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Bergmann Beyazit will bis zur letzten Schicht bleiben

Bergmann Beyazit will bis zur letzten Schicht bleiben

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Foto: Kai Kitschenberg/Funke Foto Services
Mustafa Beyazit arbeitet seit 1997 unter Tage. 2018 ist Schicht im Bergbau – und bis dahin möchte der 36-jährige Elektrosteiger auch bleiben.

Dinslaken/Bottrop. 

Der Bergbau ist sein Leben. Er ist es eigentlich immer schon gewesen. Mustafa Beyazit liebt seinen Job als Elektrosteiger. Unter Tage, das ist seine (Arbeits)-Welt, und es war auch schon die von seinem Vater Ismael. Mustafas Söhne werden diese Familientradition nicht fortschreiben. Wenn 2018 Schicht im Schacht ist und auch die letzten Zechen in NRW dicht machen, sind die beiden keine zehn Jahre alt.

Papa Mustafa ist dann noch nicht einmal 40. „Natürlich ist 2018 immer im Kopf, und das ist ein komisches Gefühl“, sagt Beyazit. Trotzdem, er möchte bleiben. So lange es geht, am liebsten bis zur allerletzten Schicht.

Wechsel von der Zeche Lohberg aufs Bergwerk West

„Damals haben alle gesagt: ,Wenn du auf der Zeche eine Ausbildung machst, machst du nichts falsch’“, erinnert sich der heute 36-Jährige an seinen Start im Steinkohlenbergbau. Damals, das war 1997 auf der Zeche Lohberg in Dinslaken. Ein Ende des Schwarzen Goldes konnte sich niemand vorstellen. Bis zum Jahr 2005 wollte auch der Dinslakener Beyazit den Gedanken nicht so recht an sich heranlassen – dann machte die Zeche Lohberg dicht, und das Bergwerk West in Kamp-Lintfort wurde seine berufliche Heimat.

Schlechte Zeiten? Für die Ruhrkohle ja, doch der Wechsel machte dem jungen Mann noch einmal deutlich, was der Bergbau ihm bedeutet. „Das ist kein Job wie jeder andere. Natürlich musste ich mich auf dem Bergwerk West erst zurechtfinden. Aber unter Kumpeln geht das so schnell. Man fühlt sich sofort aufgenommen und nach wenigen Tagen so, als sei man schon eine Ewigkeit da. Weil wir eben echte Kumpel sind“, sagt er.

2009 war auch auf West das Ende der Kohleförderung erreicht, und der Familienvater wurde nach Bottrop auf Prosper-Haniel verlegt. Der Arbeitsplatz wechselte, die Mentalität nicht. Wer durch die Gebäude am Alten Postweg geht, den packt das Kumpel-Gefühl sofort. Hier sagt man nicht „Hallo“. Es heißt „Glück auf“. Vom Kohlenstaub pechschwarze Männer hetzen durch die Drehtüren am Schacht. Feierabendzeit. Hektisches Treiben in der Kaue, Gespräche über Fußball, über Zuhause. Dass hier bald alles still stehen soll – unvorstellbar. Auch für Mustafa Beyazit.

Dass hier bald alles still stehen soll – unvorstellbar

Weil er aber auch nicht fernab der Realität auf einem großen schwarzen Kohleplaneten lebt, nutzte der gelernte Energie-Anlagen-Mechatroniker die umfangreichen Weiterbildungsangebote seines Arbeitgebers, machte seinen Techniker. Zuletzt absolvierte er Workshops zu industriellen IT-Programmen, besuchte einen Lehrgang und wurde Fachkraft für Arbeitssicherheit. „Natürlich habe ich das auch gemacht, um für die Zeit nach 2018 möglichst gut vorbereitet zu sein. Ich habe Verantwortung für meine Familie.“

Doch längst nicht alle Kumpel packen ihre Situation so an wie der Dinslakener. Einige, weiß Beyazit, meiden das Thema, schieben Entscheidungen vor sich her. Dabei werden Ende 2018 voraussichtlich rund 730 Mitarbeiter der RAG nicht mit Vorruhestandsregelungen versorgt sein, sondern weiter arbeiten müssen. Arbeitsvermittler auf den noch aktiven Bergwerken versuchen, die Kumpel anderswo unterzubringen, auch am schwarzen Brett auf Prosper-Haniel hängen immer wieder Stellenangebote aus. „Viele Unternehmen stellen gern ehemalige Kumpel ein. Unsere Leute sind gut ausgebildet, teamfähig und belastbar. Das haben sie über viele Jahre unter Tage bewiesen“, sagt Michael Sagenschneider, Sprecher des Bottroper Bergwerks.

Dass er für andere Arbeitgeber attraktiv ist, gibt Mustafa Beyazit zumindest ein klein wenig Sicherheit in bewegten Zeiten. Ausruhen will er sich darauf nicht. „Ganz sicher sollte sich in unserer Lage keiner sein. Ich versuche, weitere Weiterbildungsangebote zu nutzen.“ Wenn ein Arbeitgeber kommt und ihm ein Angebot vorlegt, will er sich damit beschäftigen. So ganz wohl ist ihm beim Gedanken daran aber nicht. „Ich möchte bis 2018 bleiben. Das ist mein Ziel.“

Einige Kumpel bleiben nach 2018 für „Ewigkeitsaufgaben“

Einige Kumpel werden auch nach 2018 bleiben und die Ewigkeitsaufgaben wie Bergschäden und Grubenwasserhaltung bewältigen. Ob Beyazit einer von ihnen wird, weiß er nicht. Verlassen kann und will er sich darauf nicht. Aber ganz egal, was in drei Jahren passiert: „Der Bergbau bleibt in meinem Herzen.“ Er ist sein Leben. Glück auf!