Veröffentlicht inRegion

Lange Interessentenliste für neue Grundstücke am Südufer des Phoenix-Sees

Wohnen am Phoenix-See – wo Dortmund teuer wie Düsseldorf ist

TT-Phoenixsee-1.jpg
Foto: Knut Vahlensieck
Vor nicht einmal zwei Jahren hieß es: Wasser marsch! Längst ist der Phoenix-See in Dortmund randvoll. Alle 200 Grundstücke aus der ersten Projektphase am Nordufer sind verkauft. Vor einigen Tagen hat jetzt auch die Vermarktung des Südufers begonnen: Für die 170 Grundstücke gibt es eine lange Interessentenliste.

Dortmund. 

„Phoenix-See? Was soll ich da? Mir die Häuser angucken? Ich geh’ lieber in den Westfalenpark!“ Wenn es um die Frage geht, wo es schön ist in der Heimat, können Dortmunder deutlich werden. Vor allem, wenn man seinen Arzt nicht wiederfindet. Die ältere Dame, die wir am Ufer treffen, lässt sich jedenfalls nicht beeindrucken von dem Gewese um den 230 Millionen Euro teuren See. Sie ist einfach nur verärgert, weil der Doktor umgezogen ist. Der praktiziert jetzt „Am Kai“. Und so eine Adresse, die ist halt gewöhnungsbedürftig, wenn man bedenkt, dass es hier noch immer eine Hochofenstraße gibt und man 160 Jahre damit und auch davon lebte, dass dort, wo jetzt auf sehr sanfter Dünung Enten treiben, früher sehr heißer Stahl floss. 13 Jahre ist das erst her.

Selbst die Ruhr lässt Dortmund ja links liegen

Auf so eine Idee muss man erstmal kommen: den untergegangenen Stahlstandort Phoenix-Ost zu fluten, in der Hoffnung, das Wasser möge den Strukturwandel in Gestalt zahlungskräftiger Eigenheim­erbauer mitten ins Herz der einstigen Malocher-Hochburg spülen. Viel verlangt für Alteingesessene. Doch irgendwie auch naheliegend in einer Großstadt, die alles hat – sogar einen eigenen Flughafen –, nur eben kein Plätzchen am Wasser, wenn man vom Industriehafen am Kanal mal absieht. Selbst die Ruhr lässt Dortmund ja links liegen. See-Süchtige mussten bisher das Weite suchen. Neubürger hielten vergeblich Ausschau nach einer Bleibe mit Ruhrblick.

Doch plötzlich baut die Stadt ganz nah am Wasser. Und legt ein atemberaubendes Tempo vor. Vor nicht einmal zwei Jahren hieß es: Wasser marsch! Längst ist der See randvoll. Alle 200 Grundstücke aus der ersten Projektphase am Nordufer sind verkauft. Und auch wenn sich dort noch Baukräne drehen: Vor vielen der feinen Einfamilienhäuser parken schon die Autos ihrer Bewohner. Im so genannten Hafenquartier, dort, wo der See ans Hörder Zentrum stößt und dichter und höher gebaut werden darf, wächst es ebenfalls in den Himmel: Eigentumswohnungen, Gastronomie, ein Ärztehaus, Büros. Sogar ein großes Dortmunder Bauunternehmen ankert an der Marina: Hörde boomt.

Vor einigen Tagen hat jetzt auch die Vermarktung des Südufers begonnen: Für die 170 Grundstücke gibt es eine lange Interessentenliste. 133 Einfamilien- und Doppelhäuser sowie 37 Mehrfamilienhäuser sind geplant. Zu Grundstückspreisen, die so happig sind, dass Stadtteilpolitiker plötzlich ihr soziales Gewissen entdeckten und – für einen Teilbereich – Quadratmeterpreise durchgedrückt haben, die sozialen Wohnungsbau möglich machen. Ansonsten nimmt der See Kurs auf Düsseldorfer Verhältnisse.

Info Den Pionieren des Projekts – Häuslebauer des ersten Bauabschnittes am Nordufer – gewährte man eine Art Frühbucherrabatt. Hier haben Julia und Hendrik Deutsch gebaut. Die jungen Eltern – Söhnchen Simon ist fünf Monate alt – wohnen seit einem knappen Jahr am See, zwar „nur“ in der zweiten Reihe, aber immerhin mit Blick aufs Wasser, eine leichte Hanglage und die versetzte Bauweise machen das möglich.

Das „Urlaubsfeeling“ lockt auch die Massen

„Wir wollten immer am Wasser wohnen“, sagt Hendrik Deutsch, schwärmt vom „Urlaubscharakter“ und einem „besonderen Feeling im Sommer“. Dafür nimmt der 38-Jährige einen täglichen Arbeitsweg nach Münster in Kauf. Allerdings: So gelassen es unter der Woche zugeht, an sonnigen Sonntagen seilt sich die junge Familie inzwischen gern mal ab. Julia Deutsch: „Dann bekommen Sie hier kein Bein an die Erde. Alle wollen gucken.“ Selbst Touristen-Busse wurden schon gesichtet. Der See ist längst eine Attraktion.

Familie Deutsch lebt seit einem knappen Jahr in Hörde, Manfred Renno eine Ewigkeit. Der 63-Jährige ist ein „Hörder Junge“. Schon der Großvater arbeitete im Stahlwerk. Mit 17 trat Renno in die SPD ein. Heute ist er Bezirksbürgermeister, Politiker also, aber einer, der nicht zu unnötigen Übertreibungen neigt. Der Satz „Der See ist ein Geschenk des Himmels“ kommt Renno erst nach einer halben Interview-Stunde über die Lippen. Und dass die Wahlsiege der Sozialdemokraten im Stadtbezirk wohl künftig nicht mehr ganz so hoch ausfallen könnten, weil die geschätzten 6000 Neu-Hörder am See eher nicht der klassischen SPD-Wählerschaft zuzurechnen sein dürften, findet der Genosse ganz in Ordnung. „Danach kann ich doch keine Politik machen.“

Am Anfang hatte niemand geglaubt, dass das funktioniert mit dem See und der Stahlbrache. Auch Renno nicht. Inzwischen ist der Elektroingenieur überzeugt: Es hat gefunkt zwischen dem alten und dem neuen Hörde. Schätzungen zufolge wird der See eine Million Besucher im Jahr anlocken. Mindestens. Da dürfte schon was abfallen für die Menschen in Hörde, auch wenn es immer noch Zeitgenossen gibt, die das nur gut 1,2 Kilometer lange und maximal 310 Meter breite Gewässer für einen besseren Tümpel halten. Denen sagt Manfred Renno: „Leute, das ist nur ein Stadtsee! Aber wer will jetzt noch zur Möhne?“