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Warum der würdevolle Tod allzu oft am System scheitert

Warum der würdevolle Tod allzu oft am System scheitert

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Foto: WAZ FotoPool
Palliativmedizin, Patientenverfügung, Sterbehilfe: Auf Einladung des Dortmunder FDP-Politikers Michael Kauch sprachen Experten über die Frage „Wie will ich sterben?“. Erkenntnis: Zu viele Menschen erhalten am Lebensende nicht die Hilfe, die sie eigentlich brauchen.

Dortmund. 

Es durfte sogar gelacht werden, obwohl es doch todernst zur Sache ging: Palliativmedizin, Patientenverfügung, Sterbehilfe – damit beschäftigte sich eine Expertendiskussion in Dortmund, die auf reges öffentliches Interesse stieß. Es ging um die Frage aller Fragen: Wie will ich sterben? Und vor allem: Welche Freiheiten erlaubt mir eigentlich unsere Gesellschaft, wenn es um Selbstbestimmung am Lebensende geht?

Dass die zweieinhalb Stunden der vom Dortmunder FDP-Bundestagsabgeordneten Michael Kauch organisierten Runde nicht gänzlich humorfrei blieben, mag Indiz für eine gewisse Entkrampfung sein.

Offenbar kommt das Thema Tod langsam aus der verklemmten Tabu-Ecke heraus, in der es aus Angst und Unsicherheit schon so lange steckt. Zumindest das in der Sache kundige und überaus diskussionsfreudige Publikum an diesem Abend zeigte: Viele Menschen sind ohnehin schon viel weiter, als die öffentliche Wahrnehmung es vermittelt. Dennoch nimmt das Thema nur mühsam den Weg durch die Instanzen. Der Wunsch nach einem würdevollen Tod – er scheitert allzu oft am System.

Beispiel Palliativmedizin

Zwar haben Todkranke schon seit dem Jahr 2007 einen Rechtsanspruch auf eine medizinische Sterbebegleitung zu Hause. Doch, so FDP-Mann Kauch, sei es weiter ungemein schwer, die Vertreter der medizinischen Selbstverwaltung dazu zu bringen, „diesen Paragraphen auch mit Leben zu füllen“.

Kauch, als Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag an der Gesetzgebung beteiligt, kritisierte die „extrem langen Verhandlungen“ zwischen den Ärzteverbänden, Krankenkassen und Klinikvertretern scharf.

Noch immer gebe es „weiße Flecken“ auf der Landkarte. Dort sei die von so vielen Patienten und ihren Familien herbeigesehnte häusliche Palliativversorgung faktisch unmöglich, der Rechtsanspruch mithin nicht umsetzbar.

Auch der Wittener Palliativmediziner Matthias Töns kennt die Tücken des Gesundheitssystems. Nordrhein-Westfalen könne sich einer flächendeckenden ambulante Palliativversorgung rühmen, sagte der Arzt, der ein viel beachtetes Palliativnetz in den Städten Bochum und Witten aufgebaut hat. „Aber in Baden-Württemberg müssen Todkranke ihre Kasse verklagen, wenn sie zu Hause versorgt werden wollen.“

Gehe es ans Sterben, seien Privatpatienten sogar schlechter dran. Denn: Der Rechtsanspruch auf Palliativversorgung greift bei den Privatkassen nur als Empfehlung. Die Übernahme der Kosten für Sterbebegleitung werde oft zurückgewiesen, ein Ende in Würde abgelehnt als „nicht vereinbarte Leistung“.

Beispiel Sterbehilfe

Auch hier klaffen Debattenstand und Wirklichkeit auseinander. Aktive Sterbehilfe etwa nach dem niederländischen Modell hält Gesundheitspolitiker Michael Kauch in Deutschland absehbar für nicht durchsetzbar – die Geschichte. Den so genannten assistierten Suizid freilich schon.

Diese Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland strafrechtlich nicht verboten, scheitert aber oft an Beschränkungen des Betäubungsmittelgesetzes und an berufsständischen Vorgaben der Ärzteschaft, die auch noch regional unterschiedlich ausfallen. Kein Wunder bei 18 verschiedenen Landesärztekammern. Matthias Töns: „In Bayern ist der assistierte Suizid offiziell erlaubt, in Westfalen-Lippe wird er geduldet. In der Region Nordrhein, also etwa in Essen, können Sie dafür ihre Zulassung als Arzt verlieren. Blöder kann es nicht sein.“

Doch der richtige Umgang mit dem Thema Sterbehilfe lässt sich naturgemäß nicht auf bürokratische Zuständigkeiten redu­zie­­ren. Es geht um „Wertkonflikte“, wie es Arnd T. May formulierte. „Selbstbestimmung hat ihre Grenzen da, wo sie zur Fremdbestimmung eines anderen wird“, so der Medizinethiker, der die provokante Frage aufwarf, ob der Arzt als Lebensretter auch „Tötungsmechaniker mit Erfolgskontrolle“ sein könne.

Als Ausweg aus dem Dilemma schlug May die so genannte „terminale Sedierung“ vor. Das ist die Verabreichung eines starken Betäubungsmittels, das das Sterben erleichtert, den Todeszeitpunkt aber nicht fixiert.