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Warum der Direktverkauf vom Bauern in der Nische bleibt

Warum der Direktverkauf vom Bauern in der Nische bleibt

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Foto: Lars Heidrich/Funke Foto Services
Deutsche mögen regionale Lebensmittel, heißt es im neuen „Ernährungsreport“. Direktverkäufe durch Bauern bleiben trotz des Booms eine Nische.

An Rhein und Ruhr. 

Eine ganz besondere Tankstelle steht in Haltern am See. Hier gibt es kein Benzin, sondern Milch aus dem Stall nebenan. Was im ersten Moment skurril klingt, ist ein Renner im ganzen Umkreis. 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche kann jeder am Bauernhof Schulte-Althoff seine Milch selbst zapfen.

„Läuft richtig gut“, sagt Matthias Schulte-Althoff. Der Bauer hat mit seinem Milchautomaten den Zeitgeist getroffen. Denn die große Mehrheit der Deutschen legt Wert auf regionale Lebensmittel. Das geht aus dem „Ernährungsreport 2016“ hervor, der gestern in Berlin vom Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung vorgestellt wurde. Demnach essen die Bundesbürger nicht bloß gerne Fleisch, sondern für 76 Prozent der Befragten ist es wichtig, dass Lebensmittel aus der Region stammen.

Regional im Supermarkt

Seit Mai 2015 steht der Milch-Automat in Haltern. Weil die Milch zum selber zapfen so gut angenommen wurde, gibt es auf dem Hof in Haltern seit Dezember zusätzlich einen Frischwaren-Automaten: Bestückt ist der unter anderem mit Eiern, Kartoffeln, Honig, Marmelade und Zwiebeln – alles aus dem Umkreis, betont Schulte-Althoff.

Die großen Handelsketten haben längst erkannt, dass Nahrungsmittel aus der Region Potential haben. So bietet etwa die Rewe-Gruppe Regionales an, genauso wie Aldi oder Lidl. „Regional ist schon seit Jahren sehr wichtig“ sagt Stephan Steves, der Geschäftsführer der Edeka-Handelsgesell_schaft Rhein-Ruhr. Auch die Supermarkt-Kette hat eine Eigenmarke eingeführt, die den Kunden Milch, Eier, Säfte oder Gemüse aus der Region anbietet. Die Preise sind dabei vergleichbar mit Markenprodukten, sagt Steves. „Ein Mehraufschlag würde von den Kunden auch nicht akzeptiert.“

Anderswo sind Verbraucher dazu offensichtlich schon bereit. Ein Liter Milch kostet an der Halterner Zapfsäule einen Euro, zehn Eier aus Bodenhaltung vom benachbarten Bauern sind für zwei Euro zu haben. Zum Vergleich: Discounter rufen für die zehn Eier einen Preis von rund einem Euro auf, der Liter Milch liegt bei um die 60 Cent. Liest man den „Ernährungsreport“, fällt auf: Während Erwachsene unter 30 Jahren stärker am Preis orientiert sind, legen bei den über 60-Jährigen sogar 84 Prozent Wert darauf, dass die Lebensmittel aus der Region kommen.

Milch-Automaten oder Gemüsekisten

Trotz Hofladen, Milch-Automaten oder Gemüsekisten vom Bauern – gekauft wird laut der Studie des Ministeriums am häufigsten im Supermarkt. Der Direktverkauf durch die Bauern bleibt eine Nische, meint Wilhelm Neu, Vorsitzender des Kreisbauernschaft Wesel. Nur ein Promilleanteil der Umsätze würden auf Hofläden erwirtschaftet.

Beispiel Milch: „Am ganzen Niederrhein gibt es nur noch eine Molkerei“, sagt Neu. „Die meisten Bauern schicken ihre Milch durch halb Europa, einige sogar bis nach China.“ Für Verbraucher sei es zudem nicht immer einfach, an regionale Produkte zu kommen. „Es gibt beispielsweise beim Fleisch und bei der Milch harte EU-Richtlinien, sodass eigentlich nur die großen Betriebe überleben können. Da werden dann Fleisch und Milch von allen möglichen Höfen verarbeitet.“

Außerdem ist sich Wilhelm Neu sicher: „Viele wollen vielleicht Produkte aus der Region kaufen, aber im Laden entscheiden dann doch 80 Prozent der Verbraucher nach ihrem Portemonnaie.“ Dennoch: Auch Neu sieht einen Trend, dass Lebensmittel aus der Region immer mehr nachgefragt würden.

Gegentrend zur Globalisierung

„Es gibt insgesamt eine Tendenz, bewusster und nachhaltiger einzukaufen“, sagt Frank Waskow, Lebensmittelexperte bei der Verbraucherzentrale. Denn auch die Bereitschaft der Verbraucher, Bioprodukte und fair gehandelte Ware einzukaufen, steige weiterhin an. Der Verbraucherschützer sieht darin einen Gegentrend zur Globalisierung. „Die Leute gucken danach, was sie kennen und welche Produkte authentisch sind.“

Ob die Ware wirklich aus dem Umland stammt, ist für den Kunden gerade im Supermarkt jedoch nicht immer nachvollziehbar, betont Waskow. Laut Verbraucherzentrale gibt es mittlerweile eine unüberschaubare Vielfalt regionaler Werbebegriffe und Zeichen. Oft werde zwar Regionalität suggeriert, aber keine oder nur eine unklare Herkunft ausgewiesen. Auch Händler auf dem Wochenmarkt kaufen einige ihrer Produkte auf dem Großmarkt, so Waskow.

Einen verlässlichen Hinweis auf die Herkunft bietet seit einiger Zeit das von der Bundesregierung eingeführte Regionalfenster. Wer das freiwillige Siegel nutzen möchte, muss verbindliche Kriterien zur Herkunft erfüllen und diese auch auf der Verpackung transparent machen.