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In Halle geht nach zwei Mordfällen die Angst um

In Halle geht nach zwei Mordfällen die Angst um

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Foto: Polizei
Zwei Frauen sind innerhalb kurzer Zeit in der kleinen Stadt Halle in Westfalen ermordet worden. Zuletzt die 49-jährige Gabriele Obst aus Halle. Umgebracht wohl mit einer rund 50 Jahre alten doppelläufigen Schrotflinte. Andere Fälle weisen Parallelen auf. War es möglicherweise derselbe Täter?

Essen/Halle. 

Im beschaulichen Halle geht die Angst um. Innerhalb von knapp anderthalb Jahren wurden, nur wenige Kilometer voneinander entfernt, zwei Frauen ermordet.

Anfang 2012 wurde die Lidl-Verkäuferin Nelli Graf (46) in einem Wald bei Halle erstochen aufgefunden, vor wenigen Tagen fand man die Leiche der Zeitungsbotin Gabriele Obst (49). Sie lag ebenfalls in einem Waldstück etwa fünf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, getötet per Kopfschuss aus einer 50 Jahre alten doppelläufigen Schrotflinte der Marke „Puszta“, die auf der Leiche lag. Die Polizei ermittelt in beiden Fällen in alle Richtungen und hat auch die Möglichkeit, dass es sich um einen Serientäter handeln könnte, noch nicht ganz verworfen.

„Alleine trauen sich die Frauen abends nicht mehr raus“

Halle in Westfalen – 21.000 Einwohner, rot-gepflasterte Wege, Backsteinhäuser, Felder, Wiesen und Waldstücke – in dieser ländlichen Idylle sorgen normalerweise vor allem die Sportveranstaltungen in der Gerry-Weber-Halle für Schlagzeilen.

„Die Gegend ist schon sehr aufgescheucht“, sagt der Bielefelder Polizeisprecher Martin Schultz. Er habe auch private Kontakte nach Halle und wisse, dass die Anwohner regelrecht durch den Wind seien: „Alleine trauen sich die Frauen da abends nicht mehr raus!“

Soko „Stein“ ermittelt

Seit Gabriele Obst am 26. April 2013 um 9.30 Uhr in einer Mulde im Wald auf Haller Stadtgebiet hinter dem örtlichen Golfclub gefunden wurde, ermittelt die Polizei mit Hochdruck. Der Soko „Stein“, benannt nach dem „Steinhauser Weg“, jenem Revier, in dem die Zeitungsbotin das „Haller Kreisblatt“ austrug, gehören auch fünf Kollegen aus jener Soko an, die mit dem Fall Nelli Graf befasst waren.

Am 14. Oktober 2011 war die Supermarkt-Angestellte Nelli Graf nicht zur Arbeit erschienen. Das, was man immer bei sich trägt, Schlüssel, Handy, Geldbörse, fand sich in ihrer Wohnung. Wenige Tage später wird auch ihr Fahrrad im Wald gefunden, aber erst vier Monate später ihre verscharrte Leiche. Nelli Graf ist an Händen mit Kabelbinder und Packklebeband gefesselt, ihr Kopf ist verklebt. Doch weder die Polizei, noch „Aktenzeichen XY“ können Zeugen finden, die Nelli Graf in einer blau-weißen Regenjacke mit der Aufschrift „SC Halle Fußballjugend“ zuletzt gesehen haben, der örtlichen Presse zufolge ist es die Jacke des Sohnes.

Am Körper der mit mehreren Messerstichen ermordeten Frau können zwar DNA-Spuren gesichert werden, aber es fehlt der dazugehörige Täter. Bei zwei Massengentests in Halle wurden bislang rund 6000 Männern zwischen 18 und 60 Speichelproben entnommen. Ohne Erfolg.

Beide Opfer sind ähnliche Typen

Nelli Graf war mittleren Alters, klein, stabil, mit kurzen blonden Haaren. Gabriele Obst war 1,65 Meter groß, korpulent, Brillenträgerin, kurzhaarig. Beide trugen sportliche Kleidung, beide waren mit dem Fahrrad unterwegs, Nelli Graf hatte drei Kinder, Gabriele Obst war zweifache Mutter. „Vom Typ her gleichen die sich schon,“ sagt Polizeisprecher Schultz vorsichtig. Hinweise auf einen sexuellen Hintergrund beider Taten gibt es nicht.

Aber es gibt auch Unterschiede: Gabriele Obst wurde nicht gefesselt, scheint sich nicht gewehrt zu haben. Vielleicht hat sie ihren Täter sogar gekannt. Ihre Leiche lag auf einem Kartoffelsack, neben ihr wurde ein Karstadt-Jutebeutel gefunden. Am auffälligsten schließlich ist die Tatwaffe. Bis in die 70er Jahre mussten solche Waffen nicht registriert werden, so Schultz. In der Nachkriegszeit gehörten Schrotgewehre zur Haus- und Hof-Standardausrüstung.

Fieberhaft sucht die Polizei nun nach einem Pärchen, das sich am 16. April gegen 4 Uhr morgens lautstark gestritten haben soll, so Zeugen. Und das nicht weit weg vom Gerry-Weber-Stadion, wo später auch Gabriele Obsts Rad, acht Zeitungsexemplare und ihr Handy gefunden wurden. Für Hinweise zur Ergreifung des Täters in diesem Fall sind mittlerweile 2500 Euro Belohnung ausgesetzt worden.