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Was Sie über den Rhein-Ruhr-Express wissen sollten

Was Sie über den Rhein-Ruhr-Express wissen sollten

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Siemens baut die Züge für Rhein-Ruhr-Express Foto: Archiv/dpa
Das Bahnnetz an Rhein und Ruhr steht vor einem tief greifenden Umbau. Was beim Rhein-Ruhr-Express passiert und wie – wir geben Antworten.

Essen. 

Heute noch rollen rote Züge durchs Ruhrgebiet. Es sind die der Deutschen Bahn. Ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2018 werden viele Triebwagen grau sein, mit weißer Schnauze und Türen in Orange. Diese Züge werden nicht von der DB gefahren, sondern vom privaten britischen Unternehmen National Express und von Abellio, einer Tochter der Niederländischen Staatsbahn. Ganz entscheidend: Sie sollen am Ende schneller und öfter unterwegs sein, wenn alles klar geht mit dem Plan RRX. Das Kürzel steht für Rhein-Ruhr-Express. Er wird etwa bis zum Jahr 2030 in mehreren großen Schritten zusammengebaut.

Warum will das Land NRW den Schienenverkehr zwischen Köln und Dortmund beschleunigen?

Weil die Autobahnen längst zu Staufallen geworden sind, die Zahl der Bahn-Nutzer ständig steigt und Nordrhein-Westfalen mit durchschnittlich 2,4 Millionen Bahnpendlern täglich einer der größten Verkehrsräume Europas ist. Zwischen Duisburg und Düsseldorf waren 2006 täglich 52.000 Fahrgäste unterwegs. Heute wächst die Zahl auf 80.000 zu. Politisch will die Landesregierung die Menschen von der Straße auf die Schiene locken und damit die Autobahnen A 3, A 40, A 42 und A 52 entlasten. Karin Paulsmeyer vom NRW-Verkehrsministerium sagt, jeden Tag sollten „weit mehr als 30.000 Fahrten“ mit dem Auto durch den Rhein-Ruhr-Express ersetzt werden.

Was passiert zwischen 2018 und 2020?

Die Deutsche Bahn (DB Regio NRW) betreibt heute die Regionalexpress-Linien RE 1 (Hamm-Essen-Aachen), RE 4 (Aachen-Wuppertal-Dortmund), RE 5 (Emmerich -Köln-Koblenz), RE 6 Minden-Dortmund-Düsseldorf-Köln/Bonn Flughafen) und RE 11 (Düsseldorf-Essen-Kassel). Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) hat die Strecken in einem Wettbewerb für die nächsten 15 Jahre neu vergeben. Die DB hat dabei ein weniger günstiges Angebot vorgelegt und verloren. Den Verkehr von RE 1 und RE 11 übernehmen ab Dezember 2018 die Niederländer von Abellio. Die anderen Linien fahren unter der Regie der Briten von National Express. Beide Betreiber setzen schrittweise neue Fahrzeuge ein.

Was bedeutet das für den Fahrplan?

Die Wartezeiten auf den Bahnhöfen werden kürzer. Schon Ende 2016 – dann fährt noch der heutige Betreiber DB Regio – soll es auf der Kernstrecke zwischen Dortmund und Düsseldorf drei statt nur zwei Verbindungen pro Stunde geben. Zwischen Duisburg und Essen sind es fünf statt heute vier Fahrten. Im Lauf der Jahre darauf wird, nach Streckenausbau an mehreren Stellen, der Takt auf 15 Minuten auf der Verbindung zwischen Dortmund und Köln verkürzt. RRX und Fernverkehr werden weitgehend dieselben Gleise nutzen. Das geht, weil sie hier auch gleich schnell sein werden. Der etwas langsamere S-Bahn-Verkehr mit seinen zahlreichen Stopps bleibt auf separaten Schienen.

Welche Strecken zwischen Köln und Dortmund werden ausgebaut?

Damit der geplante 15-Minuten-Takt und auch ein höheres Tempo möglich sind, sind Großbaustellen an zwei Punkten in der Planung: Entlang des Rheins zwischen Köln und Duisburg und am Dortmunder Hauptbahnhof. Zwischen Köln-Mülheim und Düsseldorf baut der Staatsbetrieb DB Netz, der für das Schienennetz zuständig bleibt, durchgehend viergleisig aus, zwischen Düsseldorf-Reisholz und Duisburg Hauptbahnhof durchgehend sechsgleisig. Damit ist sichergestellt, dass ICE’s den RRX ohne Wartezeiten überholen und die heute noch oft groben Verspätungen minimiert werden können. In Dortmund wird der Ostkopf des Hauptbahnhofs großräumig umgebaut, damit die Züge ohne viel Kreuzungen in die später ebenfalls geplanten Äste nach Hamm und Münster fahren können. Zu kleineren Umbauten kommt es im Revier-Kernbereich in Mülheim an der Ruhr (neue Weichen) sowie in Essen-Steele, Bochum Langendreer und Bochum Hauptbahnhof.

Was kostet das?

Die letzte Schätzung im Jahr 2014 belief sich auf zwei Milliarden Euro.

Wann wird der Ausbau abgeschlossen sein?

Es ist die aktuell brenzligste Frage. Die Bahn und auch das NRW-Verkehrsministerium nennen neuerdings keine Fertigstellungsdaten mehr. Grund sind massive Bürger-Proteste an der wichtigsten Baustelle im Bereich Angermund, wo sechs Gleise gelegt werden sollen. Bürgerinitiativen fürchten hier den zunehmenden Lärm, wenn statt 480 Züge wie heute künftig 680 vorbeirauschen. Sie fordern einen Tunnelbau, der laut Gutachter 150 bis 180 Millionen Euro kosten würde.

Gefährdet der Widerstand das Projekt?

Karin Paulsmeyer vom NRW-Verkehrsministerium sagt dazu: „Die Klagefreudigkeit ist extrem gewachsen. Wir müssen mit Klagen rechnen“. Die können unberechenbar viel Zeit kosten – und auch das ganze Projekt auf die längere Bank schieben.

Der Fahrzeugpark wird ja davon unabhängig verändert werden. Wie sehen die neuen Züge aus?

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr kauft, das ist auch anders als heute, die geplanten 82 vierteiligen und 160 Stundenkilometer schnellen Triebwagen selbst. Hersteller ist Siemens, der die 105 Meter langen Züge im Werk Krefeld bauen wird. Sie haben mehr Platz und mehr Komfort als heute. Grundsätzlich werden dann die Züge, von denen immer zwei zusammengekoppelt sind, 800 Sitzplätze anbieten, während die Regionalexpresse heute mit Kapazitäten zwischen 400 und 720 Sitzen fahren. Die Endwagen sind ein-, die mittleren beiden Wagen doppelgeschossig. Die Eingänge werden etwas breiter sein, man kann sie stufenlos nehmen. Sie werden mit WLAN-Netzen zum besseren Mobilfunk-Empfang ausgestattet sein und an den Sitzplätzen Steckdosen zum Laden von Laptops, Tablets oder Smartphones haben. Die neuen Einheiten sind mit Videokameras zur Überwachung der Fahrgast-Sicherheit im Zug ausgestattet.

Wer wartet die Züge?

Wie beim Bau der Züge hat Siemens den Zuschlag bei der Wartung bekommen. Wartung und Instandhaltung für einen Zeitraum von 30 Jahren sind Teil des 1,7 Milliarden-Auftrags an den Technologiekonzern. Dafür baut er ein neues Instandhaltungs-Werk in Dortmund. Auf der Fläche des alten Güterbahnhofs Dortmund-Eving zwischen der Bornstraße und dem Gelände der früheren Westfalenhütte finden ab Dezember 2018 zwischen 70 und 100 Mitarbeiter ihren neuen Arbeitsplatz. Noch liegen hier Reste der vorherigen Nutzung in der Erde. „Aber die Räumarbeiten gehen schneller voran als geplant“, sagte der RRX-Projektleiter von Siemens, Jens Chlebowski. 2016 ist Baustart, sagt er.

Gibt es ein Vorbild?

Das steht südlich von London in Three Bridges. Three Bridges ist fast die Blaupause für Dortmund. Die dort von Siemens betriebene „Philosophie“ der Wartung des Thameslink-Netzes, die 2016 vom Konzern übernommen wird, ähnelt der an Rhein und Ruhr. Auch hier gibt es in Zukunft keine festen Wartungsintervalle mehr, wie sie heute noch die DB hat. Siemens wird die Fahrzeuge mit Sensoren und Informationssystemen ausstatten, die bei Schwierigkeiten oder Ausfällen sofort Alarm schlagen. Die Züge kommen dann nach Dortmund ins Werk. Ihr technischer Zustand wird bei jeder Fahrt dokumentiert. Ziel ist insgesamt eine nahezu 100-prozentige Verfügbarkeit der 82 Züge.

Was passiert mit dem DB-Personal?

Eine Verpflichtung zur Übernahme des Personals von der Deutschen Bahn AG besteht nicht. Aber Lokführer und Zugbegleiter sind Mangelberufe. Viel deutet darauf hin, dass das DB-Personal auf den Rhein-Ruhr-Strecken von den neuen Betreibern National Express und Abellio übernommen wird. Auch Siemens sei offen für Bewerbungen der „sehr qualifizierten Mitarbeiter“ der DB, die derzeit noch Wartung und Instandhaltung der Regionalexpress-Züge in der Nachbarschaft des Düsseldorfer Hauptbahnhofs durchführt, sagt Projektleiter Chlebowski. Man wird aber jetzt schon mit der Ausbildung von 25 Nachwuchskräften beginnen, darunter 14 mit dem Berufsziel Energieelektroniker und ein Dutzend für den Beruf des Mechatronikers. Bis zur Fertigstellung der Dortmunder Anlage wird Siemens die jungen Leute im Fahrzeugwerk Krefeld ausbilden.

Können die Veränderungen auch neue, höhere Fahrpreise bedeuten?

Die Ticket-Preise legt der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr fest, der nicht selten jährlich Preisanhebungen durchsetzt.