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Schwitzhütten-Seminar mit Medizinmann in Bad Sulza in Thüringen

Mit dem Medizinmann in der Thüringer Schwitzhütte

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Rein optisch könnte Tom Bluewolf in jeder amerikanischen Vorabendserie der achtziger Jahre mitgespielt haben. Der (Halb-)Indianer vom Stamm der Musco ist Medizinmann. In Bad Sulza bietet er ein Schwitzhütten-Seminar an. Ein Selbstversuch.

Bad Sulza. 

Man braucht kein allzu ausgeprägtes Gespür für Kontraste, um den Medizinmann Tom Bluewolf im Konferenzzimmer der Toskana-Therme in Bad Sulza als etwas Besonderes wahrzunehmen. Er sitzt ruhig zwischen Buchenholzwänden und mintgrünen Vorhängen auf einem der kreisrund um einen Flokatiteppich angeordneten Stühle. Aus einem kleinen CD-Radio kommen indianische Gesänge und auf dem Teppich liegt etwas, das aussieht wie eine aus einem Kaninchenfell gemachte Rassel. Es wirkt sehr geheimnisvoll.

„Nun ist der letzte Vollmond vor dem Winter“, sagt Tom Bluewolf dann mit fester, tiefer Stimme und in amerikanischem Englisch: „Keiner ist hier, der nicht hier sein sollte.“

Hier, das ist das Schwitzhütten-Seminar in der Toskana Thüringens, geleitet von Tom Bluewolf, einem Indianer vom Stamm der Muscogee. Noch ist nicht ganz klar, warum heute 20 Leute nach Bad Sulza gekommen sind.

Die unterschiedlichsten Motive führen zusammen

Junge Paare, langhaarige Männer, ein Vater mit Sohn, zwei Freundinnen. Erst die Vorstellungsrunde erklärt die unterschiedlichen Motive. Ein Teilnehmer sagt entspannt, dass er sich einfach für „Sweatlodges“, wie die indianischen Schwitzhütten bezeichnet werden, interessiere. Ein anderer äußert ernst, dass er sich mit indianischen Ritualen beschäftige. Ein dritter, dass sein Leben nach einer Krankheit aus der Bahn geraten sei und er sich hier eine Seelenheilung erhoffe. Ein vierter schließlich ist den Tränen nahe, weil er seine Familie so sehr liebe und nicht wisse, wie er diese Liebe zurückgeben könne.

Es ist still, ein wenig unbehaglich. Bis Tom Bluewolf nickt und ruhig sagt: „Die Welt ändert sich schnell, und wenn die Welt Schmerzen hat, dann haben wir Menschen auch Schmerzen.“ Seine blauen Augen blicken durchdringend in die Runde. Plötzlich ist jeder Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Seminars verschwunden. Auch jedes Bedenken, dass in diesem Raum irgendetwas lächerlich wirken und der Schamanismus zum Schmarrn verkommen könnte.

Der US-Amerikaner Tom Bluewolf ist 65 Jahre alt, hat braune Haare, blonde Augenbrauen und graue Schläfen. Er ist der Sohn eines Deutschen und einer Indianerin und pflegt die spirituelle Kultur seit seiner Kindheit, macht Musik, handelt mit Kräutern und veranstaltet als ausgebildeter Medizinmann weltweit Sweatlodge-Zeremonien.

Vor zwölf Jahren hat er Marion Schneider getroffen, die gemeinsam mit ihrem Mann die Toskana-Therme in Bad Sulza führt. Sie haben sich angefreundet und irgendwann entstand die Idee, dieses Seminar zu veranstalten. Nun sitzt Marion Schneider als Übersetzerin an seiner Seite.

Ein amerikanischer Serienheld aus den 80ern

Rein optisch könnte Tom Bluewolf aber auch in jeder amerikanischen Vorabendserie der achtziger Jahre mitgespielt haben. Ein bisschen Colt Sievers steckt in ihm, ein bisschen MacGyver und Steven Segal. Er hat die Vertrauenswürdigkeit eines Bergführers, strahlt die Ruhe eines Notarztes aus und spricht mit der deeskalierenden Bedächtigkeit eines Katastropheneinsatzleiters. Nur einmal angenommen, in der Therme würde genau jetzt ein Großbrand ausbrechen oder ein Erdbeben würde Bad Sulza erschüttern, dann müssten wir nur in Tom Bluewolfs Nähe bleiben und uns würde garantiert nichts passieren.

Kurz bevor wir hinaus in die Sweatlodge gehen, schallt aus dem Konferenzraum, wo zeitgleich das spirituelle Seminar „Holotropes Atmen“ stattfindet, eine „Voyage Voyage“-Discoversion zu uns herüber und übertönt Bluewolfs Ausführungen. Vermutlich hätte sich jeder andere Seminarleiter darüber aufgeregt. Ein Indianer aber beginnt sanft zu tanzen, lächelt und sagt: „Ich mag das.“ Tanzt weiter. Schließt die Augen. Hebt die Arme. Ballt die Fäuste. Sagt: „So stelle ich mir den Sound vor, den Babys im Mutterleib hören. So, wie wir es in der Sweatlodge simulieren werden.“ Und schon sind wir wieder mitten im Thema.

Schwitzhütte ähnelt einem mit Steinen stabilisiertes Iglu

Vorbei an Whirlpools, dampfenden Kaskadesolebecken und der Saunalandschaft folgen wir dem Blauen Wolf hinaus zur Schwitzhütte. Die steht im Garten der Therme und sieht aus wie ein mit Steinen stabilisiertes Iglu. Wir stehen davor, und Tom beginnt, indianisch murmelnd zu beten. Das Gebet wendet sich an die Ahnen und geht in die vier Himmelsrichtungen, an die Erde, die Sterne und zum Herzen. Wir drehen uns also erst nach Westen und sehen in den Thüringer Mischwald, drehen uns nach Süden und sehen auf das alte Klinikzentrum, drehen uns nach Osten und sehen auf die Saunalandschaft, drehen uns nach Norden und sehen auf Toms rot-gelbes Indianerzelt. Als ein Regionalzug hinter dem Zaun vorbeifährt, entzündet Uli, der „Firekeeper“, das rituelle Feuer. Uli ist eine Art Ureinwohner von Bad Sulza. Er trägt einen Lederhut und ein Holzfällerhemd und wird die 45 Steine mit einer Mistgabel aus dem Feuer holen und in die Schwitzhütte tragen.

Es ist dunkel im Inneren. Und eng. Nicht nur, weil der Platz für uns alle ziemlich knapp ist. Sondern auch weil, wie Bluewolf sagt, weit über 20 000 Ahnen mit dabei sind. Im Gebet hätte jeder von uns etwa 1200 seiner Vorfahren eingeladen. Tom singt etwas Unverständliches, trommelt und schüttet Wasser auf die heißen Steine. Es zischt, riecht nach Rauch. Langsam wird es warm. Das ist der Prozess des Erwachens. Dann folgt Runde zwei, die Heilung. Und Firekeeper Uli bringt zehn weitere Steine.

Es ist eng – über 20 000 Ahnen schwitzen mit

In Runde drei und vier wird es rauchig, feucht und richtig heiß. „Jetzt kann es schwierig für euch werden“, hatte Tom angekündigt und von Bären berichtet, die uns Geschichten erzählen, von Wölfen, die in uns kämpfen, von Kojoten, die uns in die Irre führen wollen. Und von unseren Ahnen, die uns nun kontaktieren. Toms Empfehlung lautete: „Denkt jetzt ganz fest an jemanden, den ihr liebt.“

Am Ende wanken wir alle erschöpft nach draußen. Gereinigt. Wiedergeboren. Vielleicht ja auch seelengeheilt. Jedenfalls blicken wir, als sich unsere Augen wieder ans Thüringer Tageslicht gewöhnt haben, in das große Fenster der Panoramasauna – und die nackten Thermengäste auf uns zurück.

Die nächsten Seminare mit Tom Bluewolf finden am 15. und 16. Oktober 2011 in der Toskana-Therme in Bad Sulza statt. Das Ritual dauert von 11 bis 18 Uhr und kostet 100 Euro pro Teilnehmer. Weitere Informationen unter www.earthkeepers.net und www.toskanaworld.net.