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Turka-Festival – die Parallelgesellschaft tanzt!

Turka-Festival – die Parallelgesellschaft tanzt!

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25000 Menschen kamen zum Turka-Festival mit Superstar Tarkan. Foto: Christoph Kniel für Ostkreuz
Nur Musik – keine Identitätskrise. 25.000 junge Menschen feiern in Dortmund 15 Spitzeninterpreten der türkischen Musik – mit Tarkan als Superstar des Abends. Nach hakeligem Start mit eklatanten Problemen am Einlass nahm das Fest seinen Party-Lauf.

Dortmund. 

Die Parallelgesellschaft tanzt – und es ist überhaupt nichts Schlimmes dabei. Ganz im Gegenteil: Hätten sich am Sonntagabend mehr Biodeutsche in die Westfalenhalle getraut (gefühlt waren es drei), sie hätten beim ersten Turka-Festival 25 000 junge Menschen erlebt, die jenseits aller zähen Integrationsdebatten ihre Liebe zur Herkunftskultur ihrer Eltern auslebten. So selbstverständlich, wie es sich nur die wenigsten Migrationsforscher vorstellen können. Nur Musik – keine Identitätskrise.

Zunächst zu den Klischees. Gezählte Goldkettchen: 1. Kopftücher: 12. Stilettos: unzählbar. Fürs Aufgebrezeltsein ist sie bekannt, die deutsch- türkische Community. Man muss nunmal in jeder Lebenslage passend gekleidet sein, um spontan auf eine Hochzeit wechseln zu können. Ziemlich kurze Röcke, ziemlich hohe Absätze gab es zu sehen. Enge Hosen, ein paar Glitzer-Kleider und viele Jungs in Männeranzügen. Oder in Farben (Himbeer!), die sich andere nicht trauen. Doch wenn man ehrlich ist: Die meisten Outfits waren stilsicher. Die Make-Ups auch. Nach Festival sah hier zwar niemand aus, aber zusammen gaben sie ein stylisches, ziemlich gut riechendes Publikum ab.

„Ich betrinke mich heute Abend!“ – aber nur der Teestand wird geplündert

Ohnehin war den meisten hier das Hin- und Hergelaufe lästig. Auch am Abend, als die stickige Enge und Missorganisation an den Türen überwunden ist, beschweren sich noch viele darüber. „Das ist anstrengend“, finden Esma (19) und ihre Freundinnen. „Wir hätten lieber Sitzplätze.“ Klar, in den Schuhen! Das erklärt auch, warum um 19 Uhr schon reihenweise Mädels entlang der Wände in den Gängen hocken, in Strümpfen oder barfuß. Diese Leute waren nie bei Rock am Ring, noch nicht einmal beim Summer Jam.

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Feiern können sie trotzdem. In Halle 3, wo die Alternative-Band Duman auf der Bühne stehen, tanzen und hüpfen alle zu Gitarre, Schlagzeug und der rauhen Stimme von Kaan Tangöze. „Ich betrinke mich hier heute Abend“ brüllen sie den Refrain eines der beliebtesten Duman-Songs mit. Nur: Betrunken ist hier definitiv niemand. Kein Bier zu sehen, weit und breit. Dafür sieht der Teestand im Messebereich gleich nebenan ziemlich geplündert aus. Nächstes Klischee: (Deutsch-)Türken können auch ohne Alkohol gut drauf sein. Stimmt.

Machos? Fehlanzeige!

Während Duman noch rocken, strömen die Massen Richtung Halle 1. Gleich steht der Headliner dort auf der Bühne: Tarkan. Einer der wenigen international bekannten Stars der Türkei. Und für viele Jugendliche in der Westfalenhalle ein besonderes Pop-Idol. Ist Tarkan doch, genau wie sie, als Kind türkischer Gastarbeiter hier geboren. Seine Kindheit verbrachte der Superstar im rheinhessischen Alzey bis seine Eltern mit ihm an die Schwarzmeerküste zurückkehrten. Da war Tarkan 14 Jahre alt. Heute hat er weltweit Millionen Alben verkauft. Mit seinem Hit „Simarik“ schaffte er es auch in die deutschen Charts. Kreischalarm!

Der Sunnyboy betritt die Bühne. Profi-Lichtshow, Pyroeffekte, durchtrainierte Tänzer. Tarkan ist Profi, was leider dazu führt, dass alles etwas oberflächlich wirkt. Einen Hit nach dem anderen spult er ab. Die Halle tanzt. Die Mädchen schmachten. Sie sind hübsch und wissen, wie man sich bewegt. Und plötzlich ergeben auch die metrosexuellen Frisuren der Jungs einen Sinn, die gezupften Augenbrauen. Ihr Vorbild wiegt gerade die Hüften auf der Bühne. Die Jungs davor sind mindestens genauso gefühlsduselig wie ihre Freundinnen. Sie wiegen die Köpfe mit den hochtoupierten Haaren, schwenken die Arme im Takt oder legen sie um den Hals eines Kumpels. Hier wird nicht gerempelt oder geschubst. Machos: Fehlanzeige. Der neue deutsche Mann, über den sich gerade so viele beschweren, er hat türkische Wurzeln und kann Tarkan-Popsongs mitsingen. Letztes Klischee abgehakt, Feierabend.