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Mit „anne Castroper“ auf Zeitreise durch Bochum

Mit „anne Castroper“ auf Zeitreise durch Bochum

180 textlich stark verfasste und gut bebilderte Seiten des neuen Buchs „anne Castroper. Ein Jahrhundert Fußball mitten in Bochum“ nehmen den Leser mit auf eine Zeitreise quer durch die Fußballgeschichte Bochums.

Essen. 

„Bauen Sie mir ein Stadion, und ich baue Ihnen eine Mannschaft.“ Das versprach Ottokar Wüst, damaliger Präsident des VfL Bochum, 1972 dem SPD Fraktionsvorsitzenden Heinz Eikelbeck. Am 21. Juli 1979 hieß das neueröffnete „Schmuckkästchen“ Ruhrstadion und der Ort, an dem die Mannschaft fortan Höhen und Tiefen durchlebte, lag immer noch an derselben Straße: „anne Castroper“. So lautet auch der Titel des Buches, in dem Henry Wahlig, Mitarbeiter am Institut für Sportwissenschaften der Universität Hannover, unter Mitarbeit zahlreicher Autoren Geschichte wie Geschichten aus einem Jahrhundert Fußball mitten in Bochum serviert.

180 textlich stark verfasste und gut bebilderte Seiten nehmen den Leser mit auf eine Zeitreise. Zurück nach 1911, als „zum ersten Mal in der Bochumer Geschichte ein Fußball genau über die Stelle“ rollte, „an der der VfL bis heute seine Heimspiele austrägt“. Hinein in die 20er Jahre, als an der Castroper Straße mit einer fast 50.000 Zuschauer fassenden Arena „eine der modernsten Anlagen Westdeutschlands“ stand. Bis zur jüngsten Vergangenheit und Gegenwart, in der eine der atmosphärisch stimmungsvollsten, weil kompaktesten Spielstätten der Liga mit Modifikationen, wie dem Ausbau des Stadioncenters, am Puls der Zeit bleibt.

Parallel zu historisch präzise rekonstruierten baulichen Veränderungen portraitiert das Buch den Verein und seine Menschen. Es zeigt die Hauptverantwortlichen, die sich in besonderem Maße um den VfL verdient gemacht haben. Die Spieler, die in Bochum zu Identifikationsfiguren wurden. Die Fans, die ihr Verhältnis zum Verein selbst niederschreiben durften. Nicht zu vergessen: die großen Duelle des VfL, der ab- und immer wieder aufstieg, mit Europapokalspielen die Stadt elektrisierte, und dessen Anhänger vor den Partien eine „Gänsehautatmosphäre“ erleben, „wie es sie nur in Bochum geben kann, weil hier ein Musikstück läuft, das es nur in Bochum geben kann: Bochum von Herbert Grönemeyer“.

Wahlig, der seit seiner Kindheit VfL-Fan ist, gelingt mit seinem Buch ein schwieriger Spagat: Zwischen detaillierten Rückblicken und großen Momentaufnahmen. Zwischen akribisch aufbereiteten Daten und unvergesslichen Anekdoten. Zwischen der traditionsreichen Spielstätte als Objekt und den Leuten, die es zum Leben erwecken.

Da ist Ottokar Wüst, „Vater des Ruhrstadions“, der für die Errichtung des Stadions „unzählige Bretter durchbohren“ muss, Widerstände „auf seine ihm eigene Weise aus dem Weg räumt“ und dem VfL eine zeitgemäße Heimat verschafft. Da ist Dariusz Wosz, der den Verein wie kaum ein anderer prägt, so zum „Liebling des Bochumer Publikums“ und „Legende der Stadt“ wird. Da ist Willi „Bubi“ Keberle, der nach seiner Fußballerlaufbahn hinter die Kulissen wechselt, „seit 1968 […] ohne Unterbrechung für den VfL am Ball“ geblieben und als Mannschaftsbetreuer, wie er sagt, „Mädchen für alles“ ist.

Ein rundes Bild des VfL zeichnet das Jubiläumswerk, weil hier nicht nur prominente Anhänger wie Ralf Richter, Frank Goosen oder Toto & Harry, sondern auch Nachbarn „vonne Castroper“ zu Wort kommen, deren vier Wände und Arbeitsplätze nur einen Steinwurf vom „Schmuckkästchen“ entfernt sind. Ob Rentnerin Lieselotte Mense (90), Gastronom Christian Kron (42) oder Tankstellenpächter Heinrich Kurz (42) − sie alle haben ihre eigene Beziehung zum VfL und einem „Stadion zum Anfassen, wie es im deutschen Profifußball heute fast ausgestorben ist“.

Optisch ansprechend, sprachlich vielseitig, in eine kluge Struktur verpackt spiegelt das Buch den VfL Bochum und seinen Vereinscharakter facettenreich wider. Dem Buch mangelt es weder an Ausführlichkeit noch nötiger Kompaktheit. Weil ein Jahrhundert Fußball mitten in Bochum das Lesen wert ist, darf somit eine uneingeschränkte Kaufempfehlung ausgesprochen werden. „Anne Castroper“ werden VfL-Fans und andere Fußballaffine, die sich für den Spielort, dessen Historie, den Verein und seine Protagonisten interessieren, ganz sicher ihre Freude haben.

Titel: „anne Castroper“. Ein Jahrhundert Fußball mitten in Bochum.
Erschienen in: Verlag Die Werkstatt. ISBN 978-3-89533-779-6