Veröffentlicht inPolitik

„Zurzeit ist es die Hölle“ – Paketzusteller sind überlastet

„Zurzeit ist es die Hölle“ – Paketzusteller sind überlastet

Titel-Paketdienste-1.jpg
Foto: Knut Vahlensieck
„Zurzeit ist es die Hölle“: Wegen des riesigen Aufkommens in der Weihnachtszeit werden Päckchen auch am Sonntag und Heiligabend ausgeliefert. Dabei sind nicht nur Geschenke unterwegs. Auch Kaminholz und 30-Kilogramm-Säcke Tierfutter müssen die Boten schleppen.

Dortmund. 

Viele Paketzusteller in Nordrhein-Westfalen sind in diesen Tagen hoffnungslos überlastet. Weil die Flut der Weihnachtspäckchen gigantische Ausmaße annimmt, haben manche Paketdienste wie die Post-Tochter DHL die Zustellung auch auf diesen Sonntag und Heilig Abend ausgedehnt. Grund für die extreme Belastung der Zusteller: Immer mehr Verbraucher lassen sich ihre Weihnachtseinkäufe zuschicken. Im Dezember ist der Paketversand auf mehr als das Doppelte angestiegen.

Mehr als sechs Millionen Pakete täglich

„Liefert DHL an normalen Tagen drei Millionen Pakete aus, so sind es in den vergangenen zwei Wochen täglich mehr als sechs Millionen Pakete“, sagt DHL-Sprecher Dieter Pietruck. In Nordrhein-Westfalen liegt die Zahl bei über 1,2 Millionen. Ähnlich sieht es auch bei den anderen Branchengrößen aus.

„Die Belastung der Zusteller ist dadurch extrem“, weiß Rudolf Pfeiffer, Vorsitzender des Bundesverbandes der Kurier-Express-Postdienste (KEP). „Denn die Touren waren auch schon vor dem Weihnachtsgeschäft gut ausgelastet; jetzt kommt das alles noch oben drauf.“ Viele Firmen könnten zwar zusätzliche Fahrzeuge anmieten, fänden aber keine zusätzlichen Fahrer, „weil deren Entlohnung nicht besonders attraktiv“ ist.

Grund dafür: Drei der fünf großen Zustelldienste (Hermes, DPD und GLS) lassen die Auslieferung überwiegend durch Subunternehmer erledigen. Dies sind zumeist Kleinstunternehmen, die nach KEP-Aussage in der Regel gegen Kleinstentlohnung fahren. UPS und DHL hingegen beschäftigen überwiegend eigene Angestellte.

Im Gegensatz zu diesen eigenen Beschäftigten, die nach Tarif bezahlt werden (11 bis 15 Euro), müssen die Fahrer der Subunternehmen bezogen auf ihre tatsächliche Arbeitszeit mit fünf bis sieben Euro Stundenlohn auskommen. „Das ist Lohn-Dumping“, kritisiert Lars-Uwe Rieck, Speditions-Experte der Gewerkschaft Verdi. Die Gewerkschaft fordert daher eine freiwillige Selbstverpflichtung der fünf großen Paketzusteller für eine tarifliche Bezahlung, eine Alternative sei die Einführung eines gesetzlichen bzw. branchenspezifischen Mindestlohns.

Wie hart und lang die Arbeitstage derzeit für die Zusteller sind, schildert Florian Meier*, Zusteller für DPD im Ruhgebiet. „Ich fange morgens um 5 Uhr an – und bin abends nicht vor 19 oder 20 Uhr zu Hause“, berichtete er. „Zurzeit ist es die Hölle!“ 105 Stopps. 130 Pakete. Und diese alle im Laufschritt austragen. „Wir gehen auf dem Zahnfleisch“, stöhnt Florian Meier. Er und seine Kollegen können sich nicht richtig auf Weihnachten freuen – denn sie wissen: Danach geht der Stress gleich weiter.

„Das Internet hat die Menschen bequem werden lassen“, klagt Meier. Immer mehr würden sich günstig oder manchmal auch kostenfrei Artikel zuschicken lassen, die man bis vor kurzem noch selbstverständlich selbst im Laden kaufte – und das ist eine Tendenz, die nicht nur zur Weihnachtszeit auftritt. „Zurzeit nimmt die Lieferung von Kaminholz extrem zu“, sagt Meier. In Lieferungen zu 30 Kilo verschickt ein Anbieter das Holz per Paketdienst an Privathaushalte.

Ein Renner: Tierfutter im 30-kg-Sack

Ebenfalls ein Renner: „Tierfutter im 30-Kilo-Sack.“ Die müssen die Zusteller dann bis an die Haus- oder Wohnungstür tragen. Und wenn die Besteller nicht da sind, tragen sie die Ware zurück zum Wagen und am nächsten Tag erneut zum Kunden. „Für die zweite, dritte oder auch vierte Auslieferung werden die Fahrer nicht extra bezahlt“, berichtet Rudolf Pfeiffer vom Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste. Jeder zusätzliche Anlieferungsversuch verringert den ohnehin geringen Lohn der Zusteller.

„Ich wünsche mir, dass die Kunden mehr Verständnis für unsere Situation aufbringen würden“, sagt der DPD-Zusteller. „Dass sie unsere Hektik nicht als Unfreundlichkeit auffassen, sondern sich selbst auch ein wenig beeilen, damit wir weiter kommen.“ Und wer weiß, dass er am Tag der Anlieferung nicht zu Hause ist, sollte das dem Paketdienst mitteilen oder zumindest einen Zettel an die Tür machen, wo das Paket abgeliefert werden kann. (

*=Name geändert)