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Auf Bouillabaisse-Genussreise in Marseille

Auf Bouillabaisse-Genussreise in Marseille

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Früher galt sie als die Suppe der Armen, heute ist sie eine Edelmahlzeit: die Marseiller Bouillabaisse. Sie ist eines der Markenzeichen der Stadt und wird in vielen Restaurants angeboten, zum Beispiel im „Miramar“. Dort wird die edle Fischssuppe bereits seit 60 Jahren serviert.

Marseille. 

Es riecht nach Fisch, Salz und Meer. Das Aroma des Hafens mischt sich mit dem Geruch der Straße zum Duft von Marseille. Die ersten Fischer machen ihre Kutter am Quai de Belges fest, schleppen ihren Fang an Land und bauen wie jeden Morgen ihre Stände auf. Mit einem kräftigen Schwung entleert auch Philippe seinen Fang in eine Plastikwanne.

Noch vor zehn Jahren galt das Hafenviertel als düstere und unsichere Gegend. Heute geraten die Straßen rund um den alten Hafen immer mehr in den Fokus von Touristen. Neben Hotels, Cafés und Souvenirläden gibt es hier am Vieux Port auch jede Menge Fisch-Restaurants. Auf bunten Tafeln bieten diese vor allem die Spezialität ihrer Stadt an: die Marseiller Bouillabaisse.

Den Namen erhielt die Bouillabaisse aus der Art ihrer Zubereitung: Bouille bedeutet kochen, à baisser, bei geringer Temperatur. Früher kochten die Fischer ihre Suppe aus Fischresten und lange Zeit galt die Bouillabaisse als die Suppe der Armen. Diese überlieferten das Rezept von Generation zu Generation – und dabei gerieten auch einige Mythen mit in den Topf.

Vom Arme-Leuten-Essen zur Edelmahlzeit

So sagten die Fischer, das Gelingen der Suppe hänge davon ab, dass die Pfanne beim Kochen tief in den Flammen verschwinde. Andere behaupteten, neben einem Schuss Pastis, gehöre immer auch ein wenig Asche in die Suppe. Unstrittig ist: Die Bouillabaisse hat Karriere gemacht und ist vom „Arme-Leute-Essen“ zur Edelmahlzeit avanciert.

Am Stand von Michel Lubrano werden die Küchenchefs allerdings nicht mehr fündig. Vor den Augen der staunenden Zuschauer lüftet der 85-Jährige seine karierte Mütze und holt ein getrocknetes Seepferdchen hervor. Statt frischem Fisch verkauft er heute Glücksbringer an Passanten und unterhält sie mit Geschichten und Anekdoten aus seinem vergangenem Fischerleben. Und davon gibt es eine Menge.

69 Jahre lang hat er täglich rund um die Ile d’If gefischt. Hier kam er während des Zweiten Weltkrieges mit einem Deutschen in Kontakt, von dem er heute nur noch den Vornamen weiß: Arthur. Täglich tauschten die beiden Kekse gegen Fisch und wurden Freunde. Während der alte Mann bis zum Mittag nicht mehr von seinem Klappstuhl aufsteht, läuft seine Frau geschäftig auf dem Quai hin und her. Mal hilft Nana beim Wiegen, mal beim Ausnehmen. Und auch sie hat viele Geschichten zu erzählen – vor allem über die Bouillabaisse.

Kurs für Hobbyköche

Die alte Fischerfrau weiß zum Beispiel genau, welche Fische in den Topf gehören. Und die haben ihren Preis: „Alles, was in den Restaurants für unter 50 Euro angeboten wird, ist keine echte Bouillabaisse“, warnt sie, während sie einer Passantin eine der Glücks-Muscheln einpackt. „Außer natürlich die bei mir zu Hause.“ Nana lacht. „Aber die da drüben ist fast genauso gut“, ergänzt sie und deutet mit dem Finger auf das Restaurant „Miramar“.

Beim Betreten des Traditionsrestaurants sieht jeder sofort, worum es hier geht: „La Vrai Bouillabaisse“ steht mit großen goldenen Buchstaben auf der roten Markise. Seit 60 Jahren servieren die Kellner ihren Gästen die traditionelle Fischsuppe. Auch heute kochen seit dem Morgen Hunderte von Litern in riesigen Töpfen. Unter dem wachsamen Auge von Christian Buffa laufen die Vorbereitungen für die Spezialität des Hauses auf Hochtouren.

Seit neun Jahren ist er Chef des „Miramar“ und Vize-Vorsitzender der Bouillabaisse-Charta, einer Vereinigung zur Wahrung der Qualität aus dem Jahr 1980. Christian Buffa weiß alles rund um die berühmteste Suppe der Welt. Das streng überwachte Rezept gibt er allerdings gern an interessierte Hobbyköche weiter. Dazu veranstaltet er einmal im Monat einen Kochkurs.

Die Nacht für die Fischer ist kurz

Nicht nur die Zubereitung, auch das Essen der Delikatesse ist eine besondere Zeremonie: Zuerst serviert der Kellner einen Teller der orangefarbenen sämigen Suppe. Ohne Fisch! Dazu gibt es geröstetes Brot, das mit einer Knoblauchzehe aromatisiert und einer Knoblauch-Safran-Mayonnaise bestrichen und in der Suppe aufgeweicht wird. „Ein Japaner, der dies nicht wusste, hat einmal die ganze Knoblauchzehe mit einem Bissen verspeist. Danach konnte er den Hauptgang nicht mehr genießen“, erzählt Christian und blinzelt vergnügt. Schade, denn erst der zweite Teller Suppe ist gefüllt mit dem Filet von Meeraal, Drachenkopf, Knurrhahn, Sankt Petersfisch, Seekrabbe und Kartoffeln.

Fünf Dinge seien es, die Marseille ausmachen, erklärt Christian Buffa einem Gast beim Abschied: „Die Sonne, der Fußballverein Olympique Marseille, die Kathedrale Notre Dame de la Garde, der Pastis und die Bouillabaisse“.

Als die Kellner am späten Abend dann die 100. Portion Bouillabaisse auf die Terrasse tragen, schlafen Seepferdchen-Opa Michel und seine Frau längst. Die Nacht für die Fischer ist kurz. Schon bald werden sie wieder ihre Netze ins Meer werfen, um rechtzeitig mit den Zutaten für die Bouillabaisse des neuen Tages zurück zu sein.