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Großbrand in Krefeld – Rauchwolke erschreckt Anwohner

Großbrand in Krefeld – Rauchwolke erschreckt Anwohner

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Foto: WAZFotoPool
Nach dem Großbrand im Krefelder Hafen zieht noch immer dichter Rauch über Krefeld und die Stadt Duisburg. Landesumweltamt und Feuerwehr stellten zwar erhöhte aber keine gesundheitsgefährdenden Schadstoff-Konzentrationen fest. Die Löscharbeiten werden wohl noch Tage dauern.

Krefeld. 

Eine gigantische Rauchwolke, die bis nach Düsseldorf zu sehen war, hat am Dienstag die Bewohner von Krefeld, Duisburg und anderen Städten am Niederrhein und im Ruhrgebiet in Atem gehalten. Feuerwehren riefen dazu auf, Türen und Fenster geschlossen zu halten. Die Stadt Duisburg richtete einen Krisenstab ein. Die Internet-Seite der Stadt Krefeld war wegen der vielen Zugriffe zeitweise nicht erreichbar.

Entstanden war die Rauchwolke bei einem Großbrand im Krefelder Hafen, der die Feuerwehr wohl noch mehrere Tage beschäftigen wird. In einer Lagerhalle in Holzbauweise, 250 Meter lang und 180 Meter breit, waren Tausende Tonnen Dünger in Brand geraten. „20.000 Tonnen Stickstoff-Phosphor-Kali-Dünger, dazu 13.000 Tonnen Rohstoffe dafür“, erklärte Jörg Rosin, Sprecher der Feuerwehr Krefeld. Die Ursache des Brandes ist ebenso wie die Schadenssumme noch unklar.

Auf ihrer Spurensuche hat die Polizei bereits am Dienstag erste Zeugen angehört. Bislang gibt es aber weder Hinweise auf vorsätzliche Brandstiftung noch darauf, dass das Feuer durch Fahrlässigkeit entstand. Den Brandort selbst konnten die Ermittler laut Auskunft der Krefelder Polizei noch nicht untersuchen. Dies sei erst möglich, wenn das Feuer komplett gelöscht ist.

450 Feuerwehrleute waren im Einsatz

Die Krefelder Feuerwehr wurde gegen 7.10 Uhr alarmiert. „Schon von der Feuerwache aus war die riesige Rauchwolke zu sehen.“ Als sie das Ausmaß des Feuers erkannten, holten die Einsatzkräfte Hilfe in den Nachbarstädten: Neben beiden Wachen der Berufsfeuerwehr wurden die Freiwilligen Feuerwehren aus Krefeld aber auch Einsatzkräfte von umliegenden Werkfeuerwehren und aus Duisburg in den Hafen Linn beordert. Zusammen mit der Feuerwehrbereitschaft IV der Bezirksregierung, die gegen Mittag den Marschbefehl nach Krefeld erhielt, waren zeitweilig 450 Feuerwehrleute am Brandort.

Zwei Dinge beschäftigten die Einsatzkräfte: Konnte es gelingen, ein Übergreifen der Flammen auf benachbarte Lagerhallen zu verhindern? Schließlich lagerten auch in diesen gefährliche Chemikalien, die zur Produktion des Düngers benötigt werden. Und: Wie gefährlich ist die gelbliche Rauchwolke, die erst über den Rhein nach Duisburg und Mülheim, später dann in den Duisburger Norden und Richtung Niederrhein zog?

Messungen zeigten keine gesundheitsgefährdenden Werte

Gegen 11 Uhr meldete die Krefelder Feuerwehr: Der Brand ist „unter Kontrolle“, ein Übergreifen der Flammen sei fortan unwahrscheinlich. Erst kurz zuvor gab das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz die ersten Messergebnisse bekannt: In Krefeld und im Duisburger Süden seien die Messwerte für Blausäure, Salpetersäure und Chlorverbindungen erhöht, aber nicht oberhalb der Grenzwerte. Gleiches gelte für Stickoxyde, Ammoniak, CO2 und Kohlenstoffe im Allgemeinen.

Nach Angaben der Krefelder Feuerwehr wurden bei dem Brand auch gefährliche Nitrose Gase freigesetzt. Die waren auch der Grund, dass die Löschmannschaften zeitweise Atemschutzmasken mit Luftfiltern trugen. In hoher Konzentration können diese Gase nämlich langfristig die Atemwege schädigen, sagte ein Sprecher. In den bisherigen Messungen seien Grenzwerte jedoch nicht überschritten worden.

Trotzdem blieb die Aufforderung, Fenster und Türen geschlossen zu halten, in vielen Städten, darunter Essen, Mülheim und Duisburg, bis in den Nachmittag bestehen. Messungen, die im Verlauf des Tages im Duisburger Westen und später im Norden gemacht wurden, bestätigten, dass keine Gesundheitsgefährdung bestand.

Rheinverkehr am Abend erneut eingestellt, vier Menschen wurden leicht verletzt

Für das Stadtgebiet Krefeld wird es auch am Dienstagabend noch keine Entwarnung für die Bevölkerung geben, erklärt ein Stadtsprecher auf Anfrage. Zwar sei der Brandrauch laut Messwerten unbedenklich, aufgrund der starken Rauchentwicklung sollen die Anwohner aber weiterhin Fenster und Türen geschlossen halten sollten. Deshalb musste am Dienstagabend auch der Rheinverkehr zwischen Wittlaer und Rheinhausen erneut eingestellt werden.

Insgesamt sollen vier Menschen durch das Feuer in dem Lager verletzt worden sein – also mehr als zunächst angenommen. Die Rede ist von vier Leichtverletzten, darunter zwei Feuerwehrleuten. Einer von ihnen habe über Kreislaufbeschwerden geklagt, der andere sei ebenso wie zwei Mitarbeiter einer Catering-Firma mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung behandelt worden. Zunächst war nur von zwei Verletzten die Rede gewesen. Dabei sollte es sich um Mitarbeiter der Düngemittel-Firma selbst handeln. Diese Angaben hätten sich jedoch nicht bestätigt.

Der Dünger qualmt noch immer 

Weil der Dünger aber weiter qualmte und die Wolke dem Boden näher kam, verzichteten die Experten auf eine Entwarnung. Die Stadtverwaltungen Duisburg und Krefeld hatten vorsorglich Maßnahmen ergriffen: Kinder sollten bis nachmittags in den Schulen bleiben. „Von Abhol-Aktionen bitten wir abzusehen“, sagte der Krefelder Stadt-Sprecher Manuel Kölker. „Die Kinder sind gut aufgehoben.“ Die Schulen waren angewiesen, die Schüler auch in den Pausen im Gebäude zu lassen.

Riesige RauchwolkeIn drei Kliniken im Duisburger Süden, betroffen waren die Unfallklinik in Buchholz, das St. Anna-Krankenhaus Huckingen und die Wedau-Kliniken, musste die Lüftung abgestellt werden. Das hatte zur Folge, dass nur Notfälle operiert werden durften. Denn ohne Lüftung können die Operationssäle nicht mit steriler Luft versorgt werden.

Gegen Nachmittag gelang es der Feuerwehr dann den Qualm ein wenig einzudämmen. Dazu deckten die Einsatzkräfte große Teile des Brandherdes mit Schaum ab, der keinen Rauch mehr entweichen ließ.

Duisburg-Rumeln liegt im Dunst der Wolke

Die Rauchwolke hatte gegen Mittag den Duisburger Stadtteil Rumeln erreicht und die Stadt Moers erreicht. Wohin sie zieht, ist nicht vollständig absehbar. Der Bochumer Wetterdienst Meteomedia prognostizierte am Vormittag, der Wind werde nachmittags gen Norden wehen, das würde die Wolke Richtung Münsterland treiben. Nachmittags meldeten Twitterer aus Krefeld, der beißende Geruch habe wieder zugenommen.

Die betroffene Lagerhalle gehört zu dem Münsteraner Düngemittelhersteller Compo. Dessen Geschäftsführer schätzte die Gefahr für die Bevölkerung als gering ein. Es entstünden zwar beim Verbrennen der Düngemittel „gewisse Dämpfe“, sagte der Geschäftsführer des in Münster ansässigen Herstellers Compo, Jens Averdiek, dem TV-Sender N24. Die brennenden Materialien seien aber „allesamt keine Gefahrgutstoffe“.

Betreiber Compo entschuldigt sich für Unannehmlichkeiten

Später entschuldigte sich das Unternehmen via Pressemitteilung „in aller Form für die Unannehmlichkeiten, die durch den Vorfall entstanden sind.“ Compo dankte der Feuerwehr und versprach, bei der Klärung der Brandursache mit den Behörden zu kooperieren. Hinweise auf Brandstiftung gebe es nicht, teilte das Unternehmen mit.

Compo bezeichnet sich selbst als „einen der führenden Anbieter“ bei Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Das Unternehmen beschäftigt weltweit rund 1100 Mitarbeiter, der Umsatz lag 2010 bei 402 Millionen Euro.

Schiffsverkehr eingestellt, Flugverkehr behindert

Der Schiffsverkehr auf dem Rhein war zwischen Düsseldorf-Wittlaer und Rheinberg-Orsoy auf rund 40 Kilometern von 10.10 bis 11.50 Uhr eingestellt worden. Der Betrieb des Düsseldorfer Flughafen ist nach Angaben einer Sprecherin von der Rauchwolke nicht betroffen. Alle Flüge würden wie gewöhnlich starten und landen können.

Am Düsseldorfer Flughafen wurde der Flugverkehr leicht beeinträchtigt. Startende Maschinen mit Kurs auf Skandinavien und Norddeutschland wurden nach dem Start länger geradeaus geführt und mussten dann in etwa zweieinhalb Kilometern Höhe direkt über Krefeld fliegen, sagte der Sprecher der Deutschen Flugsicherung in Nordrhein-Westfalen, Michael Fuhrmann, am Dienstag der Nachrichtenagentur dapd.

Normalerweise flögen die Maschinen östlich am Stadtzentrum vorbei. Starts und Landungen mussten aber nicht verschoben oder abgesagt werden, sagte Fuhrmann. Die schwarze Wolke selbst sei nördlich des Flughafens vorbeigezogen.

Wie reagieren die Städte auf die Rauchwolke? 

Die Stadt Krefeld hat ein Infotelefon geschaltet. Unter 0 21 51 / 19 700 können Bürger aktuelle Informationen zum Brand abfragen. Auch auf der Internetseite der Stadt sollte es aktuelle Informationen geben, die Seite brach am Morgen wegen des großen Ansturms allerdings zeitweilig zusammen.

Die Stadt Duisburg hatte am Morgen einen Krisenstab eingerichtet. Dieser hatte auch beschlossen, dass bis auf weiteres alle Kinder bis 14 Uhr in den Schulen bleiben sollen. Auch in den Pausen sollen sie im Gebäude bleiben. Die Polizei warnte über Lautsprecherwagen im Duisburger Süden, Sirenenalarm wurde ausgelöst. Anwohner sollten Türen und Fenster geschlossen halten und Klimaanlagen abschalten. Auch die Krankenhäuser im Duisburger Süden haben ihre Lüftungsanlagen abgeschaltet. Die Stadt informierte die Bürger auch auf ihrer Facebook-Seite über die Gefährdungslage.

Direkt nach Ausbruch des Feuers zog eine mächtige, pechschwarze Rauchsäule über den Rhein in Richtung Duisburger Süden. Betroffen waren vor allem die Anwohner in Mündelheim und Serm. Als später dann der Wind drehte und aus südlicher Richtung blies, zog der Qualm nach Friemersheim, Rumeln-Kaldenhausen und Rheinhausen. Doch beinahe in der gesamten Stadt hing am Vormittag ein penetranter, stechender Verbrennungsgeruch in der Luft.

„Bei uns liegen dicke Rußflocken auf der Terrasse. Und hinten auf unserem Rasen im Garten haben wir komische helle Flecke entdeckt. Wir müssen gleich erst einmal alles saubermachen“, berichtet Claudia Peters-Dugain, die mit ihrem Mann auf der Sermer Straße in Mündelheim lebt. Während sie das erzählt, ist er schon dabei, mit einem Schlauch die beiden Autos zu reinigen. „Sonst haben wir später Macken im Lack.“

Die Ergebnisse der Schadstoffmessungen des Landes und der Feuerwehr Duisburg haben bislang keine kritischen Messwerte ergeben. Gemessen wurde in der Nähe des Brandortes, im Duisburger Süden sowie in Essen, Dinslaken und Mülheim.

Erhöhte Messungen in Duisburg-Mündelheim

Kurz nach 16 Uhr dann die Entwarnung vom Duisburger Krisenstab. Da die Löscharbeiten aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen und währenddessen auch weiterhin Dampfwolken sichtbar sind, empfiehlt die Stadt Bürgern in betroffenen Bereichen, weiterhin Türen und Fenster geschlossen zu halten. Auch wenn laut Stadt keine bedenklichen Werte gemessen wurden.

„Aufgrund der Messwerte bestehen aus Sicht des Krisenstabes keine Bedenken, dass beispielsweise Spielplätze genutzt werden können. Da es jedoch vereinzelt zu Rußniederschlägen gekommen ist, wird das Umweltamt in Absprache mit der Bezirksregierung vorsorglich Proben nehmen und analysieren“, so Stadtsprecher Peter Hilbrands.

In Acht nehmen sollen sich aber weiterhin die Menschen in Mündelheim: Durch die Wetterlage und die unmittelbare Nähe des Stadtteils zum Brandort sind weiterhin Messtrupps der Feuerwehr dort unterwegs, die nunmehr aktuell Reizstoffe unterhalb kritischer Werte in der Luft festgestellt haben, so die Stadt Duisburg: „Die Bevölkerung in Mündelheim wird vorsorglich gebeten, sich in den Wohnungen aufzuhalten und Fenster und Türen geschlossen zu halten.“

Essener Feuerwehr richtet Info-Hotline für besorgte Bürger ein

Nach Angaben eines Duisburger Polizeisprechers liegen erste Ergebnisse der Schadstoff-Messungen vor. Danach seien keine Grenzwerte überschritten worden. Die Polizei hat die Rheinbrücke (B288) zwischen Krefeld-Uerdingen und Duisburg-Mündelheim seit 10.30 Uhr für den Verkehr gesperrt.

Die Feuerwehr Essen hat ihre Warnung an die Bürger, Türen und Fenster geschlossen zu halten, inzwischen aufgehoben. Inzwischen stehe fest, dass die Wolke nicht über Essen ziehen werde: „Das Leben in der Stadt kann wieder seinen normalen Gang gehen.“ Unter der Telefonnummer 0201 1237888 wurde eine Info-Hotline eingerichtet.

Ratingen stellt eigene Messungen an

Über Mülheim ist von der Rauchwolke um 11.30 Uhr schon nichts mehr zu sehen. Die Wolke ist ohne Niederschlag weitergezogen. Dennoch appellieren die Behörden an die Mülheimer, Fenster und Türen weiterhin nicht zu öffnen.

Auch im Norden von Ratingen war die Wolke am Morgen zu sehen. Die Feuerwehr rechnet derzeit nicht damit, dass die Wolke noch über die Stadt zieht, hat aber vorsorglich Messungen in Auftrag gegeben. Die aus Feuerwehrkräften der Städte Ratingen und Velbert bestehende Einheit ist mit Spezialfahrzeugen und besonderer Messtechnik ausgestattet. In Lintorf und Breitscheid werden derzeit Messungen durchgeführt. Alle Messergebnisse blieben nach Angaben der Feuerwehr bislang ohne jeglichen Hinweis auf eine Schadstoffbelastung auf dem Ratinger Stadtgebiet.

Keine gesundheitsgefährdende Verschmutzung in Moers

Die Kreisleitstelle in Wesel ließ die Sirenen zur Warnung der Bevölkerung um kurz nach 12 Uhr im ganzen Kreisgebietet aufheulen. Auch dort sollen Kinder und Jugendliche in Schulen und Kindergärten bleiben. Über der Stadt Moers lag seit dem Mittag ein Brandgeruch, kurz nach 15 Uhr hob die Stadt ebenfalls ihre Bevölkerungs-Warnung auf. Bis dahin hatte die Feuerwehr Moers regelmäßig die Luft analysiert. „Es kann natürlich noch zu vereinzelten Geruchsbelästigungen kommen. Die Messungen haben aber nichts Negatives ergeben.“ Nach 16 Uhr hebt dann auch der Kreis Wesel die Warnstufe auf. Eine Entwarnung per Sirene werde es aber nicht mehr geben.

Der Wind hat gedreht, die Rauchwolke zieht anscheinend weiter Richtung Norden, überquert den Rhein aber wieder in westlicher Richtung. Die Feuerwehr misst regelmäßig. Bislang hätten die Tests keine gesundheitsgefährdende Verschmutzung angezeigt, sagte ein Feuerwehrsprecher. (mit Material von dapd)