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Wie Atomkugeln Svenja Schulze in die Bredouille bringen

Panne mit Strahlkraft für Svenja Schulze

In der Atommüll-Affäre in Düsseldorf haben die CDU und FDP vehement den Rücktritt von Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) gefordert.

Düsseldorf. 

Am 10. März um 14.47 Uhr deutete wenig auf einen folgenschweren landespolitischen Vorgang hin. Das Forschungszentrum Jülich, eine der größten wissenschaftlichen Einrichtungen Europas, erarbeitete gerade gemeinsam mit der Landesregierung das Antwortschreiben auf eine parlamentarische Anfrage des Landtagsabgeordneten Hans Christian Markert. Der Grünen-Politiker interessierte sich für die exakte Lagerung der vor mehr als 30 Jahren in einem Jülicher Forschungsreaktor verwendeten Brennelementekugeln.

Markert, Atom-Experte seiner Fraktion, witterte schon länger und immer mal wieder Unregelmäßigkeiten mit strahlendem Müll. Mehrmals gingen also E-Mails zwischen Düsseldorf und Jülich hin und her, die Experten des Forschungszentrums leisteten letzte Formulierhilfe, „um noch eindeutiger die Fakten abzubilden und Interpretationsspielräume von vorn herein zu minimieren“.

„Schöne Grüße aus Jülich“

Um 14.47 Uhr schloss man schließlich mit „schönen Grüßen aus Jülich“. Um 15.39 Uhr stand der allenthalben als korrekt empfundene Entwurf einer Antwort an Markert. Tenor: Sämtliche Brennelemente sind sicher verwahrt, wenn auch die Bilanzierung in Kugelzahlen kompliziert ist, weil eine Reihe von ihnen einst bei Experimenten zu Bruch ging.

Zum Politikum wurde der unspektakuläre Routinevorgang der so genannten Arbeitsebene erst nach dem 30. März. NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) schickte an diesem Tag an Markert ein Antwortschreiben, das an zwei Stellen verzerrend verändert wurde. Schulze rechnete plötzlich vor, dass über den Verbleib von 2285 Brennelementekugeln „mit der gebotenen Zuverlässigkeit“ keine abschließenden Aussagen getroffen werden könnten. Und die Ministerin spekulierte, hochradioaktiver Atommüll sei „allem Anschein nach“ sogar illegal im niedersächsischen Forschungsbergwerk Asse eingelagert worden. Anschließend rief sie in Pressemitteilungen zu „lückenloser Aufklärung“ auf, forderte eine Sondersitzung des Aufsichtsrates des Forschungszentrums Jülich und schreckte die Öffentlichkeit mit einer Alarmmeldung auf: Aktuell bestehe Unsicherheit über den Verbleib der gefährlichen Kugeln.

Wenig später beendete ausgerechnet die eigene NRW-Atomaufsicht den Wirbel mit einem glasklaren Dementi: Es würden gar keine Brennelemente vermisst.

Die CDU-Landtagsfraktion behauptet, Schulze habe nach der Reaktorkatastrophe von Japan am 11. März die Atom-Debatte in NRW anheizen wollen: „Nach Fukushima wurde eine richtige Antwort in eine falsche Antwort verwandelt“, empörte sich CDU-Fraktionsvize Lutz Lienenkämper. Fraktionschef Karl-Josef Laumann hält den Umgang mit der Atomkugel-Anfrage für einen „handfesten Skandal“ und will notfalls in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss klären lassen, wie Schulze trotz eines bereits am 10. März geklärten Sachverhalts noch wochenlang Atomängste habe schüren können.

Berliner dementiert
Erklärung von Schulze

Das Wissenschaftsministerium erklärt die späte Überarbeitung des ersten Antwort-Entwurfs an Markert nun mit Hinweisen aus dem CDU-geführten Bundesforschungsministerium am 11. März. Aus Berlin sei angeregt worden, „die nicht abschließend zu klärende Größenordnung der Brennelementekugeln offen zu lassen“. Selbst wenn dies in Düsseldorf kaum als Aufforderung zu einer spektakulären Atomkugel-Vermisstenmeldung aufzufassen gewesen wäre, bleibt die Staatssekretärin im Bundesforschungsministerium, Cornelia Quennet-Thielen, eindeutig bei der Jülicher Version: Am 10. März sei alles Relevante abgestimmt worden.

Gestern war nicht erkennbar, dass Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) das leidige Thema durch rasche Entlassung Schulzes abräumen würde. Womöglich wird erst ein Untersuchungsausschuss im Landtag klären, wie es zu der kuriosen Informationspanne kam. In wochenlangen Vernehmungen wird die Opposition dann gewiss auch den formal für die Atomaufsicht zuständigen Wirtschaftsminister Harry K. Voigtsberger (SPD) vorladen.