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Das Dalton-Modell – Besseres Lernen mit dem Lieblingslehrer?

Das Dalton-Modell – Besseres Lernen mit dem Lieblingslehrer?

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Foto: Lars Heidrich
Das Theodor-Heuss-Gymnasium in Dinslaken unterrichtet nach dem Dalton-Modell, bei dem die Schüler Unterrichtsstunden frei wählen können. Wir haben uns das vor Ort angesehen.

Dinslaken. 

Es ist die dritte Stunde am Theodor-Heuss-Gymnasium (THG) in Dinslaken – eine von zwei sogenannten Dalton-Stunden an jedem Schultag. Die 13-jährige Anna Poppe sitzt mit einigen Schülern im Raum von Religionslehrerin Lara Czepan und arbeitet an ihren Reli-Aufgaben. Wie alle Schüler des Gymnasiums besitzt sie einen Lernplan, in dem für jedes Fach die Aufgaben der nächsten fünf Wochen festlegt sind. Anna kann selbst entscheiden, in welcher Reihenfolge und bei welchem Lehrer sie ihre Aufgaben erledigt. Idealerweise sucht sie einen passenden Fachlehrer auf, der ihr bei Fragen hilft und das Lernen beaufsichtigt – in diesem Falle Spanisch- und Religionslehrerin Czepan.

Schule in NRW ist wieder zum politischen Streit-Thema geworden. Acht Jahre Gymnasium bis zum Abitur – oder doch lieber wieder neun Jahre? Und in diese Diskussion platzte Schulministerin Sylvia Löhrmann mit ihrem Vorschlag nach flexiblerem Unterricht nach den individuellen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen. Sie schlägt vor, an einigen Schulen weiter G8 anzubieten, dieses jedoch durch die sogenannte „Dalton-Methode“ zu entschleunigen. Die NRZ schaute sich das Modell daher einmal an.

Fast wie an der Uni

Das aus den USA stammende Unterrichtsmodell ist noch recht unbekannt. Die NRZ war in Dinslaken vor Ort, wo es „Dalton“ seit einem Jahr gibt. Rund ein Drittel des Stoffs sollen die Schüler dort eigenständig erlenen – also fast wie an einer Uni.

Daniel Tiszay, Vize-Direktor des THG, ist natürlich von „Dalton“ begeistert. „Die Methode soll Schüler zu eigenverantwortlichem Lernen anregen. Die Idee dabei: Was man sich selbst erarbeitet hat, das hat man wirklich gelernt.“ Schulabgängern werde nicht nur die herkömmliche Schulbildung vermittelt, sondern auch die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren und eigene Entscheidungen zu treffen.

„Die Schüler haben mehr Entscheidungsfreiheit und tragen mehr Verantwortung“, meint Tiszay, „trotzdem kommen die Regeln nach wie vor von uns, wir stellen das Material und die Aufgaben.“ So komme Bewegung in die Strukturen, aber stets mit festem Rahmen.

„Man hat jetzt mehr Stress“

Siebtklässlerin Anna sieht „Dalton“ positiv: „Ich habe viel weniger Hausaufgaben auf, weil ich alles schon in den Stunden erledigt habe“. Auch dem 16-jährigen Nils Cebolla kommen die Veränderungen entgegen. „Die Interaktion mit den Lehrern ist deutlich angenehmer geworden, weil ich diejenigen wählen kann, die ich mag“, sagt Nils. „Viele meiner Freunde waren erst skeptisch, aber mittlerweile kenne ich kaum Leute, die mit den Dalton-Stunden unzufrieden sind“.

Info Andere Schüler sind kritisch: „Man hat viel mehr Stress als vorher. Wenn eine Dalton-Stunde ausfällt oder man sie verpasst, muss man den gleichen Stoff trotzdem nachholen – das wird nicht angeglichen“, beklagt sich Jill Galjuf. „Die Lehrer sind pingeliger geworden“, ergänzt der Zehntklässler Lukas Kornat. Schwierig sei, dass die Umstellung in der 9. Klasse so plötzlich gekommen sei. Mitschülerin Isabell Ley sagt, sie könne nicht so gut selbstständig arbeiten: „Ich kann die Dalton-Aufgaben zu Hause besser bearbeiten, weil ich dann meine Ruhe habe. Leider kann ich dann ja keine Fragen stellen.“

Unterschiedliche Bewertung

Die Eltern sind verschiedener Meinung. „Dalton hat durchaus Vorteile. Es ist allerdings normal für Jugendliche in dem Alter, dass sie selbstständiges Lernen doof finden“, sagt Jills Mutter Silke. Paul Kornat meint: „Ob Dalton das eigenständige Lernen tatsächlich fördert, zeigt sich erst am Ende“, sagt sie. Eine andere Mutter meint: „Durch Dalton sind in den Fremdsprachen die Wochenstunden von 3 auf 2 gekürzt worden. Da bleibt für Sprechübungen und Hörverständnis kaum noch Zeit Beides kann man sich in den Daltonstunden nicht aneignen.“

Vize-Chef Tiszay sieht das Modell trotz mancher Mängel als Erfolg. „Wir wissen, dass im ersten Jahr noch nicht alles ganz rund gelaufen ist – daran haben wir aber gearbeitet“, sagt er. „Aber echte Nachteile sehe ich nicht. Wenn Schüler zu mir kommen und sagen, sie hätten Probleme mit Dalton, heißt das oft nur, dass sie die eigene Verantwortung scheuen.“ – Eine Ansicht, die nicht alle Eltern teilen: „Individuelles Fördern ist dann eben nur selten möglich.“ Wenn ein Drittel der Zeit selbsterarbeitendes Lernen ist, muss diese Zeit auch kontrolliert werden.“

Offenbar ist die Bewertung von Dalton ziemlich unterschiedlich. Für jene, die von sich aus gern selbstständig lernen, scheint Dalton prima. Für Schüler, die Struktur und Motivation benötigen, bedeutet Dalton eine gehörige Herausforderung.