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Katar ist das Land, das sich keinen Schlaf leistet

Katar ist das Land, das sich keinen Schlaf leistet

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Foto: dpa
Katar ist Sport im Akkord: Handball-Weltmeisterschaft, Tennis und Vorbereitungsparadies für Fußballklubs. Bis zur WM 2022 soll alles perfekt sein.

Doha – das ist Sport im Akkord. Schalke 04 und Bayern München bereiten sich derzeit in der Aspire Academy auf die Rückrunde der Fußball-Bundesliga vor, Tennisprofi David Ferrer hat am Samstag knapp 200 000 Dollar und das ATP-Turnier gewonnen. Am Donnerstag hat die Handball-Weltmeisterschaft begonnen. Das alles in einem Umkreis von 20 Kilometern.

Im Fokus steht aber vor allem ein Event, das erst in sieben Jahren stattfindet: die Fußball-WM 2022. Seitdem Emir Sheikh Hamad bin Khalifa Al-Thani, der Emir mit der Zahnlücke, am 2. Dezember 2010 in Zürich den WM-Pokal in die Höhe streckte, steht fest, dass Katar die WM ausrichtet.

Für Sascha und Patrick steht dagegen schon heute fest, dass sie den Emir nicht wiedersehen wollen. Sie bleiben 2022 zu Hause in Bayern. „Katar ist nicht meine Welt”, sagt Sascha, der seinen Jahresurlaub gerade im Trainingslager des FC Bayern München verbringt.

Autorennen der reichen Männer

Wenn New York die Stadt ist, die niemals schläft, dann ist Doha die Stadt, die sich den Schlaf gar nicht leisten kann. Wo noch kein Wolkenkratzer steht, kommt einer hin. Geld spielt keine Rolle.

Sascha und Patrick blicken aus dem Fenster ihres Fünf-Sterne-Hotels mitten auf eine Baustelle, auf der rund um die Uhr gearbeitet wird. Wenn die Nachtschicht anrückt, müssen die Gastarbeiter aufpassen, dass sie nicht überfahren werden. Die West Bay Area wird für die reichen Männer mit den dicken Autos in der Nacht zur Rennstrecke. Zum Protzen!

Morgens gegen halb zehn, wenn Sascha und Patrick mit dem Taxi zum Training der Bayern fahren, geht auch auf der West Bay Area nichts mehr. Für die 17 Kilometer braucht der Taxifahrer schon mal eine Stunde. Entweder steht er im Stau, oder er fährt Umwege, damit sich die Fahrt für ihn lohnt. „No Benefit”, schimpft er sonst.

Am Samstag waren Sascha und Patrick beim Testspiel der Schalker gegen Ajax Amsterdam. Im Stadion des Qatar Sports Club wurden sie von Ordnern bis zu ihren Sitzplätzen begleitet. Bei allem Komfort: Aufs Stadionbier mussten sie verzichten. „Wasser ohne Kohlensäure und Eistee”, berichtet Sascha, dem der Durst später in der Hotelbar endgültig verging. 100 Riyal, etwa 25 Euro, musste er für zwei kleine Flaschen Bier auf die Theke legen. Ein Kater kann in Katar teuer werden. Dann doch lieber Wasser ohne Kohlensäure.

Ein Trainer aus Südeuropa trinkt ohnehin lieber Wasser als Bier. Er konnte Ende 2010 noch nicht ahnen, welchen Einfluss die WM-Vergabe kurze Zeit später auf seinen Werdegang nehmen würde. „Damals habe ich auch den Kopf geschüttelt, als ich das mit Katar gehört habe”, sagt er. Jetzt ist sein Hobby in Doha sein Beruf. Seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen. Man wisse ja nie…

Das Gehalt hat ihm die Entscheidung, das Angebot aus Katar anzunehmen, leicht gemacht. In sieben Jahren wird er wissen, wie erfolgreich seine Arbeit ist. Denn das hängt wesentlich mit dem sportlichen Abschneiden Katars bei der WM im eigenen Land zusammen.

Der Mann kennt die Bedenken über die WM-Vergabe nach Katar und kann sie sogar nachvollziehen. Auch die Sorgen der Fans, die unter anderem um ihr Stadionbier bangen. In einem Imagevideo hat er gesehen, dass die Fans mit Schiffen zu den WM-Stadien gefahren werden sollen. Seine Vermutung: „Damit will man das Saufen auf öffentlichen Plätzen verhindern.”

Zum Biertrinken raus aufs Meer

Hassan Al-Thawadi, der Chef des WM-Organisationskomitees, hat es schließlich noch einmal klargestellt: „Alkohol ist nicht Teil unserer Gesellschaft.” Was an Land gilt, hat bei der WM auf See dann offenbar keine große Bedeutung.

Die Korruptions-Vorwürfe bei der Abstimmung, die Berichte über die skandalösen Bedingungen für die Arbeiter auf den Baustellen oder die Strafbarkeit von Homosexualität im muslimischen Land sind dem Trainer bekannt. Kommentieren möchte er diese Missstände aber nicht. „Haben Sie bitte Verständnis”, sagt er und schaut lieber noch einmal auf sein Handy. Es könnte jemand mithören. „Sportlich, das versichere ich ihnen, ist das hier zu hundert Prozent ehrliche Arbeit”, erklärt er.

In der Aspire Sports Academy für Excellence, einem über eine Milliarde US-Dollar teuren Komplex, soll unter besten Bedingungen eine Nationalmannschaft heranwachsen, die den Anforderungen der WM gerecht wird. Das Team soll die Kataris stolz machen. Fußball ist der Sport Nummer eins. In der Fifa-Weltrangliste liegt Katar auf Rang 92, hinter Litauen und vor dem Oman.

Der Masterplan für 2022 werde dennoch aufgehen, davon ist der Trainer überzeugt. Eines spricht klar für Katar: die Zeit. Die Arbeit trägt erste Früchte. Die U-19-Nationalmannschaft wurde im Oktober Asienmeister. Im Sommer geht es zur U-20-WM nach Neuseeland. Und in sieben Jahren sind die Toptalente von heute dann: im besten Fußballalter.