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Schalke-04-Idol Koslowski erinnert sich an Titel von 1958

Schalke-04-Idol Koslowski erinnert sich an Titel von 1958

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Die alten Meister hängen in seinem Büro an der Wand: Willi Koslowski leitet auch heute noch die Schalker Poststelle. Foto: Martin Möller / FUNKE Foto Services
Der damalige Rechtsaußen Willi Koslowski, inzwischen 78 Jahre alt, hat uns viel über den Titelgewinn von Schalke 04 1958 erzählt – und die Woche danach.

Gelsenkirchen. 

Poststelle Koslowski. Wer sich der letzten Schalker Meistermannschaft nähern will, der ist in einem kleinen Büro in der alten Geschäftsstelle der Königsblauen am besten aufgehoben. Zur Tür rein und dann gleich links: Hier hat Willi Koslowski sein Reich – noch heute, im Alter von 78 Jahren, geht jeder Brief an den FC Schalke 04 über seinen Schreibtisch. 1958 war er der Rechtsaußen der letzten Schalker Meistermannschaft.

Die Königsblauen mussten, der Leser mag sich an die vorherige Folge unserer Sommer-Serie erinnern, nach dem Krieg eine neue Mannschaft aufbauen. Die Zeit von Kuzorra und Szepan war vorbei – Berni Klodt war der neue Führungsspieler. In der Oberliga West hatte Schalke mit Klubs wie Rot-Weiss Essen, dem 1. FC Köln und Borussia Dortmund plötzlich ernsthafte Rivalen, so dass es beim Kampf um die Deutsche Meisterschaft nicht immer für die Endrunde reichte. Der größte Erfolg in der ersten Hälfte der 50er-Jahre war der Einzug ins Pokalfinale 1955, wo die Blauen im Endspiel dem Karlsruher SC mit 2:3 unterlagen. Doch damit sollte es wieder aufwärts gehen.

Willi Koslowski sitzt am Schreibtisch in seinem kleinen Büro und deutet mit dem ausgestreckten Arm auf das Bild, das rechts neben der Tür an der Wand hängt: Es zeigt die Schalker Meistermannschaft von 1958 – das bislang letzte Team, das die Schale nach Gelsenkirchen geholt hat. Mit Berni Klodt, dem legendären Kapitän. Mit Torwart Manfred Orzessek, mit Otto Laszig, „Oscar” Siebert und all den anderen. „Wir hatten schon eine super Truppe”, schwärmt Willi Koslowski, der im Sommer 1955 in die erste Mannschaft aufgerückt ist. Der „Schwatte”, wie er aufgrund seiner Haare, die früher pechschwarz waren, genannt wird, ist ein echter Schalker Junge. Geboren in Sutum, nur einen Steinwurf vom heutigen Schalker Vereinsgelände entfernt. Nur während des Krieges lebte er ein paar Jahre in Ostwestfalen.

Viele Schalke-Spieler kamen aus der direkten Umgebung

So wie Willi Koslowski kamen auch viele andere Spieler aus der Umgebung, aus Heßler, Hassel, Buer oder auch Wanne-Eickel. „Das war das Besondere an dieser Mannschaft”, erinnert sich Koslowski: „Wir sind hier alle groß geworden.” Und auf Schalke fanden die jungen Talente mit dem Österreicher Edi Frühwirth einen Trainer, der ein großartiges Händchen für sie hatte.

Frühwirth war nach der Weltmeisterschaft 1954, wo er die Österreicher bis ins Halbfinale geführt hatte, nach Schalke gekommen. „Er war ein super Trainer – der beste, den ich je gehabt habe”, sagt Koslowski. Denn der Wiener sei nicht nur ein ausgewiesener Fußball-Fachmann gewesen, sondern auch ein glänzender Psychologe: „Er hatte so eine ruhige Art und konnte unwahrscheinlich gut mit jungen Spielern umgehen.”

So formte Frühwirth eine Mannschaft, die 1958 auf dem Zenit ihres Könnens angekommen war. Schalke marschierte souverän durch die Endrunde, setzte sich der Reihe nach gegen Eintracht Braunschweig (4:1), Tennis Borussia Berlin (9:0) und den Karlsruher SC (3:0) durch und traf am 18. Mai im Endspiel in Hannover auf den Hamburger SV. Ein Gegner, bei dem Weltmeister Jupp Posipal die Abwehr zusammen hielt und der junge Uwe Seeler im Sturm spielte.

Schalker Triumphzug auf der Rückreise von Hannover nach Gelsenkirchen

30 000 Schalker waren mit Sonderzügen und Autos nach Hannover gefahren, die Mannschaft wohnte vor dem Spiel in Bad Nenndorf. Nur Kapitän Berni Klodt war mit denn Gedanken auch zu Hause in Gelsenkirchen, wo seine Frau Anette hochschwanger war. Doch nachdem kurz vor dem Anpfiff die frohe Kunde von der Geburt des Kindes kam, drehte Berni Klodt richtig auf: Schon in der ersten Halbzeit erzielte er zwei Tore zur Schalker 2:0-Führung, ehe der junge Manni Kreuz mit einem seiner berühmten Gewaltschüsse den 3:0-Endstand markierte. „Der hatte einen Schuss wie ein Pferd. Davor hatten alle Gegner Angst”, erinnert sich Koslowski.

Die Rückreise von Hannover nach Gelsenkirchen geriet für Schalke zu einem einzigen Triumphzug: Der Sonderzug mit der Mannschaft musste auf allen möglichen Bahnhöfen Halt machen – so sehr wurden die Schalker Meisterhelden in ganz Deutschland gefeiert. Sogar in Dortmund gab’s einen großen Bahnhof für Königsblau. „Da hatten wir eine Stunde Aufenthalt”, lacht Willi Koslowski: „Denn sogar die Dortmunder Spieler Jockel Bracht und Heini Kwiatkowski sind zum Bahnhof gekommen und haben uns bei einem Gläschen Bier gratuliert.”

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Als die Schalker endlich in Gelsenkirchen angekommen waren, wurden sie in ihrer Heimat von 100 000 Menschen empfangen: Mit einem Autocorso ging’s über die Bahnhofstraße zum Schalker Markt, wo Berni Klodt eine Kneipe hatte. Und dort wurde Schalkes siebte Deutsche Meisterschaft, die erste seit 1942, ganz groß gefeiert – laut Willi Koslowski „eine ganze Woche lang”.

Waren in den 30er- und 40er-Jahren Ernst Kuzorra und Fritz Szepan die prägenden Figuren, so war dies bei der 58er-Meisterschaft Berni Klodt. „Einen solchen Spielführer habe ich nie wieder gehabt”, erinnert sich Willi Koslowski: „Der Berni war so ein lieber Kerl – er ist niemals laut geworden und hatte immer für alle Verständnis und ein offenes Ohr.” Ein netter Zufall, dass seine Wirtschaft am Schalker Markt auch über Jahre der Treffpunkt für die gesamte Mannschaft war. Aber, bevor irgendwelche Missverständnisse aufkommen, lächelt Willi Koslowski: „Berni hat nie selbst getrunken. Hinterm Tresen stand seine Frau Anette und hat bedient.” Später ist Berni Klodt dann nach Garmisch gezogen, wo er 1996 starb.

„Post vom Meister“ Willi Koslowski

Dass es für Schalke die bislang letzte Deutsche Meisterschaft werden sollte, hätte damals niemand geahnt. Im Folgejahr kam Schalke im Europapokal der Landesmeister zwar bis ins Viertelfinale gegen Atletico Madrid und damit weiter, als jede andere deutsche Mannschaft zuvor, doch in der Meisterschaft hatten die Blauen keine Chance. „Die Leistung war nicht mehr so da, und es gab auch ein bisschen Stunk”, erinnert sich Willi Koslowski und schmunzelt: „Aber Einigkeit gab’s auf Schalke ja ohnehin selten.”

Einer wie er, der schon so lange dabei ist, muss es wissen. Zu Ehren von Willi Koslowski haben sie seinen Dienstwagen, der vor dem Büro in der alten Geschäftsstelle parkt, auf Schalke übrigens mit einem netten Schriftzug versehen: Post vom Meister.