.

Und es gibt Totilas. Der Hengst, von dem die Dressurwelt spricht, und über den der Rest der Welt schmunzelt: Der zehn Millionen Euro teure Hengst hat sich beim Sex verletzt. Um das Missgeschick allerdings richtig einzuordnen, muss man die Lebensgeschichte des Pferdes kennen.

Trotz Kronleuchter und Fließen holte Totilas kein Olympia-Gold für Deutschland

Totilas lebte in Holland, räumte Siege, Rekorde und Lob ab. Dreimal WM-Gold, zweimal EM-Gold, einen strahlenderen Helden im Dressur-Viereck hatte man lange nicht gesehen. Es war, als wäre Black Beauty vom Fernsehschirm ins wahre Leben gesprungen. Dann kaufte der frühere Reiter und heutige Geschäftsmann Paul Schockemöhle das Pferd im Herbst 2010 für geschätzte zehn Millionen Euro und holte es nach Deutschland.

Die geplante Erfolgsgeschichte stockte, sie ist gefangen geblieben in der Tiefe des Traumes.

Totilas zog im Städtchen Kronberg, von wo man die Banken-Türme der Stadt Frankfurt sieht, in die Stallungen von Ann Kathrin Linsenhof. Die frühere Dressurreiterin hatte mit Schockemöhle eine Besitzergemeinschaft für Totilas gegründet, und ihr Stiefsohn Matthias Alexander Rath durfte Totilas reiten. Als Totilas in Kronberg eintraf, warteten die Fernsehteams im parkähnlichen Vorgarten. Im Stall hängen Kronleuchter, die Wände sind mit dezent bunten Kacheln gefliest. Es gibt hässlichere Orte auf dieser Welt, um sich auf einen Olympiasieg vorzubereiten.

Doch für Geld lässt sich offensichtlich doch nicht alles kaufen, der Plan von der Goldmedaille in London scheiterte. Nach ersten Erfolgen lief für das Duo Totilas und Rath nämlich schief, was nur schief laufen kann.

Totilas sollte seinen Wert durch zahlreiche Samenspenden wieder reinholen

Bei der EM 2011 verpassten sie eine Medaille, Schadenfreude schwappte über beide hinweg. Es folgte eine achtmonatige Verletzungspause, Tierschützer vermuteten unerlaubte Trainingsmethoden und schlugen Alarm, und auf dem Weg zu Olympia überfiel Rath auch noch das Pfeiffersche Drüsenfieber, der Arzt erteilte Startverbot. Das Unternehmen Olympiagold war geplatzt.

Jetzt, im beginnenden Frühjahr, wollte Rath endlich wieder angreifen. Doch wichtiger als der Sport sind die Finanzen. Totilas soll die Millionen-Kauf-Summe wieder einspielen, also hat er einen Zweitberuf: Deckhengst. Um im Frühjahr nicht abgelenkt zu werden, sollte Totilas im Dezember und Januar genug Sperma spenden, um es für den Verkauf einfrieren zu können. Eine Portion kostet 8000 Euro, falls die Stute trächtig wird.

Ende Januar passierte dann das, was erst jetzt bekannt wurde: Zum Abgeben des Spermas muss Totilas auf eine Phantomstute springen, ein Holzgestell, das mit Leder überzogen ist. Der Hengst erwischte den Absprung nicht richtig, rutschte ab und verletzte sich dabei am Knie. Er muss mehrere Wochen mit dem Training aussetzen.

„Das ist saublöd, aber so etwas passiert“, sagt Dressur-Bundestrainerin Monica Theodorescu.

Das nächste Ziel für Totilas und Rath heißt Europameisterschaft

Rath selbst hofft, in zwei Wochen wieder im Sattel von Totilas sitzen zu können. Die Zeit wird knapp. Das Ziel des Jahres 2013 heißt Europameisterschaft. Um aber im dänischen Herning im August dabei zu sein, müssen sich Rath und Totilas beim CHIO in Aachen und bei der Deutschen Meisterschaft in Balve im Juni wieder ins deutsche Aufgebot kämpfen.

Dabei ist es für die Popularität aber gar nicht wichtig, ob Rath und Totilas zurückkehren oder ob sie scheitern und die nächste Pech- und Pleitensaison erleben. Denn egal, was passiert: Totilas wird immer ein Pferd bleiben, von dem man spricht. Gerade schlechte Zeiten sind guter Gesprächsstoff.