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Letzter Mann hält: Feldspieler im Tor

Letzter Mann hält: Feldspieler im Tor

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Als 96-Keeper Florian Fromlowitz vom Platz flog, opferte sich Jan Rosenthal – und hielt den folgenden Elfer! Nicht das erste Mal, dass einem Verein die Torwartreserven ausgehen. Doch Not am letzten Mann macht erfinderisch.

Strafraum statt Ruhestand

Noch gar nicht lange her ist der Einsatz von Dirk Heinen im Tor von Arminia Bielefeld. Dem Torhüter, der letzte Saison eigentlich schon im Ruhestand war, erreichte ein Anruf von DSC-Torwarttrainer Thomas Schlieck. Die eigentliche Nummer Eins im Tor der Arminen, Matthias Hain, hatte sich zum Ende der Hinrunde verletzt, und der Reservist Rowen Fernandez musste zum Afrika-Cup nach Ghana. Heinen, der zu dem Zeitpunkt schon in Irland seine neue Heimat gefunden hatte, solle sich doch bitte schon mal fit halten. Fernandez kam verletzt aus Afrika zurück, und Heinen machte sich zum ersten Mal auf in Richtung Bielefeld. Zu einem Einsatz kam es aber noch nicht. Beide Keeper wurden rechtzeitig fit, und Heinen konnte sich wieder auf die grüne Insel verabschieden. Im April verletzte sich Matthias Hain allerdings erneut, und Dirk Heinen musste mal wieder eingeflogen werden. Nur einen Tag vor dem Auswärtsspiel gegen Hannover 96 kam Heinen zur Mannschaft. Im Spiel geschah dann, was passieren musste: Rowen Fernandez verletzte sich, Heinen kam rein und rettete der Arminia einen Punkt.

Die Tanne im Kasten

Unvergessen auch das dramatische Bundesligaspiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Bayern München in der Saison 1999/2000. Beim Stand von 0:1 parierte Bayerntorwart Oliver Kahn einen Elfmeter. Als kurz darauf der eigene Abwehrspieler Samy Kuffour mit der Eleganz einer Felslawine auf ihn prallte, musste er das Feld verletzt verlassen. Doch auch Ersatztorwart Bernd Dreher hatte nicht das Vergnügen, den Abpfiff auf dem Rasen mitzuerleben. Ohne Fremdeinwirkung verletzte er sich schwer und musste ausgewechselt werden. Da auf der Reservebank nur noch Feldspieler saßen, streifte sich kurzerhand Michael »Tanne« Tarnat das viel zu große Torwarttrikot über und stellte sich zwischen die Pfosten. Zwar sah er aus wie ein kleiner Junge, der im XXXL-Jersey seines großen Bruders auf dem Bolzplatz steht, trotzdem machte er seine Sache sehr gut. Die Bayern drehten die Partie, und Tarnat fischte immerhin einen Ball aus dem Eck. Dass auch noch Unglücksrabe Kuffour den 2:1-Siegtreffer mit der ihm eigenen Grazie über die Linie drücken durfte, rundete den Abend für die Münchner perfekt ab.

Vom Sofa in den Ibrox-Park

Während die Münchner in Frankfurt einen Torhüter nach dem anderen verschlissen, saß ihr Amateurtorwart Stefan Wessels auf dem heimischen Sofa und schaute sich das Spiel im Fernsehen an. Da neben Kahn und Dreher auch die Nummer Drei bei den Bayern, Sven Scheuer, verletzt war, schlug seine große Stunde. Sofort nach Abpfiff erhielt er den Anruf: Anstatt mit der U20 in den Oman zu fliegen, solle er für die Bayern im kommenden Champions-League-Spiel bei den Glasgow Rangers das Tor hüten. Wessels ergriff die Chance und lieferte ein gutes Spiel im ausverkauften Ibrox-Park ab.

Durch die denkwürdige Verletzungsmisere der Bayerntorhüter wurde er mit 20 Jahren zum jüngsten deutschen Torhüter, der je in der Champions-League gespielt hat. Im gleichen Spiel bewies übrigens auch Michael Tarnat erneut, wie unersetzlich er ist: In der 90.Minute erzielte er mit einem Freistoß den 1:1 Ausgleich.

Flo im Tor

In der Saison 1997/1998, im Spiel Bayer Leverkusen gegen Werder Bremen wurde es plötzlich hektisch auf dem Platz: Oliver Reck, der zuvor mit einem »Snickers« beworfen wurde, fliegt erst mit gelb-rot, weil es aber seine erste Gelbe Karte war, dann doch glatt mit Rot vom Platz. Sein Befreiungsschlag wurde von Schiedsrichter Fröhlich als ein Foul gegen Ulf Kirsten gewertet. Ersetzt wird Reck, weil die Bremer kurz zuvor zum dritten Mal gewechselt hatten, durch den relativ erfolglosen Stürmer Hårvard »Howie« Flo. Den Freistoß, getreten von Stefan Beinlich, konnte der Norweger nicht halten. Die restlichen Minuten des Spiels blieb er aber ohne Gegentor. Werder verlor trotzdem mit 1:4.

Pogotanz mit Koller

Noch nicht lange her und deshalb in guter Erinnerung: Der Einsatz von Feldspieler Tuncay im türkischen Kasten beim EM-Spiel gegen Tschechien. In einem dramatischen Spiel drehten die Türken einen 0:2-Rückstand in eine 3:2-Führung. Ihr Torhüter Volkan Demirel freute sich darüber so sehr, dass mit dem tschechischen Stürmerturm Jan Koller einen lustigen Pogo beginnen wollte. Doch 2-Meter-Mann Koller verfügte leider nicht über mehr Sinn für Humor, als in seinen rechten Zeh passt, und ging nach der unmenschlichen Attacke zu Boden wie eine gefällte nordische Tanne. Der Türke sah daraufhin den Roten Karton und sein Mitspieler Tuncay die Möglichkeit, seine Torhüterfähigkeiten unter Beweis zu stellen. Leider durfte er keinen einzigen Ball mehr halten.

Ein riesiges Multitalent

Einige Jahre zuvor war Jan Koller selbst in einer ähnlichen Situation. Erst erzielte er in der siebten Minute noch die 1:0 Führung gegen die Bayern. Die aber kamen zurück und gingen in der 66. Minute sogar in Führung. BVB-Torwart Lehmann sah dabei den Torschützen Claudio Pizarro im Abseits und meckerte so lange, bis Schiedsrichter Weiner nichts anderes blieb, als ihm zum Duschen zu schicken. Dort wartete schon Torsten Frings, der bereits in der 41. Minute mit Gelb-Rot vom Platz gestellt wurde. Die Dortmunder, mit ihrem Wechselkontingent erschöpft, machten den Längsten der Mannschaft zum Torwart. Doch nicht nur seine Größe wusste der Tscheche in den gut 25 Minuten Restspielzeit hervorragend einzusetzen. Es blieb beim 2:1 für die Bayern. Der »Kicker« wählte Koller darauf in die Elf dieses zwölften Spieltages der Saison 2002/2003 – als Torhüter!

von Max-Jacob Ost und Erik Rossel

Erschienen am 08. Dezember 2008 auf 11Freunde.de