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In Wyoming mit den Cowboys Viehherden treiben

In Wyoming mit den Cowboys Viehherden treiben

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Auf der Dryhead-Ranch in Wyoming können Hobbycowboys gemeinsam mit echten Cowboys Viehherden treiben und am Ranchleben teilnehmen. Auf der Workingranch steht die Arbeit im Vordergrund, Luxus gibt es auf den Zimmern wenig, dafür aber echte Wildwest-Romantik.

Essen. 

Niemanden würde es wundern, wenn hinter der nächsten Biegung John Wayne hervor galoppieren würde. Die Fahrt auf dem holprigen roten Sandweg fühlt sich an wie die Reise in eine andere Zeit. „Große Ebene“ bedeutet Wyoming in der Sprache der Indianer und wirklich erscheint die Straße, die sich bergauf und bergab durch die Einsamkeit schlängelt, endlos. Aber irgendwann hält der riesige Suburban Geländewagen dann doch.

Eingebettet in die Weite Wyomings im Reservat der Crow Indianer liegt die Dryhead-Ranch. Die Ranch ist weder Show-Ranch noch Touristenziel, sondern eine Working Ranch. Das heißt, hier verrichten echte Cowboys echte Arbeit. Gast-Cowboys sind herzlich willkommen, aber im Vordergrund steht die Arbeit. So gibt es weder Schwimmbad, Minibar oder Fernseher auf dem Zimmer, noch anderen besonderen Komfort. Aber Dryhead hat viel mehr zu bieten: Echtes Cowboyleben. Und zum echten Cowboyleben gehört auch der traditionelle Cattle-Drive.

Ein alter Hase treibt 500 Rinder vor sich her

Zwei Mal im Jahr treiben die Rancher ihre Herden durch die Prärie: im Frühling hinauf auf die saftigen Bergwiesen, im Herbst vor Einbruch des harten Rocky Mountains-Winters zurück in die geschützten Winterquartiere. So machen sich auch Jake, Chris, Will und Sky, die Cowboys der Dryhead-Ranch, mit ihrer 500 Köpfe großen Herde auf den 70 Meilen langen Trail. An ihrer Seite acht Treiberhunde und eine bunt gemischte Gruppe Gast-Cowboys aus aller Welt.

George ist schon ein alter Hase. Zum dritten Mal tauscht er für eine Woche Business-Anzug gegen Lederchaps, um eine Woche auf der Working-Ranch mit anzupacken. Und er weiß genau, was einen echten Cowboy ausmacht: Er trägt Cowboyhut, Stiefel, Sporen und das obligatorische Halstuch.

Chefcowboy Jake mustert die Gruppe sorgfältig, mischt Größe, Reiterfahrung und besondere Wünsche und wählt erstaunlich treffsicher für jeden der Treiber-Debütanten das richtige Pferd aus der großen Dryhead-Herde. „Das ist unser Baxter. Ein toller Bursche.“ Jake kommt mit einem kleinen Schecken auf mich zu und drückt mir den Strick in die Hand. Kurz darauf sitzen wir im Sattel und verteilen uns um die laut blökende Herde.

Über rote Felsen und grüne Hügel

Die Cowboys öffnen das Gatter und los geht’s. Bis zum Horizont spannt sich der hellblau leuchtende Himmel des „Big-Sky-Country“ über rote Felsen, grüne Hügel und schneebedeckte Berggipfel. Und wie schon Generationen und abertausende Rinder vor uns machen wir uns auf den Weg durch die Prärie Richtung Norden. Stunde um Stunde reiten wir durch die Einsamkeit, genießen einfach nur die Bewegung des Pferdes unter dem Sattel zu spüren und lassen Blick und Gedanken in die Ferne schweifen. Eine Gruppe Wildpferde beobachtet neugierig Reiter und Herde, galoppiert über die Ebene und verschwindet hinter einer Hügelkette.

Die Cowboys erzählen von ihren Pferden und Rodeos, Lassowettbewerben und ihrem Leben: „Seit wir unser Baby haben, ziehe ich weniger von Ranch zu Ranch“, erzählt der 26jährige Sky. „Ich arbeite jetzt mehr mit Pferden und bilde Treiberhunde aus.“ Das ist nicht immer ganz einfach wie man gerade sieht: Obwohl beim Viehtrieb strengstes Kläff-Verbot herrscht, tobt Skys Hund Bob plötzlich bellend zwischen die gemütlich dahintrottenden Kühe und bringt die ganze Herd durcheinander. „Down!“ Mit energischem Befehl ruft der Cowboy seinen Hund zur Raison, aber Bob ist nicht zu bremsen. Immer wieder schnappt er nach den Beinen einer Kuh, bis diese gereizt plötzlich den Spieß umdreht. Furchterregend schnaubend, schleudert sie dem Hund speichelnd ihre Wut entgegen, tritt mit Vorder- und Hinterhufen nach dem Störenfried, bis dieser endlich die Flucht ergreift.

Am Abend der ersten Etappe tut alles weh

Nach etwa sechs Stunden treiben wir die Herde in ein eingezäuntes Weidestück: Ziel der ersten Tagesetappe und Übernachtungsplatz für Vieh und Pferde. Krummbeinig und mit steifem Gang steigen wir in Jennifers Suburban, der uns zurück zur Ranch bringt. Beine und Hinterteil schmerzen, aber alle haben ein zufriedenes Lächeln im Gesicht.

Am Abend lockt der Duft von geschmortem Fleisch ins „Cook-House“. Arbeitshandschuhe und Hüte liegen auf der Fensterbank. Aber mehr legt der Cowboy auch während der Mahlzeit nicht ab. So klirren die Rädchensporen an den verstaubten Stiefeln bei jedem Schritt entlang des Buffets. „Heute habe ich ein Rezept meiner Großmutter gekocht,“ erklärt Köchin Jackie die dort angerichteten Speisen. „Es stammt noch aus dem Kochbuch der Kirchenfrauen von Dryhead.“ Und die wussten, was Cowboys mögen: Hähnchen in Milch eingelegt, mit Crackern paniert und im Ofen geschmort. Dazu hausgebackenes Brot und Salat.

Der Tag endet auf der Veranda des Bunkhouses, der Schlafbaracke. Die traditionelle Herberge bietet Cowboys und Gästen einfache aber gemütliche Blockhaus-Zimmer im Westernstil. Über der Holzbank vor den Türen der Kammern hängt alles, was ein Cowboy so braucht im Leben: Lederchaps, Steigbügel und natürlich ein Lasso.

Grinsende Gesichterunter Cowboy-Hüten

Ein Pferd streckt neugierig den Kopf über das Geländer und lauscht den Gesprächen über die Erlebnisse des Tages. Schnell bricht die Nacht herein. Fernab vom Licht der Stadt funkeln die Sterne wie Brillianten am tiefschwarzen Himmel. Und nur das Heulen eines Kojoten durchbricht die Stille der Nacht.

Nach vier Tagen drängelt sich die Herde durch das Dryhead-Gatter. Jake schließt lachend das Tor hinter dem letzten Kalb und spuckt aus: „We have made it!“ Wir haben es geschafft! Um ihn herum grinsende Gesichter unter ziemlich verstaubten Cowboyhüten.