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Ralf Zumdick war in den 80er-Jahren Bochums großer Rückhalt

Ralf Zumdick war in den 80er-Jahren Bochums Rückhalt

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Foto: imago
Der Torwart Ralf Zumdick hatte in den 80er-Jahren entscheidenden Anteil daran, dass der VfL Bochum immer wieder den Klassenerhalt schaffte und die Großen ärgerte. Als Trainer wagte er sich in die Welt hinaus.

Bochum. 

Als Rolf Schafstall im Jahr 1986 nach fünf Jahren als Trainer des VfL Bochum beim FC Schalke 04 anheuerte, hatte er die Idee, einen Bochumer Jungen mitzunehmen. Einen, den er wegen dessen Zuverlässigkeit sehr schätzte: den Torhüter Ralf Zumdick. Aber Hermann Gerland bekam Wind davon. Gerland wurde viele Jahre als Verteidiger in Bochum geschätzt und außerhalb Bochums gefürchtet, nun war er Schafstalls Nachfolger als VfL-Trainer. „Er hat mich am Telefon gefragt: Was ist da los, Katze?“, erzählt Ralf Zumdick. „Ich habe es ihm erzählt, daraufhin hat er mich zu Hause abgeholt und direkt zum Präsidenten Ottokar Wüst gefahren. Da musste ich dann einen neuen Vertrag unterschreiben.“

So wurden damals in Bochum Probleme gelöst.

Ralf Zumdick muss lachen, als er bei einem Tee in einer angesagten Innenstadt-Gastronomie, in der er an diesem Mittag nicht der einzige ehemalige VfL-Profi ist, über die alten Zeiten ins Plaudern kommt. „Es gab ja für mich auch gar keinen Grund zum Wechseln“, sagt der 54-Jährige. „Ich hatte im Bochumer Tor immer gut zu tun und konnte mich oft auszeichnen.“

Identifikation war das Geheimnis des VfL Bochum

Vor allem in der Saison 1986/87, als Ralf Zumdick alle 34 Spiele bestritt und herausragend hielt. Sogar Franz Beckenbauer wurde aufmerksam, der damalige Teamchef berief ihn zweimal ins Aufgebot der Nationalmannschaft. Dabei blieb es dann allerdings auch, Zumdick sagt grinsend: „Ich habe meine Nationalmannschafts-Autogrammkarten nie verteilt.“

Aber diese Haltung sagt auch einiges aus über den Mann, der 1981 von Preußen Münster zum VfL kam und dann bis 1994 dessen Tor hütete. Bochum bedeutete Bodenständigkeit, und auch Ralf Zumdick, Ehrentitel „Katze“, wäre nicht auf die Idee gekommen, sich dicke zu machen. Ein Bochumer pflegte die Außenseiterrolle und freute sich diebisch, wenn mal wieder einer der ganz großen Favoriten an der Castroper Straße vor die Wand fuhr. „Wir haben die Bayern damals nicht nur einmal besiegt“, bekräftigt Ralf Zumdick heute noch mit Stolz.

22 Jahre lang hielt sich der 1971 aufgestiegene VfL in der Bundesliga, die beste Platzierung war Rang acht im Jahr 1979. Wer den VfL deshalb gering schätzte, nannte ihn „Graue Maus“. Wer ihn würdigte, sprach hochachtungsvoll von den „Unabsteigbaren“. Ralf Zumdick glaubt, den Grund dafür zu kennen, warum sich der ewige Außenseiter in jenen Jahren nie unterkriegen ließ. „Wir hatten viele Jungs aus der Region in unserer Mannschaft“, sagt er, „und es waren echte Typen darunter, Querdenker, Persönlichkeiten. Da wurde Tacheles geredet.“

Identifikation ist das Zauberwort. Bochumer, das waren Wir-Tuosen.

Ralf Zumdick findet es äußerst schade, dass dieser Verein sich mittlerweile in der Zweiten Liga schwer tut. Als der ehemalige Torwart und spätere Co-Trainer des VfL im Jahr 2000 zur Rückrunde zum Cheftrainer befördert wurde, war der Klub schon dreimal abgestiegen: Mit „Katze“ ging es wieder nach oben. Geduld aber hatten die Verantwortlichen nicht mit ihm, schon ein Jahr später wurde er entlassen, am Ende gab es auch noch einen deftigen Krach. Das war es dann für ihn als Angestellter seines Herzensvereins.

Finale beim Afrika-Cup, Voodoo und Königsbesuch – Zumdick zog es als Trainer nach Ghana

Und es begann eine Zeit der Abenteuer. „Es musste ja weitergehen, deshalb bin ich ins Ausland gegangen“, sagt er, als wäre er nach Enschede oder Antwerpen gewechselt. Aber es war Ghana. Der dort erfahrene frühere VfL-Trainer Ernst Middendorp hatte den Bochumer Jungen in eine extrem andere Welt vermittelt. „Ein Kulturschock“, sagt Ralf Zumdick, „die haben da einen Voodoo-Zauber gemacht, das glaubt man nicht.“ Mit Asante Kotoko zog er ins Finale um den Afrika-Cup für Klubmannschaften ein. Das erste Endspiel in Casablanca ging 0:1 verloren, am Tag vor dem Rückspiel besuchte der König das Team. „Ich habe ich ihm in meinem Überschwang gesagt, dass wir uns sehr freuen würden, wenn er uns die Ehre beim Spiel erweisen würde.“ Im selben Moment standen seine Fußballer in der Schockstarre. „Es herrschte der Aberglaube, dass die Mannschaft verliert, wenn der König ins Stadion kommt.“ Der 2:1-Sieg reichte nicht zum Titel – „drei Wochen später war ich gefeuert“.

Dennoch bekam der Deutsche anschließend noch die Chance, Ghanas Nationalmannschaft zu trainieren. Nach einem halben Jahr aber meldete sich ein weiterer ehemaliger Bochumer: Klaus Toppmöller brauchte 2003 einen Co-Trainer beim Hamburger SV. Ralf Zumdick, Vater dreier heute erwachsener Kinder, entschied sich für die Familie, für eine Rückkehr nach Deutschland. Vier Jahre blieb er in Hamburg. „Das war eine geile Zeit“, bilanziert Ralf Zumdick.

Thomas Doll nahm ihn vom HSV mit zur damals noch instabilen Dortmunder Borussia und später auch in die Türkei, zu Genclerbirligi, wo Zumdick schließlich Doll als Cheftrainer beerbte.

Nach einem Job im Iran wollte Zumdick zurück nach Deutschland, nach Bochum

Die nächste Mutprobe hieß Persepolis Teheran, wieder tauchte Ralf Zumdick in unbekanntem Gewässer. Er sollte den iranischen Spitzenklub als Technischer Leiter führen, heute sagt er: „Ich hatte keine Vorstellungen.“ Das Derby gegen Esteghlal: „Ein Wahnsinns-Erlebnis. 100 000 Zuschauer – aber keine Frauen im Stadion.“ Nach drei Monaten wurde der Vorstand ausgewechselt, nach einer Saison reichte es dann auch für Ralf Zumdick.

Er lebt wieder in Bochum, wo die Familie immer geblieben war. Gerne würde er wieder als Trainer arbeiten, am liebsten in Deutschland. „Ich muss aber realistisch feststellen, dass es hier schwierig ist“, sagt er. Er hat die Erfahrung gemacht, dass es Vorbehalte gegenüber ehemaligen Torhütern gibt, die Trainer wurden. „Es ist kurios“, sagt er. „Die Leute denken: Der war Torwart, der hat taktische Defizite.“

Er stellt das einfach fest, ohne Verbitterung. „Ich will nicht jammern“, betont Ralf Zumdick, und wie würde sich das auch anhören: ein jammernder Bochumer? Wenn Hermann Gerland so etwas mitbekäme, würde er direkt wieder anrufen.