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Wer wirklich Joachim Löws Feind ist

Wer wirklich Joachim Löws Feind ist

Ex-Nationaltorwart Oliver Kahn kritisierte nach der 1:3-Niederlage der Nationalelf gegen Argentinien Bundestrainer Joachim Löw. Wer sich an Löws Kopf herantastet, sollte sich die Frage stellen: Haben wir denn überhaupt jemanden, der diesen Kopf ersetzen könnte? Ein Kommentar.

Frankfurt. 

Über die Wiederkehr des ewig Gleichen hat schon Friedrich Nietzsche philosophiert. Was erstaunt. Der Mann kannte die deutsche Nationalmannschaft gar nicht. Der Mann kannte nicht einmal Oliver Kahn, den Ex-Torhütertitanen, der kurz nach seinem Karriere-Aus den Eindruck erweckte, er könne auch über die Latte hinaus denken, der aber dummerweise zwischenzeitlich beim Fernsehen gelandet ist. Beim Fernsehen. Das bedeutet: Kahn muss irgendetwas reden, er muss irgendwie rechtfertigen, dass er jetzt in diesem Kasten auftaucht.

Beim Argentinien-Spiel ist ihm die Rechtfertigung gelungen. Um das gleich festzuhalten: Nicht, weil Kahn Schlaues formuliert hätte. Er hat einfach nur das ewig Gleiche geplappert, aber in der Wirkung prächtig unterstützt durch so etwas wie Führer-Posing. Angespannte Wangen, die Wörter kämpfen sich heraus aus dem Mund, sie sind schon Gewinner, wenn sie in der Sprechblase ankommen, die sie über Fußballdeutschland hinweg tragen wird.

Vielleicht sollte Kahn auf Brutalo-Kapitalist umschulen

Was drin ist in der Sprechblase? Kahn hat bei der 1:3-Niederlage in einer kurios gegen die Deutschen gelaufenen Partie unter anderem ausgemacht, dass der Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw „zehn Prozent Wille“ zum Erfolg gefehlt habe. Zehn Prozent! Vielleicht sollte der TV-Kritiker auf Brutalo-Kapitalist umschulen. Mit seinem Willensmessgerät könnte er Belegschaften toll drangsalieren. Sie da hinten, Sie sind wieder nur zu 78 Prozent vom Willen erfüllt…

Und es ist nicht nur dieses Offensichtliche stussig, wenn man nachhört. Ja, Herr Kahn, über eine stabile Defensive werden Titel gewonnen. Andererseits, nach vorne gehen sollte es auch! Dass sich Löw angenervt fühlt von der Wiederholung der Wiederholung der teutonischen Willen-Leitwolf-Seifenoper, das ist schon verständlich. Der Bundestrainer hat allerdings nach dem Aus bei der EM den bedeutendsten Fehler in seiner Ära begangen. Er hat seine tatsächliche Rolle in der Öffentlichkeit verwechselt mit der Rolle, die ihm angetragen wurde. Mit der Außenseiterrolle. Mit der Rolle dessen, der seine weicheirigen Ansichten gegen eine breite deutsche Masse verteidigen muss, die sich hinter Kahn und Gesinnungskonsorten versammelt haben.

Stimmt natürlich nicht. Die meisten Menschen hierzulande können ja über die Latte hinaus denken. Hat der Bundestrainer nur falsch gesehen und deshalb das Bild hingestrichelt, das ihn einsam, also angeschlagen, also verwundet zeigt. In der freien Profi-Wildbahn ist das überaus gefährlich. Wer sich an Löws Kopf herantastet, der sollte sich allerdings vielleicht mit einem kleinen Anflug von Verantwortungsgefühl gegenüber dem deutschen Fußball die Frage stellen: Haben wir denn überhaupt jemanden, der diesen Kopf ersetzen könnte?