Veröffentlicht inSport

Ein Mann, viele Worte – Hans-Josef Justen ist gestorben

Ein Mann, viele Worte – Hans-Josef Justen ist gestorben

Justen.jpg
Ein historisches Bild: Hans-Josef Justen (li.) im Wettrennen mit Sepp Herberger. Foto: WAZ/Archiv
Er hat den Sport im Ruhrgebiet geliebt und ihn als Sportchef der WAZ über Jahrzehnte begleitet. Am Freitag ist er im Alter von 71 Jahren gestorben.

Essen. 

Bei Olympischen Spielen war Hans-Josef Justen Stammgast, bei Fußball-Weltmeisterschaften sowieso, und die Medaillen, die Endspiele, die er kommentiert hat, die lassen sich kaum zählen.

Wie die Stars geboren wurden und wie sie verglühten, das hat er über viele Jahrzehnte hautnah miterlebt, aber das größte Glück, das stand ganz am Anfang, und das hat der gebürtige Gladbecker einmal so beschrieben: Wenn der Vater am Wochenende das Fahrrad putzte, bis es glänzte und funkelte, das war doch wahrlich das größte Glück der Erde! Nichts war schöner, denn dann wusste er – heute geht es zum Fußball!

Und wenn der Vater ihn dann endlich auf die Lenkstange hob und zur Glückauf-Kampfbahn radelte, wenn die aufgeregten Rufe der Zuschauer immer lauter wurden und das Kassenhäuschen endlich in Sicht war, dann führte dieser Weg geradewegs: ins Paradies!

RuhestandDas muss man wissen, wenn man jetzt Hans-Josef Justens Tod vermelden muss und sich an die vielen Jahre erinnert, in denen er den Sport der WAZ geleitet und den Sport im Ruhrgebiet wie kaum ein anderer begleitet, beobachtet, kommentiert – und vor allem geliebt hat.

Hans-Josef Justen war nämlich kein nüchterner Analytiker. Er schrieb, wie er lebte: mit heißem Herzen. Wenn er kritisierte, dann flogen die Fetzen, und wenn er jubelte, dann donnerten die Fanfaren. Das hat ihm Kritik, aber noch viel mehr Zustimmung eingebracht, denn alle wussten: Dieser Mann ist eine ehrliche Haut.

Mit Schalke-Legende Ernst Kuzorra saß Justen gern zusammen

Und dieser Mann hatte nicht nur ein heißes, sondern auch ein großes Herz. Es schlug für die Leichtathleten, für die Schwimmer (in seiner Jugend war er ein großes Talent), es schlug für den ganzen Sport, nicht zuletzt für den am „Rand“, aber der Fußball, der war sein Schicksal, und das schon in einer Zeit, als die dicken Scheine noch nicht den Lauf bestimmten.

Mit Ernst Kuzorra etwa saß Justen gern zusammen, oft im „Palisander-Raum“ des damaligen Parkstadions, ein Ort, den Kuzorra angeblich nicht nur wegen der Fachsimpelei besuchte. Der Ernst kommt heute nicht wegen des Fußballs, grinste Justen, wenn die Schalker mal wieder nicht so doll spielten.

Der Ernst kommt wegen des tollen Fernsehgeräts, da kann er die Biene Maya in Farbe gucken! Ein kleiner Seitenhieb auf die Schalker, natürlich, und eine große Erinnerung an die Zeit, als Fußball-Legenden keinen Fernseher hatten und Zigarren verkauften.

Wie sehr das Geld den Ball vergiften konnte, hat er früh begriffen. Der Bundesliga-Skandal war eine der ersten großen Geschichten, mit denen der junge Sportredakteur betraut worden war, und dass nun keiner denken soll, dass Sport mit Politik nichts zu tun hat, hat er spätestens bei den Olympischen Spielen in München erlebt, als der Terror die Heiterkeit auslöschte.

Breitseite im „Montagskommentar“ der WAZ

Den unaufhaltsamen Aufstieg des Kommerz konnte er nicht aufhalten, wie auch, und mit der scharfen Kritik an den Auswüchsen sprach er vielen aus dem Herzen. Den Fußballern war er bei allen Dissonanzen stets nah, er hat genau gewusst, was sie bewegte, aber eine gesunde Distanz ging nicht verloren.

So manch ein „Star“ hat sich denn auch schwer geärgert, wenn er im legendären „Montagskommentar“ der WAZ eine volle Breitseite abbekam, aber wenn der Pulverdampf abgezogen war, hieß es auch oft: Eigentlich hat er recht gehabt, der Justen.

Natürlich war das eine andere Zeit, in der einer wie Justen uns den Fußball erklärte. Da konnte man noch mit einem Spieler einfach mal plaudern, ohne dass der Pressechef des Klubs, der Mediendirektor des Verbands und der persönliche Manager das zuvor persönliche Frage- und Antwortspiel dreimal wendeten, gründlich durchspülten und es am Ende in eine offizielle Vereinsmitteilung verwandelten.

Das war schon anders, in der alten Zeit, die manchmal auch gut war. Da wurden Interviews auch schon mal auf der Gartenterrasse des Bundestrainers geführt, bei Kaffee und selbstgebackenem Kuchen, und zum Abschluss verabredeten sich Bundestrainer und Reporter noch schnell zu einem Wettlauf rund ums allerhöchste Häuschen, angefeuert von Sepp Herbergers Frau Ev.

Feiern konnt der „Hennes“ gut

Spätestens bei der Weltmeisterschaft in Italien spürten wir, dass dies so nicht mehr möglich war. Erstmals wohnten Mannschaft und Reporter nicht mehr unter einem Dach, Interviews wurden wie Audienzen gewährt. Er wurde unpersönlich, der Fußball, aber wir Journalisten haben uns getröstet, indem wir auf dem Marktplatz in Como selbst abends vor den Ball traten, gern gegen die englischen Kollegen, und wenn wir ein Tor geschossen hatten, dann haben wir uns umarmt und anschließend gehörig gefeiert, denn auch das konnte er gut, der „Hennes“, wie wir ihn nannten.

Ein Jahr nach dem Tod seiner geliebten Helga ist Hans-Josef Justen nun gestorben, im Alter von 71 Jahren. Wir werden ihn vermissen. Und wenn es einen Fußballgott gibt, dann wird dort oben schon an diesem Wochenende ein Fahrrad bereit stehen, blitzeblank geputzt.